Wald
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EU-Parlament stimmt ab

Europas Wälderschutz vor Wendepunkt

Am Dienstag stimmt das EU-Parlament über die Zukunft der europäischen Wälder und damit auch über die Zukunft des europäischen Klimaschutzes ab. Denn neben einer neuen Verordnung über entwaldungsfreie Produkte soll das Parlament auch darüber entscheiden, ob es die Verbrennung von Holz künftig nicht mehr als nachhaltig erachtet – was Vertreter der Forstwirtschaft im Vorfeld scharf kritisieren.

Da die Erhaltung der Wälder als CO2-Speicher eine zentrale Rolle zur Erreichung der Klimaziele spiele, wolle man sich nun im Rahmen des „Green New Deal“ verstärkt dafür einsetzen, sie zu konservieren und wiederherzustellen, so die Ankündigung der EU-Kommission.

Konkret geht es um drei wald- und klimapolitische Themen, die im EU-Parlament zur Abstimmung kommen: die EU-Waldstrategie, die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte und die Richtlinie für erneuerbare Energien. Sollten die Maßnahmen zum Schutz der Wälder verabschiedet werden, bilden sie den Standpunkt des Europäischen Parlaments für weitere Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten und der Kommission.

Das neue Gesetz über entwaldungsfreie Produkte würde Unternehmen dazu verpflichten zu überprüfen, dass die in der EU verkauften Waren nicht auf zuvor abgeholzten bzw. geschädigten Flächen hergestellt wurden. Marktteilnehmer, die Produkte aus Holz, Rindern, Kakao, Kaffee, Soja und Palmöl erstmals auf den EU-Markt bringen bzw. ausführen, müssen laut der geplanten Verordnung zudem nachweisen, dass die Produktion nicht zu Entwaldung geführt hat.

Quantität und Qualität der Wälder fördern

Die EU-Waldstrategie 2030 umfasst eine Reihe von rechtlichen, finanziellen und freiwilligen Maßnahmen und zielt darauf ab, die „Quantität und Qualität der Wälder in der EU zu verbessern, negative Trends umzukehren und die Wälder in der EU an Wetterextreme und Unsicherheiten, die der Klimawandel mit sich bringe, anzupassen“, heißt es in dem Entwurf. Es handle sich dabei um eine wesentliche „strategische Komponente“ zur Erreichung der Biodiversitäts- und Klimaziele, sagte die Kommission.

In den kommenden Jahren sollen etwa drei Milliarden neue Bäume in der EU gepflanzt und artenreiche Wälder gefördert werden. Auch eine gemeinsame Definition von Urwäldern wird gefordert, da diese eine Schlüsselrolle für den Schutz der biologischen Vielfalt, die Kohlenstoffbindung und die Bereitstellung von Süßwasser spielen, so der Bericht. Alternative Forstindustrien wie Ökotourismus sollen gefördert und Waldbesitzer, die ihre Flächen im Sinne eines intakten Ökosystems erhalten, finanziell unterstützt werden.

Ein Forstarbeiter fällt in einem Wald mit einer Motorsäge einen Baum
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Holz soll einerseits als nachhaltiges Produkt gefördert und andererseits in die Kreislaufwirtschaft gebracht werden

„Nachhaltige“ Verbrennung von Holz als Kernfrage

Die US-amerikanische Tageszeitung „Politico“ sieht vor allem den Entwurf zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III), der vorsieht, dass die Verbrennung von Bäumen und anderem Waldholz in der EU nicht mehr als erneuerbare Energie gelten soll, als entscheidende Frage der Abstimmung – denn dadurch würde Energieerzeugung aus Holz nicht mehr gefördert werden, was weitreichende Auswirkungen hätte.

Damit reagiert die Kommission etwa auf Bedenken des Weltklimarats, laut dem holzartige Biomasse nicht als CO2-neutral angesehen werden dürfe, da bei der Verbrennung Emissionen schneller freigesetzt werden, als die Bäume nachwachsen. Das so entstandene CO2 in der EU würde sich inzwischen auf über 400 Millionen Tonnen pro Jahr belaufen, was den Emissionen Italiens entspreche, so „Politico“. Erschwerend käme hinzu, dass Wälder zerstört und deren Funktion als Kohlenstoffsenke verschlechtert würden – wie es etwa in Estland bereits der Fall sei, das Holzpellets in großem Ausmaß ins Ausland exportiert.

