Hohe Energiepreise, hohe Kriminalität und nicht zuletzt auch eine hohe krisenbedingte Unsicherheit – all das dürfte den Schwedendemokraten (SD) in die Hände spielen. „Die linken Sozialdemokraten (S&D), die in den vergangenen hundert Jahren bei jeder Wahl die dominierende Partei waren, stehen einer starken Herausforderung durch rechte Parteien gegenüber“, so Euronews.
Auch „Politico“ schrieb: Die Wähler und Wählerinnen würden sich stark nach „Recht und Ordnung“ sehnen, es sei das Nummer-eins-Wahlkampfthema in Schweden. Die Schwedendemokraten, eine aus dem rechtsextremen Milieu hervorgegangene Partei unter der Führung von Jimmie Akesson, dürften vor allem von der eskalierenden Bandengewalt in Schweden profitieren.

„Jetzt bringen wir Schweden in Ordnung“
Im Sommer hatte es in Schweden eine Serie von Gewalttaten mit Verbindung zur organisierten (Drogen-)Kriminalität gegeben. Bisher jüngstes und spektakuläres Beispiel waren die tödlichen Schüsse in einem Einkaufszentrum in Malmö Mitte August.
Immer wieder gerieten auch Unbeteiligte zufällig in die Schusslinie. Die Opposition warf den regierenden Sozialdemokraten unter Regierungschefin Magdalena Andersson vor, die Situation nicht im Griff zu haben. So stehen laut „Politico“ etwa auf den Plakaten des Parteichefs der konservativen Moderaten (M), Ulf Kristersson, Slogans wie: „Jetzt bringen wir Schweden in Ordnung“ und „Bereit zur Verbrechensbekämpfung“.
Schweden vor Wahl tief gespalten
Schweden wählt ein neues Parlament. Erwartet wird ein knappes Rennen zwischen dem linken und dem rechten Lager.
Migration als Wahlkampfthema
Laut dem Schwedendemokraten Akesson sei vor allem die „große, unkontrollierte und nachlässige Migrationspolitik“ schuld an der hohen Bandenkriminalität. Sein Ziel ist es, Schweden zum Land mit der „geringsten Einwanderung in Europa“ zu machen.
Der Stockholmer Politikwissenschaftler Karl Loxbo sagte dazu: „Niemand sagt das offen heraus, aber es dreht sich bei den Taten oft um Schießereien unter Migrantengangs“. Und: „Nirgendwo anders in Westeuropa kommen solche Schießereien so häufig vor, und manche Wähler könnten denken, dass das nach einer radikalen Lösung ruft, und im Ergebnis für die radikale Rechte stimmen.“

Debatte über hohe Energiepreise
Neben Migration wurden freilich auch die Inflation und die hohen Energiepreise zum Wahlkampfthema. Die Opposition machte die ablehnende Politik der Regierung gegenüber der Atomkraft für die Preissteigerungen verantwortlich. Die Regierung, die Grünen und die Linkspartei sahen unterdessen die Gasdrosselungen von Russlands Präsident Wladimir Putin und den europäischen Strommarkt als Gründe für die vor allem in Südschweden rasant gestiegenen Energiepreise.
Ein umstrittenes Thema im Wahlkampf war gleichermaßen die geplante Neugestaltung von Steuern und Unterstützungen. Die Parteien des linken Blocks wollen Unterstützungszahlungen erhöhen, die rechten Parteien hingegen einschränken.

NATO-Beitritt, Pandemie und Klimakrise kein Thema
Die Bewerbung des skandinavischen EU-Lands um die NATO-Mitgliedschaft im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine spielte dagegen im Wahlkampf kaum eine Rolle. Die Sozialdemokraten, die im Gegensatz zur Opposition lange gegen einen Beitritt in dem Bündnis waren, hätten das Thema mit der Entscheidung für den Antrag aus taktischen Gründen „neutralisiert“, sagte Politikwissenschaftler Loxbo. Nur die Grünen und die Linkspartei stimmten dagegen.
Ebensowenig schien die Coronavirus-Krise Wahlkampfthema zu sein. So ist etwa im „Guardian“ über den einst umstrittenen und nun vergessen scheinenden „schwedischen Weg“ der Pandemiebekämpfung zu lesen: Es sei die erste Wahl seit jenen Entscheidungen über „Leben und Tod“, und es ist „fast so, als hätte es CoV nie gegeben. Die Parteiführer der Linken und der Rechten, die sich ein enges Rennen liefern, konzentrieren sich auf Kriminalität, Einwanderung und Energiepreise, aber nicht auf CoV.“
Dass die Menschen sich nur auf „Dinge konzentrieren, die direkt vor ihnen liegen, anstatt das größere Bild zu sehen“, kritisierte unterdessen auch keine Geringere als die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg. Auch die Klimakrise würde von den schwedischen Politikern und Politikerinnen vor der Wahl als ein „weit entferntes Problem“ wahrgenommen.
Rechtspopulisten in Regierung?
In Umfragen liegen die Rechtspopulisten als zweitstärkste Partei hinter den Sozialdemokraten. Damit haben sie auch die bisher stärkste bürgerliche Kraft, die Moderaten, überholt. Dass sie künftig Teil einer Regierung sind, ist aber immer noch sehr unwahrscheinlich.
Die Konservativen, die Christlichen Demokraten und die Liberalen sind bereit, mit den Schwedendemokraten zusammenzuarbeiten, sehen sie jedoch nicht als Teil einer künftigen Regierung. Dennoch könnten laut Analysen die Schwedendemokraten eine liberal-konservative Koalition nach der Wahl unterstützen – und Kristersson so zum Posten des Ministerpräsidenten verhelfen.
Wohl schwierige Koalitionsbildung
Andersson, die über weitaus mehr Popularität als ihre Partei selbst verfügt, muss also bei der Wahl nach nur zehn Monaten als Regierungschefin um ihr Amt bangen. Selbst bei einem Sieg der ersten schwedischen Ministerpräsidentin bleibe Beobachterinnen und Beobachtern zufolge fraglich, wie Andersson die unterschiedlichen Standpunkte von Linken und dem Zentrum miteinander vereinbaren will.
Die „Financial Times“ („FT“) zitiert hierbei den Politikwissenschaftler Nicholas Aylott: „Die Sozialdemokraten sind eine postideologische Partei. Langjährige Positionen zu nationaler Sicherheit, Recht und Ordnung und Einwanderung können unter den richtigen politischen Umständen überraschend schnell geändert werden.“ Der NATO-Beitritt liefere den Beweis dafür. Trotz allem dürfte sich so oder so eine Koalitionsbildung in dem krisengebeutelten Land wieder eher als schwierig gestalten.