Das Bundeskanzleramt in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Kanzleramt vs. WKStA

Keine Einigung auf Datenauslieferung

In der ÖVP-Inseratenaffäre gibt es laut Medienberichten noch keine Einigung zwischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und Kanzleramt zur Herausgabe von Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Eine entsprechende – aber juristisch durchaus umstrittene – Sicherstellungsanordnung will das Kanzleramt nicht befolgen.

Der Hintergrund ist, dass die WKStA bei einigen als Beschuldigte geführten Ex-Mitarbeitern im Kanzleramt kaum Daten fand: Diese waren gelöscht worden, oder die Betroffenen hatten überhaupt neue Geräte bekommen. Ziel war es nun, wie der „Standard“ schreibt, „deren E-Mails quasi bei den nicht beschuldigten Sendern und Empfängern im Kollegenkreis“ zu entdecken.

Per Anordnung von Mitte August verlangte die WKStA die Auslieferung der Daten Dutzender Mitarbeiter des Kanzleramts, also E-Mails, Dokumente und Laufwerke aus der Zeit von Dezember 2017 bis Oktober 2021.

Bundeskanzleramt findet Anordnung zu vage

Bei einem Treffen am Mittwoch zwischen Vertretern des Kanzleramts, der WKStA und der Finanzprokuratur wurde keine Einigung erzielt. In einem Mediengespräch danach erläuterten Bernd Brünner, Generalsekretär im Kanzleramt, und Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, die Arbeitsrechtlerin Katharina Körber-Risak und der Strafrechtsexperte Alexander Tipold die Gründe: Die Anordnung sei, vereinfacht gesagt, zu wenig konkret.

Es sei unklar, was bei wem gefunden werden soll, und dem stünden die Privatsphäre und der Datenschutz der Betroffenen gegenüber. Man versuche aber eine Einigung auf einem anderen Weg, laut „Standard“ kann man sich im Kanzleramt rechtlich eine Vorgehensweise per Amtshilfe vorstellen.

Mit der Sicherstellung der Daten von möglichen Kommunikationspartnern hofft die WKStA, über Umwege „Informationen über die Auftragsvergaben und die Verwendung der Ergebnisse der Umfragen in der Öffentlichkeitsarbeit“ gewinnen zu können.

Peschorn: „Alle rechtlichen Interessen“ berücksichtigen

Peschorn hält diese Anordnung mangels ausreichender Determinierung, welche konkreten Daten sichergestellt werden sollen, für nicht vollziehbar. Der Anordnung sind weder Namen noch Kommunikationsbeziehungen zu entnehmen.

Sicherstellungsanordnungen – die die Grundlage für die Ausübung von behördlicher Zwangsgewalt sind – müssten vorgeben, was von wem genau sicherzustellen ist, zumal Betroffene, deren persönliche Rechte berührt sind, von der Sicherstellung ihrer Daten informiert werden müssten. Bei der Strafverfolgung sei auch weiterhin das Amtsgeheimnis zu wahren, das nur auf Grundlage einer gesetzlichen Anordnung durchbrochen werden könne.

Der richtige Weg wäre, ist der „Anwalt der Republik“ überzeugt, dass die Beweiserhebung so ausreichend konkretisiert wird, dass dieser auch mittels Amtshilfe rasch und vollständig vom Kanzleramt nachgekommen werden kann. Ihm gehe es keinesfalls darum, Ermittlungen zu behindern, „aber man muss darauf schauen, dass sie rechtsrichtig passieren“ – also eine Lösung herbeizuführen, die „allen rechtlichen Interessen Genüge tut“, sagte Peschorn.

Juristisch heikel

Die Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak hält die Vorgangsweise der WKStA für etwas „überschießend“, wie sie im Ö1-Mittagsjournal unter Hinweis auf die Möglichkeit der Amtshilfe sagte. Zudem werde in der Anordnung nicht kundgetan, von welchen Personen was sichergestellt werden sollte. Zumindest wer tatsächlich im betreffenden Zeitraum unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beschäftigt war, hätte die WKStA im Vorhinein mit einer Anfrage im Kanzleramt klären können, meinte die Juristin, deren Meinung das Kanzleramt ebenfalls eingeholt hatte.

Laut „Standard“ sorgte die Anordnung der WKStA „für eine gewisse Unruhe in ÖVP-nahen Kreisen“. Allerdings ist sie tatsächlich rechtlich umstritten: Michael Rohregger, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Wien, schrieb in einer Kolumne von „Sippenhaftung 2.0“: „Nicht bloß der Beschuldigte, sondern sein gesamtes Umfeld wird diesen Kollateralschäden eines Strafverfahrens ausgesetzt.“

WKStA prüft weitere Vorgangsweise

Die WKStA prüfe nun vorerst einmal, wie weiter vorgegangen wird, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der APA. Sicherstellungsanordnungen seien aber durchaus gängige Praxis auch in solchen Fällen. Zwar sei grundsätzlich, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme der WKStA, die Amtshilfe als Weg für die Erlangung von bei Behörden und öffentlichen Dienststellen befindlichen Daten eingerichtet.

Aber „unter Umständen“ sei auch dort eine Sicherstellung vorzunehmen – insbesondere dann, „wenn schlüssige Hinweise dafür vorliegen, dass die Erlangung der begehrten Beweismittel im Wege der Amtshilfe tatsächlich nicht möglich sein bzw. bereits durch Bekanntwerden des beabsichtigten Amtshilfeersuchens Ermittlungen gefährdet werden würden“.

Einwände gegen eine solche Anordnung sollten, betonte die WKStA, formal im Verfahren abgehandelt werden: Die StPO sehe ein Rechtsmittelverfahren vor, in dem die Betroffenen rechtliche Argumentationen und Erwägungen einer gerichtlichen Prüfung zuführen könnten.

Kritik von SPÖ und NEOS

Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ist die Weigerung des Kanzleramts „ein weiterer Beleg dafür, dass die ÖVP hochgradig nervös ist. Augenscheinlich ist die Justiz der ÖVP so dicht auf den Fersen, dass die türkise Truppe schon wieder mit allen Tricks tarnen und täuschen muss.“

Er forderte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf, die angeforderten Unterlagen weiterzugeben. Deutsch warf Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vor, die Ermittlungen zu blockieren, die Aufklärung zu verzögern und das Parlament und die Justiz zu verhöhnen.

Wenn es eine Anordnung der Staatsanwaltschaft gebe, müsse das Kanzleramt dieser nachkommen, betonte NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak am Rande einer Pressekonferenz. Dass das nicht passiert, „lässt zumindest vermuten, dass hier etwas zu verbergen ist“ – ein Vorgang, den man bei der ÖVP in den vergangenen Monaten ja schon oft erlebt habe. Warum die ÖVP nichts daraus lerne und nicht an der Aufklärung mitwirke, „ist für mich nicht nachvollziehbar“, meinte Scherak.