Karl Nehammer (ÖVP), Leonore Gewessler (Grüne), Werner Kogler (Grüne), Magnus Brunner (ÖVP)
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Gültig ab Dezember

Regierung fixiert „Strompreisbremse“

Mit dem Beschluss der „Strompreisbremse“ im Ministerrat am Mittwoch macht die Regierung einen weiteren Schritt gegen die Teuerung. Durch sie wird der Strompreis für alle Haushalte bis zu einer Marke von etwa 2.900 kWh auf zehn Cent pro kWh gedeckelt, für darüber hinausgehenden Verbrauch sollen marktübliche Preise bezahlt werden. Erwartet wird, dass die Maßnahme jeden Haushalt um durchschnittlich 500 Euro pro Jahr entlastet. Greifen soll die „Strompreisbremse“ ab Dezember, sie ist derzeit bis Mitte 2024 befristet.

Die Grenze von 2.900 kWh im Jahr entspreche 80 Prozent des durchschnittlichen Stromverbrauchs von österreichischen Haushalten, so die Regierung. Sie sollen als „Grundbedarf“ gefördert werden. Für den Mehrverbrauch sollen Haushalte die Marktpreise bezahlen. Man habe hier eine Grenze gezogen, die Menschen „tatsächlich entlastet“, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Niemand müsse einen Antrag stellen, die „Strompreisbremse“ werde automatisch abgewickelt.

Mit der Grenze sollen auch Sparanreize aufrecht bleiben. Bei der Mehrheit der Haushalte dürfte die „Strompreisbremse“ aber für die gesamte Rechnung schlagend werden: Rund die Hälfte der österreichischen Haushalte verbraucht laut E-Control weniger als 2.500 Kilowattstunden (kWh) im Jahr.

Regierung beschließt „Strompreisbremse“

Die Regierung hat im Ministerrat die „Strompreisbremse“ beschlossen. Diese deckelt den Tarif überraschend sogar bis Mitte 2024. Erstmals soll die Erleichterung auf der Stromrechnung für Dezember ablesbar sein.

Auch Obergrenze eingezogen

Als Schwellenwert werden beim „Grundbedarf“ nun zehn Cent pro Kilowattstunde angenommen, das entspricht etwa dem Vorkrisenniveau. Der obere Schwellenwert liegt bei 40 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet: Haushalte, die 25 Cent pro Kilowattstunde vom Versorger in Rechnung gestellt bekommen, erhalten für 2.900 kWh jeweils 15 Cent pro Kilowattstunde vom Staat abgezogen.

Wer 40 Cent pro Kilowattstunde zahlen muss, erhält 30 Cent vom Staat. Bei 45 Cent sind es ebenfalls 30 Cent. Diese Obergrenze soll verhindern, dass Versorger die Preise anheben. Die Regierung veranschlagt für die Maßnahme rund drei, vier Milliarden Euro je nach Entwicklung der Strompreise. Es gehe darum, den Grundbedarf zu fördern, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Man könne die Inflation nicht wegzaubern, aber bei „Spitzen und Ausreißern“ gegensteuern. Das wirke auch inflationsdämpfend, so Kogler. Das Energiesparen dürfe trotzdem nicht aus den Augen verloren werden.

Zusatzkontingente für größere Haushalte

Ausgegangen wird von einem Dreipersonenhaushalt. Haushalte mit mehr Menschen sollen in einem gesonderten Schritt über ein Antragssystem zusätzlich geförderte Kontingente beantragen dürfen. Dieses Verfahren befinde sich gerade in Kooperation mit den Energieversorgern in Ausarbeitung. Details blieben am Mittwoch entsprechend offen.

Die fehlende Differenzierung bei der Haushaltsgröße war im Vorfeld kritisiert worden – auch vom „Schöpfer“ der „Strompreisbremse“, dem WIFO-Chef Gabriel Felbermayr. Die Ministerriege betonte, dass diese nicht trivial zu bewerkstelligen sei. Es brauche unter anderem aufgrund des Datenaustauschs Gesetze, die erst ausgearbeitet werden müssten, so Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

Weitere Zahlungen bei GIS-Befreiung

Die soziale Treffsicherheit soll durch eine weitere Maßnahme verbessert werden: Für Menschen, die von den Rundfunkgebühren (GIS) befreit sind, wird es einen zusätzlichen Abschlag von 75 Prozent der Netzkosten geben. Das sind für diese einkommensschwachen Haushalte – je nach Höhe des Verbrauchs – bis zu 200 Euro weitere Entlastung. Betroffen sind rund 300.000 Personen. Die Entlastung für stark Betroffene sei besonders wichtig, so Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Auch sie rief erneut zum Energiesparen auf.

