Georgia Meloni, Kandidatin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia
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Wahl in Italien

Letzte Umfragen sehen Postfaschisten voran

In Italien sind am Freitag letzte Umfragen vor der Parlamentswahl in zwei Wochen veröffentlicht worden. Sie deuten auf einen Sieg der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI) von Giorgia Meloni hin. Doch zum Regieren würde Meloni noch andere Parteien brauchen.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demos, die von der Tageszeitung „La Repubblica“ veröffentlicht wurde, liegen die Fratelli d’Italia mit 24,6 Prozent der Stimmen voran. Die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) könnte es laut Umfrage auf 22,4 Prozent der Stimmen schaffen.

Die rechtspopulistische Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini käme auf zwölf Prozent, während die rechtskonservative Forza Italia des langjährigen Premierministers Silvio Berlusconi 7,7 Prozent erreichen würde. Damit könnte die Mitte-rechts-Allianz aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia die relative Mehrheit im neu gewählten Parlament erobern.

Der italienische Präsident Mario Draghi
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Der ehemalige EZB-Chef und scheidende italienische Premierminister Mario Draghi

Draghi populärste Persönlichkeit

Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) unter der Führung von Ex-Premier Giuseppe Conte, die als stärkste Einzelpartei aus der Parlamentswahl 2018 hervorgegangen war und sich im Juni von Außenminister Luigi Di Maio getrennt hatte, liegt bei 13,8 Prozent. Die Regierungskoalition von Mario Draghi war im Juli in die Brüche gegangen. Die vorgezogene Parlamentswahl ist am 25. September angesetzt. Bisher hat Italien noch nie sein Parlament im Herbst gewählt.

Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) und scheidende Ministerpräsident Draghi ist mit 67 Prozent Zustimmung die populärste Persönlichkeit Italiens, wie die Umfrage ergab. Auf Platz zwei landete der Ex-Premier und Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte mit 43 Prozent. Meloni erreichte mit 41 Prozent den dritten Platz.

Die italienische Onlinezeitung Il Post sammelte einige der letzten Umfragen, sie zeigen ein ähnliches Bild: Zuwächse der Fratelli d’Italia gegenüber der PD. Bis Anfang August waren die beiden Parteien praktisch gleichauf bei etwa 22, 23 Prozent. Einigen Umfragen zufolge konnte Fratelli d’Italia den Vorsprung um durchschnittlich vier Prozent ausbauen.

Wie die Wähler zur Urne bringen?

Als entscheidend gilt bei diesem Urnengang in Zeiten des Politverdrusses die Mobilisierung der Wähler und Wählerinnen. Die Stimmenenthaltung ist daher das große Schreckgespenst dieser Wahlen. Laut Umfragen könnte sie bei 35 Prozent liegen, was rund 16 Millionen Wählern und Wählerinnen entspricht. Die Wahlbeteiligung würde in diesem Fall bei 65 Prozent liegen.

Das wäre die niedrigste Wahlbeteiligung bei Parlamentswahlen in der republikanischen Geschichte Italiens und kein gutes Omen für das neu gewählt Parlament. Bei der vergangenen Parlamentswahl im Jahr 2018 war bereits die höchste Stimmenthaltung seit 1948 gemeldet worden. 27 Prozent der Wahlberechtigten hatten ihre Stimme nicht abgegeben.

Lega-Chef Matteo Salvini
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Der ehemalige Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini

Wahlversprechen überschlagen sich

Wirtschaftsthemen beherrschen den Wahlkampf. So wird heftig über Steuern, Beschäftigung, Energiepreise und Inflation diskutiert. Die Parteien machen großzügige Wahlversprechen, die sich nur über ein höheres Staatsdefizit finanzieren lassen. So forderte beispielsweise Lega-Chef Salvini eine volle Pension nach 41 Beitragsjahren, ein großes Konjunkturprogramm und Steuersenkungen.

Die Mitte-rechts-Parteien hoffen bei der Wählerschaft mit dem Versprechen einer Flat Tax, einer Einheitssteuer für Arbeitnehmer und Selbstständige, zu punkten. Der Steuersatz solle laut Lega bei 15 Prozent liegen, nach Meinung der verbündeten Forza Italia von Silvio Berlusconi bei 23 Prozent. Davon sollen Italiener mit einem Jahreseinkommen von bis zu 70.000 Euro profitieren.

Berlusconi setzt auf Senioren

Die Flat Tax ist laut Salvini das Mittel, mit dem Italiens Wirtschaft nach zwei Jahren Pandemie und der Energiekrise wieder in Schwung kommen könnte. Wie diese Maßnahmen konkret finanzierbar wären, bleibt unklar. Nach Ansicht der Mitte-links-Parteien würde die Flat Tax Italiens Verschuldung nur noch erhöhen. Eine Steueramnestie ist ein weiterer Wahlvorschlag Salvinis.

