Europarat in Brüssel
ORF.at/Peter Prantner
Krisentreffen

EU-Energieminister unter Erfolgsdruck

Die drastisch steigenden Energiepreise, welche die Inflation insgesamt anheizen und auch die Wirtschaft alarmieren, stehen im Zentrum des Krisentreffens der EU-Energieministerinnen und -minister am Freitag. Die Kommission hat ein Maßnahmenpaket inklusive Gaspreisdeckel und Steuer auf Zufallsgewinne geschnürt. Der Rat steht unter großem Erfolgsdruck, doch im Vorfeld gab es auch Widerstände – unter anderem aus Österreich.

Zur Debatte stehen fünf Maßnahmen der EU-Kommission, aber auch die tschechische Ratspräsidentschaft hat Pläne. Viele Länder haben zudem wie Österreich bereits auf nationaler Ebene verschiedene Maßnahmen getroffen.

Die Brüsseler Behörde will zunächst beim Stromverbrauch ansetzen, der in Spitzenzeiten rationiert werden soll. „Wir werden ein verbindliches Ziel für die Verringerung des Stromverbrauchs zu Spitzenzeiten vorschlagen“, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zweitens soll eine Deckelung auf Gewinne von Stromunternehmen eingeführt werden, die günstig produzieren können – also im Wesentlichen alle, die Strom nicht aus Verbrennung von Kohle, Gas oder Öl erzeugen.

Steuer auf Zufallsgewinne

Ein Teil dieser Zufallsgewinne soll abgeschöpft und für die Entlastung von besonders betroffenen Haushalten und Firmen genutzt werden. Investitionen in erneuerbare Energien dürften aber auch nicht gebremst werden. Drittens sieht die EU-Kommission eine Solidaritätsabgabe von Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft vor. Damit sollen ebenfalls Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet werden.

Viertens soll es Liquiditätshilfen für Energieversorgungsunternehmen geben, die derzeit mit enormen Schwankungen der Märkte zu kämpfen haben. Die Wien Energie ist bei Weitem nicht das einzige europäische Energieunternehmen, dem – wegen der enormen Preisschwankungen und der nötigen hohen Geldmittel, die als Sicherheit hinterlegt werden müssen – der Ausschluss von der Energiebörse droht.

Preisdeckel für russisches Gas

Fünftens drängt die EU-Kommission auf einen Preisdeckel für Importe von russischem Gas. „Das Ziel ist hier ganz klar. Wir müssen Russlands Einnahmen verringern, die (Präsident Wladimir, Anm.) Putin zur Finanzierung seines grausamen Krieges gegen die Ukraine verwendet“, so von der Leyen. Dabei besteht allerdings nach Ansicht einiger EU-Staaten die Gefahr, dass Russland dann gar kein Gas mehr liefert. Damit droht jedenfalls Moskau, das beim Gasverkauf allerdings weitgehend auf Europa angewiesen ist.

Ähnliche Pläne wie die Kommission hatte zuvor bereits die tschechische Ratspräsidentschaft vorgelegt. Sie fordert in einem ihrer Diskussionspapiere unter anderem die Entkoppelung bzw. Begrenzung der Auswirkung des Gaspreises auf den Strompreis. So soll der Preis für Gas, das für die Stromerzeugung gebraucht wird, vorübergehend gedeckelt werden sowie der Preis für importiertes Gas aus bestimmten Ländern. Zudem schlägt Tschechien vor, das Emissionshandelssystem (ETS) als Instrument zur Bekämpfung der hohen Strompreise unter die Lupe zu nehmen.

