Hand an Lichtschalter
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Sparanreize und Treffsicherheit

Mehrere Knackpunkte bei Strompreisbremse

Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat eine Strompreisbremse beschlossen, die den Preis für 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs österreichischer Haushalte begrenzen und die Menschen in der Teuerung entlasten soll. Das Modell macht nicht alle zufrieden: Kritisiert wurden unter anderem der fehlende Anreiz zum Stromsparen, zu viel „Gießkanne“ – vor allem für Besserverdienende – und eine zu geringe Treffsicherheit. Energieversorger könnten zudem zu Preiserhöhungen ermutigt werden.

Die Eckpunkte der Strompreisbremse gestalten sich so: Ab Dezember soll der Strompreis bis Juni 2024 für alle Haushalte antragslos und automatisch bis zu einer Marke von etwa 2.900 kWh Jahresverbrauch auf zehn Cent pro kWh gedeckelt werden. Für darüber hinausgehenden Verbrauch sollen marktübliche Preise bezahlt werden.

Zudem zieht die Regierung beim Preis für die Kilowattstunde einen oberen Schwellenwert ein. Sprich: Wer 40 Cent pro Kilowattstunde zahlen muss, erhält 30 Cent vom Staat. Bei 45 Cent sind es ebenfalls 30 Cent. Ausgegangen wird von einem Dreipersonenhaushalt, größere Haushalte sollen in einem nächsten Schritt zusätzliche Kontingente beantragen können. Von den Rundfunkgebühren (GIS) befreite Personen sollen zusätzliche Zahlungen bekommen, das soll die niedrigsten Einkommen stützen. Zwischen drei und vier Milliarden sind für die Maßnahme veranschlagt.

Regierung fixiert Strompreisbremse

Mit dem Beschluss der Strompreisbremse im Ministerrat am Mittwoch macht die Regierung einen weiteren Schritt gegen die Teuerung. Durch sie wird der Strompreis für alle Haushalte bis zu einer Marke von etwa 2.900 kWh auf zehn Cent pro kWh gedeckelt, für darüber hinausgehenden Verbrauch sollen marktübliche Preise bezahlt werden.

Mehrheit verbraucht weniger – kaum Sparanreiz

Das Modell wurde vielfach grundsätzlich positiv bewertet, Kritikerinnen und Kritiker sehen aber auch einige Schlupflöcher. Skeptisch betrachtet wurde etwa der relativ hoch angesetzte Betrag für den Grundbedarf – die besagten 2.900 kWh. Denn: Laut E-Control verbraucht rund die Hälfte der österreichischen Haushalte ohnehin weniger als 2.500 Kilowattstunden (kWh).

So können sich viele Haushalte quasi ihren gesamten Strombedarf fördern lassen – Einsparanreize durch den höheren Preis würden dadurch bei kleineren Haushalten komplett wegfallen, warnte bereits im Vorfeld WIFO-Chef Gabriel Felbermayr. Von ihm stammt die Grundidee für die Strompreisbremse. Dazu kommt, dass bereits einzelne Bundesländer – etwa Niederösterreich – Extraförderungen für den Strompreis angekündigt haben. In manchen Fällen könnte dadurch der gestiegene Strompreis zu 100 Prozent ersetzt werden.

Kritik und Lob vom Wirtschaftsforscher

Dass ein gewisses Stromgrundkontingent gefördert wird, bewertet WIFO-Chef Gabriel Felbermayer positiv. Er kritisiert aber die Treffsicherheit der Maßnahme.

Nun ist das Stromsparen kein Selbstzweck, viel eher wird es angesichts des Ukraine-Krieges, der Klimakrise und der im Winter verschärften Situation bei der Energieproduktion notwendig. Durch eine solche Überförderung dürfte das vielfach beschworene Stromsparen für viele Haushalte aber unattraktiv werden, kritisierten etwa Umweltorganisationen wie Global 2000 und Greenpeace, ebenso die Volkshilfe. Greenpeace forderte verpflichtende Maßnahmen zum Energiesparen, vor allem für die Industrie. Die Volkshilfe schlug sogar einen Aufschlag für Menschen mit hohem Stromverbrauch vor.

