Ex-OMV-Vorstand Gerhard Roiss
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ÖVP-U-Ausschuss

Ex-OMV-Chef vermisst Strategie bei Energie

Am Dienstag hat zum ersten Mal nach der Sommerpause der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss getagt. Mit Gerhard Roiss war der frühere Vorstandsvorsitzende der teilstaatlichen OMV geladen. Aktueller könnte die Ladung nicht sein, ging es doch in den Befragungen um Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas – diese hält Roiss zu einem Gutteil für selbst verschuldet.

Zu Beginn der Befragung ließ Roiss seine Ära bei der OMV Revue passieren. Das oberstes Ziel sei „immer die Versorgungssicherheit“ gewesen, so der frühere Vorstandsvorsitzende. Er habe versucht, die Abhängigkeit von Russland durch andere Gasanbieter zu reduzieren, zum Beispiel, indem man etwa in Norwegen investiere. Das sei aber keine Kritik an dem russischen Energieriesen Gasprom. Dieser wollte sich in Europa mit Marketing und Lobbying breitmachen und habe aus Unternehmersicht einen „Superjob“ gemacht.

Hingegen habe der OMV nach seiner Ära eine klare Strategie gefehlt. „Wenn man keine klare Strategie hat, dann übernimmt man jene der anderen“, sagte Roiss. Österreich sei vom russischen Gas abhängig, und das sei ein Faktum. Dass man das in der Vergangenheit nicht ändern konnte, sei problematisch. Seine Strategie sei Roiss’ Meinung nach richtig gewesen. Im September 2014 sei ihm von der Staatsholding ÖIAG (heute ÖBAG, die 31,5 Prozent für die Republik an der OMV hält) aber mitgeteilt worden, dass sein Vertrag nicht verlängert wird.

Wolf und Roiss zwischen OMV und ÖIAG

Man habe ihm eine falsche Strategie, schlechte Stimmung im Vorstand und „sogar Korruption“ vorgeworfen. Das seien „haltlose Vorwürfe“ gewesen. Mit dem damaligen Aufsichtsratschef der ÖIAG, Siegfried Wolf, habe er zwei Gespräche geführt, obwohl dieser gar nicht für ihn zuständig gewesen sei. Der damalige ÖIAG-Aufsichtsratschef habe ihm dann mitgeteilt, dass „meine Strategie nicht passt“. Das Norwegen-Investment sei „einfach schmutzig geredet worden“. Der Kapitalmarkt habe es zwar ebenfalls nicht nur positiv gesehen, aber diese Kritik sei öffentlich gewesen, so Roiss.

Ex-OMV-Vorstand Gerhard Roiss
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Roiss zeigte sich am Dienstag auskunftsfreudig und schilderte seine Sicht der OMV-Strategie

Im Mai hatte Wolf im U-Ausschuss seine Rolle in Sachen OMV jedoch etwas anders dargestellt. Er sei für Roiss „nicht direkt zuständig gewesen (…) Herr Roiss hat in der OMV einen direkten Aufsichtsrat gehabt“, sagte der Unternehmer. Zudem hatte Wolf dem Ex-Vorstand vorgeworfen, die Geschichte des Konzerns umzuschreiben. Vom damaligen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sei er, Wolf, zwar gebeten worden, Roiss in „seinem wirtschaftlich desaströsen Kurs“ zu unterstützen. Das habe Wolf aber nicht wollen und nicht können.

Die von der FPÖ an Roiss gestellte Frage, ob die OMV ihre Sicht auf Russland seit 2014 (Wolf wird ÖIAG-Aufsichtsratschef, Anm.) geändert hatte, wurde vom Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) nach Beratung mit Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl nicht zugelassen. Roiss sagte allerdings später, dass die Weichen bereits vor dem Untersuchungszeitrum (2017 bis 2021) gelegt wurden, es aber keinen expliziten „Auftrag“ gegeben habe, in Russland zu investieren.

ÖVP fragt knapp, SPÖ zu Verbund

Tatsächlich scheint das Thema Energieabhängigkeit von Russland auf den ersten Blick nicht zum definierten Untersuchungsgegenstand des U-Ausschusses zu passen. Widerspruch zu Fragen kam meist von der ÖVP-Fraktion, die zu Beginn festhielt, dass die Ladung Roiss’ in keiner Weise nachvollziehbar sei. Die Tätigkeit von Roiss in der OMV falle weder inhaltlich noch zeitlich in den Rahmen des U-Ausschusses, sagte ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger.

Andreas Hanger
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ÖVP-Fraktionschef Hanger sprach vor der Befragung sinngemäß von einer chaotischen Ladungspolitik der Opposition

Die Opposition – allen voran NEOS, das das Thema Gasabhängigkeit auf den Plan des U-Ausschusses hievte – argumentierte hingegen, dass es um Beeinflussung auf Beteiligungen des Bundes geht. Im Fokus stand entsprechend die Frage, warum die teilstaatliche OMV sich von Russland nicht absetzen konnte. 2018 wurde ein neuer Vertrag über Gaslieferungen beschlossen – bis 2040, obwohl der alte Vertrag erst 2028 ausgelaufen wäre. Man wollte sich günstige Konditionen sichern. Bei der Unterzeichnung in Wien waren Russlands Präsident Wladimir Putin und der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) anwesend.

