„Es wurde entschieden, den Reaktorblock Nummer sechs in den sichersten Zustand – den Kaltzustand – zu versetzen“, teilte die Atombehörde Enerhoatom am Samstag auf ihrem Telegram-Kanal mit. Das AKW habe in den letzten drei Tagen bereits im „Inselbetrieb“ gearbeitet, das heißt, es produzierte nur noch Strom zur Eigenversorgung, weil alle Verbindungslinien zum ukrainischen Stromnetz durch den Beschuss unterbrochen worden waren.
Nachdem am Samstagabend wieder eine Leitung zum Stromnetz habe hergestellt werden können, sei der Reaktor sechs gegen 3.40 Uhr Ortszeit (2.40 Uhr MESZ) „vom Stromnetz getrennt“ worden und produziere keinen Strom mehr. Nun laufe die „Vorbereitung zur Abkühlung“, wie Enerhoatom weiter mitteilte. Das Risiko weiterer Schäden an der Leitung bleibe dem ukrainischen AKW-Betreiber zufolge sehr hoch. Notfalls müsse die Kühlung mit Dieselgeneratoren betrieben werden. Das sei wegen der technologischen Ressourcen und der Menge des verfügbaren Treibstoffs allerdings nur zeitlich begrenzt möglich.
AKW Saporischschja komplett gestoppt
Der Betrieb des ukrainische Atomkraftwerks Saporischschja ist komplett eingestellt worden, der letzte Reaktor wurde am Sonntag abgeschaltet.
Am Mittwoch hatte die ukrainische Regierung die Bewohnerinnen und Bewohner rings um das Atomkraftwerk aufgerufen, die Gegend zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.
Nicht erste Notabschaltung
Bereits im August gab es eine Notabschaltung des Kraftwerks. Vorausgegangen war ein Beschuss der Anlage, für die sich beide Kriegsparteien gegenseitig verantwortlich machen. Unabhängig können die Angaben nicht überprüft werden.
Das AKW Saporischschja im Süden der Ukraine ist seit März von russischen Truppen besetzt. Das Gelände des in der Stadt Enerhodar gelegenen Kraftwerks wurde seitdem immer wieder getroffen. Enerhodar liegt in der Region Saporischschja, nahe der Grenze zur Region Cherson im Süden der Ukraine. Dort kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen ukrainischen und russischen Truppen.
Macron fordert Abzug von russischen Truppen
In der vergangenen Woche war ein Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unter Leitung ihres Chefs Rafael Grossi zu dem AKW gereist und hatte dort Untersuchungen vorgenommen. Zwei IAEA-Fachleute sollen dauerhaft auf dem Kraftwerksgelände bleiben. Grossi bezeichnete die Lage zuletzt als „untragbar“.
Auch diplomatische Appelle bleiben aufrecht: Laut einem Resolutionsentwurf für die Sitzung des IAEA-Gouverneursrates soll Russland dazu aufgefordert werden, alle Aktionen in den Atomanlagen in der Ukraine einzustellen. Dem Papier zufolge bedauert der Gouverneursrat „die anhaltenden gewaltsamen Aktionen der Russischen Föderation gegen Atomanlagen in der Ukraine“. Das schließe die anhaltende Präsenz russischer Streitkräfte und des Personals der russischen Atomaufsicht Rosatom im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja ein. Russland sei aufgefordert, das unverzüglich zu beenden, wurde betont.
Das AKW war am Samstagabend auch Thema eines Telefongesprächs des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj. Macron sprach sich laut Angaben des Elysee-Palasts ebenfalls und erneut für einen Abzug der russischen Truppen aus dem AKW aus.