Auch Nebenwohnsitze begünstigt

Für weitere Kritik sorgte, dass sowohl Haupt- als auch Nebenwohnsitze gefördert werden. Das argumentierte die Regierung damit, dass das Modell einerseits möglichst unkompliziert sein soll, andererseits sonst viele Studierende und Pendler durch die Finger schauen würden. Das Einkommen spielt ebenfalls keine Rolle.

Besserverdienende und kleine Haushalte würden durch die Kombination dieser Faktoren überproportional begünstigt, so einige Kritikerinnen und Kritiker. Für Armutsbetroffene und -gefährdete habe man hingegen keine gute Lösung gefunden, so etwa die Caritas. Zwar sei die Koppelung an die GIS-Befreiung ein erster Schritt. Besser wäre es allerdings gewesen, nach Haushaltseinkommen zu staffeln, so Caritas-Präsident Michael Landau. Die Regierung habe es verabsäumt, dafür eine Datengrundlage zu schaffen – mehr dazu in religion.ORF.at.

Auch regional gibt es aufgrund unterschiedlicher Strompreise große Divergenzen: Wiener Haushalte profitieren davon je nach Vertrag mit bis zu 870 Euro pro Jahr – mehr dazu in wien.ORF.at. In Vorarlberg ist hingegen der Strompreis bis Ende März 2023 so niedrig vereinbart , dass die Bremse nicht greift – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Obergrenze: Preiserhöhung wird befürchtet

Kritisch beäugt wird auch die von der Regierung eingezogene Obergrenze von 40 Cent. Es wird befürchtet, dass diese Energieversorger zur Preiserhöhung anspornen könnte. Es gebe „keinen Grund“ für eine solche Obergrenze, sagte etwa WIFO-Ökonom Michael Böheim gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal und in der ZIB2. Viel eher lade sie Energieversorger geradezu dazu ein, die Strompreise entsprechend zu erhöhen.

WIFO-Ökonom zur Strompreisbremse

Ökonom Michael Böheim, vom WIFO, spricht zur Strompreisbremse, deren Konzept ursprünglich vom Wirtschaftsforschungsinstitut selbst entwickelt wurde.

Mit den 40 Cent würde ein „Gravitationspunkt“ geschaffen, dem sich auch Energieanbieter mit Niedrigtarifen langfristig annähern dürften. Das Prinzip sei dann: „Ja, es ist okay, wenn auch wir mehr verlangen, weil unsere Kunden spüren es eh nicht.“ Böheim erwartet sukzessive steigende Tarife: „Ich würde sogar von einem sogenannten Einladungskartell sprechen, weil es betriebswirtschaftlich natürlich rational ist, die Tarife an diesen Fixpunkt anzupassen.“

E-Control: „Spricht viel dagegen“

Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft in der E-Control, sieht das anders. „Theoretisch könnte das der Fall sein, aber es spricht doch viel dagegen“, so Mayer. Er verweist dabei auf Tirol und Vorarlberg, wo es in der Regel günstigere Tarife gebe. Allerdings sei hier der Verbrauch in den Haushalten tendenziell höher, weil die Menschen eher in Häusern und nicht in Wohnungen leben. Preiserhöhungen würden damit stärker durchschlagen, weil Haushalte für ihren Mehrverbrauch dann erst wieder den vollen Marktpreis bezahlen müssten.

Grafik zu Preisbeispielen zur Strompreisbremse
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Regierung

Aus dem Energieministerium hieß es laut Ö1, dass ein Monitoring vorgesehen sei. Dieses soll insbesondere auf Preisanpassungen der Lieferanten während der Geltungsdauer der Stromkostenbremse eingehen. Die Ergebnisse werden dem Nationalrat weitergeleitet und veröffentlicht. Wie die Stromversorger die Kosten beim Bund abrechnen, werde laut Ministerium noch erarbeitet. Es gebe jedenfalls keine gesetzliche Grundlage dafür, den Energieversorgern vorzuschreiben, wie oft sie ihre Tarife ändern, so das Ministerium.

Versorger fordern schnelle Sicherheit

Von den Energieversorgern werden die Pläne für die Strompreisbremse grundsätzlich begrüßt. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, sprach von einer guten Lösung, „die eine rasche und unbürokratische Unterstützung von Kundinnen und Kunden ermöglicht“. Der angepeilte Starttermin am 1. Dezember 2022 ist aus Sicht der E-Wirtschaft allerdings „ambitioniert“. Es brauche jetzt rasch die entsprechenden Gesetze. Nach dem Beschluss im Ministerrat soll das Instrument schnellstmöglich im Parlament, voraussichtlich im Oktober, beschlossen werden. Für den Beschluss reicht eine einfache Mehrheit.

