Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Roland Schlager
Stromsparkampagne

Regierung setzt auf „Mission 11“

„Heute starten wir die Mission 11 und wir hoffen, dass so viele wie möglich dabei sind“: Mit diese Worten hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montagvormittag den Startschuss für eine großangelegte Stromsparkampagne gegeben. Der Name „Mission 11“ ist Programm: Erklärtes Ziel der auf „kleine Änderungen unseres Verhaltens“ zielenden Energiespartipps ist ein um elf Prozent reduzierter Verbrauch.

Zwar gebe es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie und einer „Transformation der Industrie“ Wege und Mittel, die Abhängigkeit von Gas weiter zu reduzieren. Außer Frage stellte Gewessler aber, dass man in Zukunft sorgsamer mit Energie umgehen müsse. Die nun lancierte Kampagne richtet sich an die rund vier Millionen heimischen Haushalte – konkret „an alle Menschen in Österreich, die die Möglichkeit haben, Energie zu sparen“.

Das gehe „ab sofort, mit ein paar einfachen Handgriffen“, so Gewessler bezüglich der gemeinsam mit ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher, Oesterreichs-Energie-Generalsekrärin Barbara Schmidt und Franz Angerer von der Österreichischen Energieagentur vorgestellten Kampagne. Sei es, indem man die Heizung um zwei Grad runterdrehe, sei es, indem man dusche, statt zu baden, Geräte komplett ausschalte, statt sie im Standby-Modus zu belassen, sei es mit dem laut Gewessler „allzeit beliebten Deckel am Topf“: Die Energiespartipps funktionierten ohne Vorlaufzeit, und „ohne dass man Tausende Euro in die Hand nehmen muss“.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Roland Schlager
Kocher und Gewessler bei der Vorstellung der neuen Energiesparkampagne

„Unkonventionell, bunt, laut“

Wie Gewessler verwies auch Kocher auf die gegen die Teuerung bereits in die Wege geleiteten Maßnahmen wie den zuletzt beschlossenen Strompreisdeckel und die auf EU-Ebene angepeilte Entkoppelung von Strom und Gas. Um gut über den Winter zu kommen, werden zudem die Gasspeicher gefüllt, und „im Idealfall“ werde der anstehende Winter „nicht viel anders sein als andere Winter“.

Die Situation sei dennoch ernst und die Kampagne nun ein Beispiel, wie viele einen wichtigen Beitrag zur Entspannung beitragen könnten. Es gehe darum, das Bewusstsein zu stärken, so Kocher, der die Kampagne bei der Pressekonferenz als unkonventionell, bunt und laut bezeichnete. „Für das Mediabudget sind ca. 3,6 Mio Euro vorgesehen“, schrieb Gewesslers stellvertretende Kabinettschefin auf Twitter.

Start der „Mission 11“

„Mission 11“ ist der Name der Energiesparkampagne, die nun gestartet ist. Die Energieagentur hat berechnet, dass jede und jeder mit mehr oder weniger kleinen Maßnahmen bis zu elf Prozent des derzeitigen Verbrauchs einsparen kann.

„Stromsparen ist auch Gassparen“

Vieles in der Kampagne klinge vielleicht etwas banal und bekannt, so Energiewirtschaft-Generalsekretärin Schmidt. Sie sei etwa „in den 70er Jahren aufgewachsen. Da war es ganz klar, dass man das Licht ausschaltet, wenn man aus dem Zimmer geht.“ Nun gelte es aber, „diese einfachen Tipps auch immer wieder vor Augen zu führen“.

Angesichts niedriger Preise und weil es vermeintlich genug Energie gegeben habe, sei der effiziente Einsatz von Energie in den vergangenen Jahrzehnten eher in den Hintergrund gerückt, wie Schmidt hier anmerkte. Stromsparen sei jedenfalls auch Gassparen, und hier zählt laut Schmidt nun jede Kilowattstunde.

Ein großer Teil des österreichischen Stroms komme zwar aus erneuerbaren Quellen, vor allem im Winter werde aber auch ein Teil des Verbrauchs durch Gaskraftwerke gedeckt. Deshalb sei es notwendig, die Nachfrage nach Energie, besonders nach Strom, zu senken. Die heimische Energiewirtschaft werde sich umfangreich an der neuen Kampagne beteiligen und diese „auf allen ihren Kanälen ausrollen“.

