Autoraser bei Nacht
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Tödliche Autorennen

Gesetz gerät an seine Grenzen

Illegale Straßenrennen in Wien – wie auch in anderen Bundesländern – sind keine Seltenheit, kaum aber nehmen sie so einen tragischen Ausgang wie Sonntagabend: Ein 26-Jähriger war mit seinem Mercedes auf dem Schottenring bei Rot über eine Kreuzung gerast und gegen den Pkw einer 48-jährigen Lenkerin geprallt, die wenig später im Spital starb. Was es nun juristisch zu klären gilt: War es Mord?

Das ist dann gegeben, wenn es der Täter „ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet“, dass jemand sterben könnte. In Deutschland erging so ein Urteil bereits: Zwei Männer, die in einem Wettrennen mit 160 km/h über den Berliner Kurfürstendamm rasten, mehrere rote Ampeln überfuhren und dabei den Fahrer eines unbeteiligten Autos töteten, erhielten 2017 eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes. Der Fall musste mehrmals aufgerollt werden, bei einem Mann wurde lebenslänglich in 13 Jahre Haft korrigiert, beim anderen blieb es dabei.

In Wien wurde 2018 ein Autofahrer, der bei einer von ihm verschuldeten Kollision zwei Menschen getötet hatte, wegen Mordes zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Geschworenen folgten mit deutlicher Mehrheit der Anklage, der zufolge der 34-Jährige den Tod eines Vespa-Lenkers und dessen Beifahrers bewusst in Kauf genommen haben soll. Der Fall war freilich anders gelagert: Der Mann wollte sich bei der Fahrt das Leben nehmen.

Frage der Vorsätzlichkeit

Ob dem Unfalllenker vom Sonntag in Wien nun auch eine Mordanklage drohen könnte, ist noch offen. Illegale Rennen sind grundsätzlich verboten, die Bestrafung ist in der Straßenverkehrsordnung geregelt, heißt es dazu aus dem Justizministerium. Ob eine Regelung wie in Deutschland nötig sei, wo seit 2017 illegale Autorennen als Straftat und nicht mehr als Ordnungswidrigkeit gelten, werde laufend evaluiert.

„Um jemandem Mord nachzuweisen, muss man natürlich auch die entsprechende Vorsätzlichkeit nachweisen“, sagte Martin Hoffer, Leiter der Rechtsdienste des ÖAMTC, gegenüber ORF.at. „Das bedeutet nicht Absicht und auch nicht die konkrete Absicht, eine bestimmte Person zu töten, aber es ernsthaft für möglich zu halten und sich damit abzufinden, dass irgendjemand hier zu Tode kommt.“ Das könnte bei einem illegalen Wettrennen durchaus ein realistisches Szenario sein.

Klaus Schwaighofer, Strafrechtsprofessor an der Universität Innsbruck, zeigte sich im Ö1-Mittagsjournal zurückhaltend: „Ich persönlich bin der Meinung, dass der Mordtatbestand da nicht zur Anwendung kommen sollte.“

Die Voraussetzung, „dass man den Tod in Kauf nimmt, dass es einem gleichgültig ist, was passiert“, sieht er nicht gegeben. Anders beurteilt das Ingeborg Zerbes, Strafrechtlerin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie in Wien – mehr dazu in wien.ORF.at.

Rasergesetz in Deutschland

Illegale Straßenrennen in Wien – wie auch in anderen Bundesländern – sind keine Seltenheit. In Deutschland wurde gegen illegale Autorennen vor fünf Jahren ein eigenes Gesetz eingeführt, mit Strafen von bis zu zehn Jahren Haft, wenn dabei jemand ums Leben kommt.

Eigener Straftatbestand?

Im österreichischen Strafgesetzbuch gibt es zwischen Mord und der fahrlässigen Tötung – wegen einer solchen wird derzeit nach dem Unfall auf dem Ring vom Sonntag ermittelt – keinen anwendbaren Tatbestand. Der Paragraf 76, Totschlag, setzt die Tatbegehung „in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung“ voraus. „Ich bin dafür, den Paragrafen 76 nicht aufzuweichen“, sagte Zerbes. In Deutschland wurde für solche Fälle ein „Auffangparagraf“ eingezogen, wenn der Vorsatz nicht nachweisbar ist.

Das wäre der Expertin zufolge auch für Österreich ein denkbarer Weg. Zerbes warnte aber vor einem „Trend, bei jedem Missstand einen Spezialstraftatbestand einzurichten“. Umso schwieriger wäre das Strafgesetzbuch anzuwenden. Dieses Problem habe nämlich bereits das deutsche Strafgesetzbuch, „das österreichische gerade noch nicht“. Schwaighofer dagegen plädierte dafür, die „wirklich gravierende Lücke“ zwischen Mord und fahrlässiger Tötung zu schließen.

Die Roadrunner-Szene ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, die Sanktionen wurden im Zuge eines „Raserpakets“ vor einem Jahr verschärft. Die Höchststrafen in der Straßenverkehrsordnung wurden von 2.180 auf 5.000 Euro angehoben. Zudem wird bei erstmaliger Übertretung um 41 bis 60 km/h im Ortsgebiet der Führerschein doppelt so lange entzogen wie bisher, nämlich einen Monat, und bei wiederholtem Vergehen drei Monate. Ab einer Überschreitung von 80 bzw. 90 km/h wird die Fahrlizenz ein halbes Jahr abgenommen und der Beobachtungszeitraum auf vier Jahre verdoppelt.

Illegale Straßenrennen als Problem in Städten

Immer häufiger werden illegale Straßenrennen in Städten zum Problem. Erst am Sonntag wurde in Wien eine Frau bei einem Autorennen getötet. Laut Polizei sind in der Hauptstadt zwischen 800 und 1.000 Menschen in der Szene aktiv.

Beschlagnahmung als schärfste Waffe

Die vermutlich schärfste Maßnahme gegen illegale Rennen, die Beschlagnahme von Fahrzeugen, befindet sich in Ausarbeitung. Aus dem Verkehrsministerium hieß es dazu, „regierungsinterne Abstimmungen“ würden laufen. Zerbes sprach sich dafür aus: „Das Auto ist in deren Händen geradezu eine Waffe“, so die Strafrechtlerin. Daher wäre die Einziehung als „Gegenstand, den der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat“ (Paragraf 26 StGB), bereits nach geltender Rechtslage möglich.

Schwaighofer zeigte sich auch hier skeptischer: „Also einfach geht’s nicht.“ Voraussetzung sei jedenfalls, dass der betroffene Fahrer auch Eigentümer des Fahrzeugs ist, das könnte so ähnlich geregelt werden wie im Waffengesetz. „Wenn man eine verbotene Waffe hat, dann wird als Sanktion auch die Waffe für verfallen erklärt und weggenommen, und das könnte man bei Autos grundsätzlich auch machen.“

Eine Beschlagnahme erachtet auch ÖAMTC-Jurist Hoffer für denkbar, einen Verfall, also eine endgültige Wegnahme, hält er aber für eine „Gratwanderung“. Die Diskrepanz zwischen der höchsten Verwaltungsstrafe und dem Preis der Autos, in die deren Besitzer teils ein Vermögen stecken würde, sei groß – entsprechend schwierig seien auch eine rechtsgültige Umsetzung und Vollziehung.