Gebäude der EZB in Frankfurt
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Rekordinflation

EZB hebt Leitzins auf 1,25 Prozent

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zur Bekämpfung der Rekordinflation die größte Zinserhöhung ihrer Geschichte beschlossen. Der Leitzins im Euro-Raum steigt um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent, teilte die EZB am Donnerstag in Frankfurt mit.

Die EZB-Führung beschloss ihrer Präsidentin Christine Lagarde zufolge die Zinserhöhung mit großer Einigkeit. „Der EZB-Rat hat einstimmig entschieden, die drei Leitzinsen der EZB um 75 Basispunkte anzuheben“, sagte Lagarde am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. „Wir hatten unterschiedliche Ansichten auf dem Tisch, eine gründliche Diskussion, aber das Ergebnis unserer Diskussionen war eine einstimmige Entscheidung.“

Die EZB hatte im Juli – für einige Beobachter und Beobachterinnen viel zu spät – im Kampf gegen die Inflation die Zinswende eingeleitet. Sie hob dabei die Schlüsselsätze – anders als vorher in Aussicht gestellt – um kräftige 0,50 Prozentpunkte an. Der Leitzins lag damit bei 0,50 Prozent. Es war die erste Zinsanhebung seit über elf Jahren.

Seitdem haben sich die Inflationsaussichten weiter verschlechtert. Nach Einschätzung vieler Volkswirte könnte die Inflation im Euro-Raum in den kommenden Monaten mit den unvermindert steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreisen sogar auf über zehn Prozent steigen.

Warnungen vor längerer hoher Inflation

Aus dem EZB-Direktorium forderte unlängst Isabel Schnabel ihre Notenbankkollegen auf, die Inflation entschlossen und rasch wieder auf den Zielwert von zwei Prozent zu bringen. Im August war die Jahresinflationsrate in der Euro-Zone auf 9,1 Prozent geklettert und damit so hoch wie noch nie seit Einführung des Euro. Daher bleibe der Notenbank im Grunde nicht viel anderes übrig, als die Geldpolitik weiter zu normalisieren, sagte Schnabel.

„Es besteht das Risiko, dass die Phase hoher Inflation noch länger anhält und die aktuelle Teuerungswelle nur langsam abebbt“, warnte zuletzt der deutsche Bundesbank-Präsident Joachim Nagel. Er forderte daher eine „kräftige“ Zinsanhebung.

Vorbild USA und Kanada

Die EZB folgte daher am Donnerstag dem Vorbild der US-Notenbank Fed, die den Leitzins zuletzt erneut um 0,75 Punkte angehoben hatte. Insgesamt hat die Fed ihre Leitzinsen heuer schon um insgesamt 2,25 Punkte angehoben, davon zweimal um je 0,75 Punkte. Für die nächste Sitzung im September wird ein weiterer deutlicher Schritt erwartet. Fed-Chef Jerome Powell hatte zuletzt klargestellt, dass die Inflationsbekämpfung für die US-Notenbank höchste Priorität habe. Selbst wirtschaftlichen Schaden infolge des steigenden Zinsniveaus ist die Zentralbank offenbar gewillt, in Kauf zu nehmen.

Auch die kanadische Notenbank geht weiter entschlossen gegen die Inflation vor. Der Leitzins werde um 0,75 Punkte auf 3,25 Prozent angehoben, teilte die Bank of Canada am Mittwoch mit. Im Juli hatte die Zentralbank den Leitzins um einen Prozentpunkt angehoben. Das war die deutlichste Erhöhung seit 1998.

EZB: Kein konkreter Euro-Kurs im Visier

In Europa erschwert der schwache Euro die Inflationsbekämpfung. So fiel der Euro zuletzt unter die Parität zum US-Dollar und wurde zum niedrigsten Kurs seit knapp 20 Jahren gehandelt. Rohöl und viele Rohstoffe müssen in Dollar bezahlt werden. Ein stärkerer Dollar macht die Importe teurer und treibt die Inflation im Euro-Raum an. Steigende EZB-Leitzinsen könnten den Euro-Kurs jedoch stützen.

Die EZB hat nach Worten von Lagarde keinen konkreten Wechselkurs des Euro im Visier. Sie nehme die Kursschwäche und Abwertung der Gemeinschaftswährung vor allem zum Dollar zur Kenntnis, sagte Lagarde am Donnerstag. Die Währungshüterinnen und -hüter verfolgten die Entwicklungen auf dem Devisenmarkt sehr aufmerksam, zudem habe der Euro-Kurs einen Einfluss auf die hohe Inflation. „Aber wir zielen nicht auf einen Wechselkurs ab.“ Das habe die EZB nicht getan und werde es auch künftig nicht tun, so Lagarde.

Schwächelnde Wirtschaft als Problem

Erschwert wird die Geldpolitik aber durch die schwächelnde Wirtschaft. Insbesondere die stark gestiegenen Erdgaspreise, aber auch weiterhin bestehende Störungen der Lieferketten belasten die wirtschaftliche Entwicklung.

Steigende Leitzinsen kühlen nicht nur über teurere Kredite die Nachfrage ab und dämpfen damit den Preisauftrieb, sie könnten auch die Konjunkturentwicklung weiter bremsen. Die EZB könnte wie die Fed dieses Risiko zunächst in Kauf nehmen. Sollte Europa aber tatsächlich in eine Rezession rutschen, könnten die Gegner von Zinserhöhungen wieder Aufwind erhalten.

Härtere Zeiten für Kreditnehmer

Für Kreditnehmer mit variablen Krediten dürften mit der EZB-Entscheidung die Zeiten härter werden. Anzunehmen sei, „dass jene, die variable Kredite haben und auch nicht ein entsprechendes Einkommen haben, jetzt belastet werden“, so FMA-Vorstand Helmut Ettl. „Es wird für einige schwerer werden.“

„Vor dem haben wir seit Jahren gewarnt“, ergänzte FMA-Vorstand Eduard Müller. Genau deswegen seien auch die strengeren Regeln für die Vergabe von Wohnkrediten eingeführt worden, betonten Ettl und Müller. Ob es infolge einer höheren Belastung auch zu mehr Konkursen bei Privaten kommen werde, dazu wollten die Vorstände keine Prognose abgeben. Dass höhere Zinsen den Banken im Hinblick auf die langfristige Kreditvergabe zum Verhängnis werden, fürchten die Vorstände der heimischen Finanzmarktaufsicht aber nicht.