Ein Mann mit Gabelstapler vor einem großen Haufen Holzpellets
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Das EU-Parlament stimmt etwa darüber ab, ob Holzpellets weiterhin als nachhaltig gelten sollen

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments hätten nun eine „wertvolle Gelegenheit und eine Pflicht“, so der Appell in einem Artikel des „Guardian“, an dem auch die Gründerin der Umweltbewegung „Friday’s for Future“, Greta Thunberg, mitwirkte: Sie könnten am 13. September dafür stimmen, forstwirtschaftliche Biomasse aus der Richtlinie über erneuerbare Energien herauszunehmen und damit zu einer wirklich tatsächlich nachhaltigen, ökosystembasierten Forstwirtschaft beitragen.

Kritik von Vertretern der Forstwirtschaft

Für scharfe Kritik sorgen die geplanten Maßnahmen bei Vertretern der Forstwirtschaft. Der Verein Land & Forst Betriebe Österreich (LFBÖ) warnte etwa vor „gravierenden Folgen“ für die Waldbewirtschaftung und Klimapolitik in Österreich und Europa. „Mit der vorgeschlagenen RED-III-Richtlinie wird der Einsatz von Biomasse für die Nah- und Fernwärme verhindert, das darf nicht passieren“, so LFBÖ-Präsident Felix Montecuccoli, der eine Abänderung der Vorschläge fordert.

Die vorgeschlagene Außernutzungsstellung von Waldflächen würde zudem die Wälder wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen, anstatt sie aktiv an den Klimawandel und die Herausforderungen der Zukunft anzupassen.

Auch der freiheitliche Europaparlamentarier Roman Haider kritisierte die Pläne der EU und bezeichnete die Waldstrategie als „geradezu paradox“, da sie die Energieversorgung der EU-Staaten in einer „extrem sensiblen und angespannten Situation“ weiter gefährde. „Gerade in der regionalen Energieversorgung spielt Holz eine große Rolle. Mit einem Federstrich will die EU all das jetzt zerstören“, so Haider.

Berlaymont-Gebäude in Brüssel
ORF.at/Peter Prantner
Vertreter der Forstwirtschaft kritisieren, die EU würde drastisch in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten eingreifen

Klimaschützer ordnen Lücken

Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte hingegen „Schlupflöcher“, die das Waldschutzgesetz wirkungslos machen könnten. Greenpeace trat in einer Kampagne für strengere Regeln auf, und auch die NGO Südwind kritisierte eine „Verwässerung“ des Gesetzes, wenn etwa Supermärkte und große Handelskonzerne von Sorgfaltspflichten ausgenommen werden könnten, wie Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung der SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, Petra Bayr, angedeutet hatte.

Er wolle sich auch in Zukunft für die Nutzung der österreichischen Wälder gegenüber der EU einsetzen, so Totschnigs Statement zur EU-Waldstrategie am Rande einer Pressekonferenz. Mit dieser kämen Vorgaben, bei denen er klar sage, er sei „für eine aktive Bewirtschaftung und nicht für eine Außernutzungsstellung“. Da würde man sich mit anderen waldreichen EU-Staaten assoziieren. „Es wird gewisse Vorgaben für einen strengen Schutz geben, aber die Verhandlungen laufen noch“, so der Minister.

Indigene fordern strengeres Gesetz

Indigene in Brasilien forderten im Zusammenhang mit der Verordnung über entwaldungsfreie Produkte die Garantie ihrer Rechte und die Aufnahme aller Ökosysteme Brasiliens in die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. „Die Definition des Begriffs ‚Wald‘ ist sehr reduziert und lässt einen großen Teil der brasilianischen Biome unberücksichtigt“, hieß es in einer Mitteilung des Indigenenverbandes APIB vor der Abstimmung am Dienstag.

Die brasilianischen Indigene forderten, dass alle brasilianischen Biome einbezogen werden – neben dem Amazonas müsste das auch für den Schutz des Cerrado, des Pantanal, der Pampa, der Mata Atlantica und der Caatinga gelten. Besonders im Cerrado und Pantanal gab es in den vergangenen Jahren schlimme Feuer.

Wald wächst in Österreich und geht global zurück

Trotz negativer Natureinflüsse von Sturmschäden bis zum Borkenkäfer sind die österreichischen Wälder in den vergangenen zehn Jahren laut einer aktuellen Waldinventur mit einer Fläche von mehr als vier Millionen Hektar gewachsen und machen knapp die Hälfte der Staatsfläche aus.

Laut Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO sind jedoch weltweit zwischen 1990 und 2020 420 Millionen Hektar Wald durch Entwaldung verloren gegangen, wobei etwa zehn Prozent der weltweiten Entwaldung auf den Verbrauch in der EU zurückgehen.