„Energiesparen hat mit Solidarität zu tun“

So banal die vorgeschlagenen Maßnahmen auch seien, „ich glaube, dass man mit ganz einfachen Maßnahmen sehr, sehr viel erreichen kann“, sagte Angerer. Die Energieagentur schätzte Angerers Angaben zufolge im Auftrag der Regierung, wie viel Energie im Privatbereich kurzfristig eingespart werden kann. Dazu habe man sich verschiedene Musterhaushalte angeschaut und unterschiedliche Einsparmöglichkeiten bewertet. Demnach könnten mit den empfohlenen Maßnahmen in den Bereichen Strom, Wärme, Mobilität und Warmwasser insgesamt elf Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs eingespart werden.

Energiesparen habe aber auch „mit Solidarität zu tun“, so Angerer, der wie Gewessler, Kocher und Schmidt die Hoffnung äußerte, dass sich so viele wie möglich beteiligen. Angerer verwies darauf, dass sich die Situation im letzten halben Jahr stark verändert habe. Die Energiebehörde beschäftige sich „seit 40 Jahren mit Energiesparen, nur hat es die letzten 39,5 Jahre niemanden interessiert“.

19-Grad-Limit in öffentlichen Gebäuden

Neben der Energiesparkampagne arbeite die Regierung auch an mittel- und längerfristigen Maßnahmen zum Energiesparen, darunter etwa das Energieeffizienzgesetz. Auch ein Paket von verbindlichen Maßnahmen werde aktuell im Klimaministerium ausgearbeitet, dieses müsse dann aber noch in der Koalition diskutiert werden. Konkrete Angaben machten Gewessler und Kocher dazu nicht.

Wie sie bereits am Wochenende gegenüber der „Kleinen Zeitung“ angedeutet hatte, seien etwa verbindliche Regeln angedacht, mit denen die Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden mit 19 Grad Celsius limitiert wird. Das solle nicht in Schulen und Krankenhäusern, aber in Gemeindeämtern und Ministerien gelten. Auch ein Verbot von Werbebeleuchtung nach 22.00 Uhr steht im Raum. Geprüft wird offenbar auch ein Aus für Heizschwammerln in der Gastronomie.

Kritik der Opposition

Das kolportierte Heizschwammerlverbot sorgte am Wochenende bereits für Kritik aus der Gastronomie – und ließ auch bei FPÖ-Chef Herbert Kickl die Wogen hochgehen. Gewessler wolle „den Menschen allen Ernstes vorschreiben, wie hoch sie die Heizung aufdrehen dürfen, und Gastronomen verbieten, ihre Gäste vor dem Lokal mit ,Heizschwammerl´ vor der Kälte zu schützen“, kritisierte Kickl per Aussendung die aus seiner Sicht „absurden Energiespartipps“.

"Gut, dass es jetzt endlich eine Energiesparkampagne gibt, leider kommt sie um Monate zu spät“, teilte indes NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer per Aussendung mit. Zudem arbeite die ÖVP-Grünen-Regierung „mit ihrer falsch konstruierten Strompreisbremse gegen die Kampagne, weil sie die Mehrheit der Haushalte eben nicht zum Energiesparen anregt“.

Für die SPÖ hätte ein solches Gesetz bereits vorliegen müssen, bevor die Bevölkerung zum Sparen aufgerufen wird. „Es ist nicht einsehbar, dass die Ministerin selber wichtige Gesetze zur Senkung des Energieverbrauchs liegen lässt und stattdessen jeden einzelnen Österreicher zum Energiesparen aufruft“, schrieben die Sozialdemokraten in einer Aussendung.

NGOs: „Erster richtiger Schritt“

Für die Umweltorganisationen Greenpeace und WWF ist die Energiesparkampagne ein erster richtiger Schritt. Darüber hinaus seien aber weitere Maßnahmen notwendig, um den Energieverbrauch langfristig zu senken, etwa ein Energieeffizienzgesetz, der Ausstieg aus Erdgas beim Heizen und umfassende Gebäudesanierungen.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht weiteres Sparpotenzial im Bereich der Mobilität und forderte etwa niedrigere Tempolimits und die Abschaffung von Steuerbegünstigungen für Firmenwagen mit Verbrennungsmotoren. Auch der ÖAMTC ortete Möglichkeiten, im Verkehr Energie zu sparen, allerdings nicht mit Tempolimits, sondern mit einer Umstellung der Ampelschaltung auf eine „grüne Welle“, mehr Homeoffice und der Förderung von Fahrgemeinschaften.