Roiss meinte im U-Ausschuss, dass solche Verträge immer auf lange Zeit abgeschlossen würden. Er selbst hätte diesen – im Gegensatz zu Roiss’ OMV-Nachfolger Rainer Seele – aber nicht unterzeichnet. Der frühere Vorstandsvorsitzende hielt fest, dass bei der Unterzeichnung der „South Stream“-Pipeline mit Gasprom im Jahr 2014 keine Regierungsmitglieder anwesend gewesen seien. Allerdings befand sich Russlands Präsident Putin auch damals in Wien. Das Projekt, mit dem Gas über das Schwarze Meer nach Südeuropa geleitet werden sollte, ohne dabei die Ukraine zu berühren, wurde Ende 2014 gestoppt.

„Kein Verhältnis“ zu Seele

Auf die Kritik an seiner OMV-Strategie angesprochen sagte Roiss, dass der Aufsichtsrat diese mitgetragen habe. Erst später habe sich Aufsichtsrat Wolfgang C. Berndt, der am Mittwoch im U-Ausschuss befragt wird, kritisch dazu geäußert – ab 2019 war Berndt, der die ÖVP finanziell unterstützte, dann Aufsichtsratschef. Zu Seele, der Roiss im Vorstand nachfolgte, habe die Auskunftsperson „kein Verhältnis“, sagte der mittlerweile pensionierte Manager. Wahrnehmungen, ob Seele ein besonderes Verhältnis zu Russland hat, habe er nicht.

Nina Tomaselli
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Grünen-Fraktionsvorsitzende Nina Tomaselli wollte mehr über Interna der OMV wissen

In einem „Profil“-Interview im März hatte Roiss ausführlich dargelegt, dass nach seiner Zeit die Stimmung auf Ebene der Eigentümervertreter „wahrnehmbar in Richtung Russland gekippt war. Es gab da eine große Fraktion von Russland- und Putin-Verstehern, die darauf drängte, dass die OMV sich stärker in Russland engagiert“, hielt er fest. Selbst wenn Investments ihren Reiz gehabt haben mögen, hätte Roiss „schon damals gewusst: Irgendwann kommen die Probleme. Wegen der Steuern, der Umwelt, der politischen Willkür des Kreml. Nach meinem Abgang 2015 war der Weg dorthin dann endlich frei.“

„Es war eine richtige Bestellung“

Eine weitere Tangente der Befragung war Roiss’ Tätigkeit nach seinem OMV-Engagement. Von April 2017 bis April 2019 war der Manager Aufsichtsratschef beim teilstaatlichen Verbund. Hier ging es dann um Fragen rund um politische Einflussnahme und Postenbesetzungen. Insbesondere die SPÖ nahm diesen Aspekt in den Fokus. So wollte Fraktionschef Kai Jan Krainer mehrmals Roiss’ Wahrnehmungen über den Vorstandsvorsitzenden Michael Strugl wissen.

Stephanie Krisper
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Die Ladung von Roiss geht auf den Wunsch von NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper zurück

„Ich glaub, es war eine richtige Bestellung“, sagte Roiss, der Strugl als früheren Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich zu schätzen gelernt habe. Der Auswahlprozess sei sehr professionell und der Ex-ÖVP-Politiker der Qualifizierte gewesen, unabhängig von dessen Parteibuch. Zwar habe er die Bedenken im Aufsichtsrat geteilt, dass Strugl lange in der Politik gewesen war. Ob die Besetzung parteipolitisch motiviert gewesen sei, könne er nicht sagen. Davon habe Roiss nicht gehört, zudem hat er offenbar nicht damit gerechnet, dass der Verbund Thema sein wird.

„Ein Stück Wiedergutmachung“

Dass er 2019 als Verbund-Aufsichtsratschef zurückgetreten ist, sei seine eigene Entscheidung gewesen, sagte Roiss auf eine entsprechende Frage der Grünen. Die Auskunftsperson wusste laut eigenen Angaben zwar nicht genau, wer an ihn herangetreten war, aber es sei wohl die Idee der der damaligen Regierungsspitze, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), gewesen. Zunächst habe er den Job nicht annehmen wollen, sah es aber als „ein Stück Wiedergutmachung“ für sein Abgang von der OMV.

Dass sein Name in einer Chatnachricht zwischen dem früheren Generalsekretär Thomas Schmid mit dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) vorkommt („Roiss-Fiasko“), sei zwar „bösartig“, aber das „ist mir auch völlig wurscht“. Worum es in den Chats ging, könne der Ex-OMV-Manager heute nicht sagen. Niemand sei auf ihn zugekommen und habe mit ihm darüber gesprochen.