Gewessler gegen Gaspreisdeckel

Widerstand gegen den Gaspreisdeckel kam unter anderem aus Österreich. Man könne dem Vorschlag der EU-Kommission zu einem möglichen Preisdeckel für Importe von russischem Gas „aus heutiger Sicht“ nicht zustimmen, teilte das Energieministerium am Donnerstag mit. Es sei vor allem eine sanktions- und keine energiepolitische Frage, hieß es. „So schmerzlich das ist: Wir sind weiterhin auf russische Gaslieferungen angewiesen.“

Gewessler will bei dem Treffen nach eigenem Bekunden bestimmte Themen einfordern: Erstens sollen die Preise durch „kluge Maßnahmen zur Reduktion der Stromnachfrage“ gesenkt werden. Das müsse „rasch umgesetzt werden und könne etwa über Auktionen passieren“, hieß es aus dem Ministerium. Dabei geht es vor allem darum, dass energieintensive Unternehmen zu Spitzenzeiten den Stromverbrauch reduzieren sollen.

Zweitens müsse die EU-Kommission „so bald wie möglich Anpassungen beim Preisbildungsmechanismus an der Strombörse vorschlagen, damit ein hoher Gaspreis nicht sofort den Strompreis treibt". Dabei fordert das Ministerium eine rasche EU-weite Umsetzbarkeit, keine Anreize zu zusätzlichem Gasverbrauch und klare Signale zum raschen Ausbau erneuerbarer Energien.

Ganz Europa leidet unter hohen Energiepreisen

In Europa steigen die Preise immer weiter, vor allem wegen der hohen Energiepreise kämpfen viele Unternehmerinnen und Unternehmer ums Überleben. Die EU hat Vorschläge ausgearbeitet, um den Stromverbrauch zu verringern, und will Gewinne von Energiefirmen abschöpfen.

Drittens brauche es eine „Diskussion ohne Scheuklappen“ über den EU-Kommissionsvorschlag nach einer Solidaritätsabgabe von „Energiekonzernen, die in Kriegszeiten Zufallsgewinne einfahren“. Es werden „Mittel zur Unterstützung der Menschen und der Unternehmen in Europa“ nötig sein.

Es soll rasch gehen

Geht es nach der Ratspräsidentschaft und der Kommission, soll alles ganz rasch gehen. Nach den Beratungen am Freitag will die Kommission die Rechtstexte am Dienstag vorstellen. Danach müssen die EU-Staaten noch einmal zustimmen. Wegen der Dringlichkeit beruft sich die Kommission auf einen Artikel des EU-Vertrags (Art. 122 AEUV), der einen vergleichsweise raschen Beschluss ohne Befassung des EU-Parlaments erlaubt.

Erdgas unter 200 Euro

Der Preis für europäisches Erdgas fiel vor dem Treffen auf den tiefsten Stand seit etwa einem Monat. Zu Wochenbeginn war der Gaspreis wegen des vorläufigen Lieferstopps via „Nord Stream 1“ in Richtung 300 Euro geschnellt.

Allerdings ist noch offen, ob es am Freitag zu einer Einigung kommt. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sprach sich gegen die Zufallsgewinnsteuer aus. Viel wichtiger sei es, den CO2-Handel temporär auszusetzen, um die Preise zu drücken. Generell solle der Klimaschutz vorerst auf Eis gelegt werden, um die Energiekrise zu meistern. Das dürfte freilich nicht zuletzt auf den Widerstand von Energieministerin Leonore Gewessler und ihrem deutschen Amtskollegen Robert Habeck (beide Grüne) stoßen.

Morawiecki schließt zwar eine Zufallsgewinnsteuer laut „Financial Times“ nicht völlig aus, hält aber andere Maßnahmen für dringlicher. Zudem befürchtet er, dass damit zusätzliche Steuerkompetenzen von den Nationalstaaten zur Kommission wandern könnten.

WIFO gegen Zufallsgewinnsteuer

Am Donnerstag publizierte das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) eine Kurzstudie, in der eine Zufallsgewinnsteuer gerade für Österreich als nicht sinnvoll bezeichnet wird. Begründet wurde das unter anderem damit, dass der überwiegende Teil der Zufallsgewinne ohnehin der öffentlichen Hand zufalle.

Das WIFO warnte darin auch vor drohenden negativen Folgen für den heimischen Standort und davor, dass Energieunternehmen die Steuer auf ihre Kundinnen und Kunden überwälzen könnten.