Auch der viermalige Premier und Chef der rechtskonservativen Forza Italia, Berlusconi, sparte in diesem Wahlkampf erneut nicht mit großen Versprechungen. So kündigte er eine Verdoppelung der Mindestpensionen auf 1.000 Euro monatlich an, falls seine Mitte-rechts-Allianz die Wahl gewinnen sollte. Außerdem sollten Senioren und Seniorinnen mit Mindestpensionen kostenlose Zahnarztbehandlungen erhalten. In den italienischen Städten will Berlusconi außerdem eine Million Bäume pflanzen lassen.

Der ehemalige italienische Premier Silvio Berlusconi
AP/LaPresse/LaPresse
Der ehemalige Mehrfachpremier und Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi

Sozialdemokraten: 10.000 Euro zum 18. Geburtstag

Die Sozialdemokraten von der PD warnen vor der Einführung einer Flat Tax und fordern stattdessen eine kräftige Senkung der Lohnnebenkosten zur Entlastung von Unternehmen und Arbeitnehmern. Die PD versprach zudem die Verabschiedung einer Arbeitsmarktreform nach spanischem Vorbild, die den Spielraum für Zeitverträge einschränken soll. Die Sozialdemokraten fordern zudem eine „Mitgift“ von bis zu 10.000 Euro für Jugendliche, sobald sie 18 Jahre alt werden, wie aus dem 37-seitigen Programm der Partei hervorgeht.

„Junge Menschen sind der Motor der Zukunft Italiens“, so der Parteivorsitzende Enrico Letta. Die „Mitgift“ solle jungen Menschen dabei helfen, eine weitere Ausbildung zu finanzieren, eine Wohnung zu bezahlen oder eine freiberufliche Karriere zu beginnen. Die Partei schlägt außerdem eine staatliche Garantie für Hypotheken zum Erwerb einer Eigentumswohnung, einen Beitrag von 2.000 Euro für Studenten zur Zahlung ihrer Miete und eine Senkung des Wahlalters von derzeit 18 auf 16 Jahre vor.

Hartes Durchgreifen bei Steuerhinterziehung gefordert

Während sich die Rechten den Schwerpunkt ihrer Wahlprogramme auf Steuersenkungen und die Begrenzung der Einwanderung legen, setzt der PD auf eine Erhöhung der Sozialleistungen und Löhne. „Wir wollen die Nettolöhne um den Gegenwert von einem zusätzlichen Monatsgehalt pro Jahr erhöhen“, heißt es in dem Programm. Das soll dadurch erreicht werden, dass der Staat die derzeit von den Arbeitnehmern zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge übernimmt, wobei das System durch ein hartes Durchgreifen bei der Steuerhinterziehung finanziert werden soll.

Sowohl die Rechtsparteien als auch die PD sind für die Abschaffung des 2019 eingeführten „Reddito di cittadinanza“, eine Art Grundeinkommen für einkommensschwache Familien. In der jetzigen Form sei die Mindestsicherung für die Staatskassen zu kostspielig. Es schaffe außerdem zu wenige Anreize für die Jobsuche und sei ein Grund für Personalmängel in einigen Wirtschaftsbranchen wie Tourismus und Gastronomie, lautet die Kritik der Rechtsparteien.

Gender und Migration als Dauerthemen

Melonis Fratelli d’Italia setzen im Wahlkampf auf altbekannte Themen. Zuletzt sorgten sie sich um Italiens Kinder, die „inakzeptabler Gender-Indoktrination“ ausgesetzt seien. Anlass war der Plan der öffentlich-rechtlichen RAI, eine neue Folge der „Peppa Wutz“-Trickfilmreihe zu senden, in der ein Protagonist, Penny Eisbär, mit zwei Müttern lebt.

Aber auch das Dauerthema Migration sorgt für politischen Zündstoff im Wahlkampf. Angesichts steigender Asylzahlen warnen Rechtsparteien, dass bis Jahresende mehr als 100.000 Migranten über das Mittelmeer Italien erreichen könnten. Für Empörung bei Linksparteien und Menschenrechtsaktivisten sorgte die Forderung von Meloni, eine Seeblockade vor den Küsten Nordafrikas zu errichten. Meloni fordert außerdem die Einrichtung von Camps für Geflüchteten in Afrika und ein frühzeitiges „Aussortieren“ der Nichtasylberechtigten.

Auch Ex-Innenminister und Lega-Chef Salvini hofft mit einer Rechtsregierung auf eine Rückkehr seiner Politik der „geschlossenen Häfen“. Während seiner Amtszeit als Innenminister zwischen Juni 2018 und August 2019 hatte Salvini immer wieder Rettungsschiffen der Hilfsorganisationen die Landung in italienischen Häfen verweigert und Hunderte Migranten tagelang auf See ausharren lassen, bis andere EU-Länder die Aufnahme zusagten.

Im Gegensatz zur ausländerfeindlichen Migrationspolitik der Rechtsparteien fordern die Linksparteien stärkere Bemühungen für die Integration der in Italien lebenden Migranten. So wollen die Sozialdemokraten neue Einbürgerungsregeln, dank denen Migrantenkinder, die die Schule in Italien besuchen, vor dem 18. Lebensjahr die italienische Staatsbürgerschaft erlangen können.