Die Ministerriege lobte die „Strompreisbremse“ durchgehend als „schnelle und unbürokratische Maßnahme“. Kritik über die zu große Breite wies man zurück – es habe sich um eine „Abwägungsfrage“ gehandelt, und letztlich sei es gelungen, schnell Hilfe zu leisten und auch soziale Differenzierungen einzubauen, so Nehammer.

Nach dem Beschluss im Ministerrat soll das Instrument schnellstmöglich im Parlament, voraussichtlich im Oktober, beschlossen werden. Für den Beschluss reicht eine einfache Mehrheit. Der Gesetzestext soll laut Angaben des Energieministeriums gegenüber ORF.at noch am Mittwoch vorliegen.

Vorfeldkritik des „Schöpfers“

Die Eckpunkte waren bereits im Vorfeld bekannt, im Anschluss hatte es an mehreren Punkten Kritik gegeben. Felbermayr hatte vor allem kritisiert, dass Haushaltsgrößen nicht berücksichtigt werden. Hier dürfte nun durch die zusätzlichen Kontingente nachgebessert werden. In einer zusätzlichen Stellungnahme von Mittwochvormittag wurde zudem die fehlende Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz kritisiert. Brunner verteidigte deren Inklusion und argumentierte, dass bei einem Ausschluss von Nebenwohnsitzen auch Studierende und Pendlerinnen und Pendler benachteiligt würden.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr
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WIFO-Chef Felbermayr gilt als Erfinder der „Strompreisbremse“

Kritisch sieht der Ökonom die hohe Grenze von 2.900 kWh. Für alles darüber muss der aktuelle Marktpreis bezahlt werden. Felbermayr: „Dadurch wird der WIFO-Vorschlag ausgehebelt. Es gibt keine Sparanreize mehr.“

Entsprechend wenig Verständnis hatte er auch für die Kombination der bundesweit geplanten „Strompreisbremse“ und der „Landesbremse“ in Niederösterreich, wo in manchen Fällen 100 Prozent des Strompreises ersetzt werden könnten. Hier betonte Nehammer, dass weiterführende Maßnahmen im Ermessen der Länder liegen würden.

Opposition und Länder mit Kritik

Im Vorfeld des geplanten Beschlusses gab es auch Kritik von Opposition und einigen Ländern. Zu spät, zu wenig, zu sehr mit der Gießkanne und zu kompliziert befand die Opposition die ersten Details. Die SPÖ kritisierte zudem eine fehlende Einbindung der Opposition. Gefordert wurde einmal mehr eine Übergewinnsteuer, auch von der Arbeiterkammer (AK). Die FPÖ sah eine „halbherzige Symptombehandlung“, die ein halbes Jahr zu spät komme. Für NEOS ist das Modell „teuer, ungerecht und nicht treffsicher und es leistet leider null Beitrag zum Energiesparen und damit zur Versorgungssicherheit Österreichs“, so Energiesprecherin Karin Doppelbauer.

Die Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace bemängelten indes fehlende Anreize zum Energiesparen. Es müsse mehr Energie eingespart werden, das „Gießkannenprinzip“ der „Strompreisbremse“ sei hier hinderlich.

Zu wenig Hilfe für die Menschen mit den geringsten Einkommen sieht die Caritas. Sie kritisierte, dass man es monatelang nicht geschafft habe, eine Datengrundlage zu den Haushaltseinkommen zu schaffen. Nun sei treffsichere Hilfe kaum möglich. Steigende Energiekosten seien für die Betroffenen eine Frage der Existenz, entsprechend wurden auch Unterstützungen bei Heizkosten gefordert – mehr dazu in religion.ORF.at. Ähnlich die Kritik der Volkshilfe – sie schlug unter anderem einen Aufschlag für Menschen mit hohem Stromverbrauch vor, um den Sparanreiz zu erhöhen.

Länder wie Vorarlberg wiederum bemängelten, dass sie aufgrund von Haus aus niedrigerer Energiepreise praktisch nicht profitieren würden. Hierzu verwies Nehammer auf den langen Förderzeitraum: Die Subventionierungen würden damit noch gelten, wenn die hohen Preise im Westen ankommen. IHS-Direktor Klaus Neusser konnte dem Plan einiges abgewinnen, weil eine treffsichere Variante „langsam und sehr kompliziert gewesen“ wäre.