ORF-Redakteure zu Strompreisbremse

Kristina Stiller aus der ORF-Wirtschafts- und Hans Bürger aus der -Innenpolitikredaktion analysieren die von der Regierung beschlossene Strompreisbremse.

Opposition: Zu spät, zu teuer, zu wenig

Weitgehend unzufrieden zeigte sich die Opposition. Hier war der Grundtenor: Zu spät, zu wenig, zu sehr mit der Gießkanne und zu kompliziert. Noch positiv zeigte sich die SPÖ: „Gut, dass was kommt, aber warum so spät?“, so Vizeklubchef Jörg Leichtfried schon am Vormittag in einer Pressekonferenz. Die SPÖ habe seit Monaten eine Strompreisbremse gefordert, jetzt sei es „natürlich viel zu spät“, zumal der Preisdeckel „wenn es gutgeht, ab Dezember oder ab Jänner“ wirken werde. In Summe tut die Regierung aus Leichtfrieds Sicht in der Energiekrise allgemein zu wenig zur Entlastung der Haushalte, der Unternehmen sowie der Energieversorger.

Gar nicht zufrieden war FPÖ-Chef Herbert Kickl: Die Strompreisbremse sei „nur eine halbherzige Symptombehandlung, kommt um ein Jahr zu spät, ist die wohl komplizierteste Lösung, die gefunden werden konnte und wird der Dramatik der Preisentwicklung nicht einmal ansatzweise gerecht“, kritisierte er. Er hält einerseits die Entkoppelung von Strom- und Gaspreis sowie ein Ende des Merit-Order-Prinzip für nötig – und forderte einmal mehr ein Ende der Russland-Sanktionen.

Ebenso vernichtend fiel das Urteil von NEOS aus: Das Modell sei „teuer, ungerecht und nicht treffsicher und es leistet leider null Beitrag zum Energiesparen und damit zur Versorgungssicherheit Österreichs“, meinte Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Einkommensstarke und kleine Haushalte würden bevorzugt: „Der Topmanager, der selten daheim ist, bekommt weit mehr als eine mittelständische Familie mit zwei, drei Kindern.“

Opposition kritisiert Strompreisbremse

Die Kritik der Opposition an der von der Regierung beschlossenen Strompreisbremse reicht von „halbherziger Symptombehandlung“ bis hin zu fehlenden Anreizen, Strom zu sparen. Auch Wirtschaftsforscher sehen den Beschluss als problematisch an.

Weitere Rufe nach Übergewinnsteuer

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl pochte auf eine Übergewinnsteuer. Die Strompreisbremse wäre „nur dann sozial gerecht, wenn die Gegenfinanzierung durch jene Energieunternehmen erfolgt, die derzeit aufgrund der hohen Energiepreise enorme Profite erzielen. Denn diese Übergewinne werden auf dem Rücken der Haushalte und Unternehmen finanziert, die derzeit astronomisch hohe Energiepreise zahlen müssen.“ Zudem verlangte Anderl, die Sonderunterstützung allen rund 780.000 Haushalten mit geringerem Einkommen zu geben und nicht nur die GIS-befreiten 300.000.

Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hält eine Abgabe auf die Übergewinne von Energiekonzernen für „überfällig“, wie er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz erklärte. Unzufrieden ist er auch mit der angekündigten Strompreisbremse, denn die Gewerkschaft habe einen Strompreisdeckel gefordert – und nur der helfe, wenn die Preise weiter anziehen. Außerdem fehle der Deckel für den Wärmebereich. Die Gewerkschaft werde daher, nicht zuletzt mit ihren bundesweiten Kundgebungen am Samstag, dem 17. September, den Druck auf die Regierung aufrechterhalten.

WKO begrüßt Strompreisbremse

Die Wirtschaftskammer begrüßte die Strompreisbremse für die Haushalte als weiteren Schritt, um Kaufkraft zu erhalten. Aber für die WKO-Spitze war der Ministerratsbeschluss zudem Anlass, auf entlastende Maßnahmen für die Betriebe zu drängen – auch beim EU-Gipfel am Freitag.