Auskunftsperson beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 14.10.2022
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ÖVP-U-Ausschuss

ÖVP rang um Zulassung von Fragen zu SPÖ

Bevor sich der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss am Donnerstag mit der ÖVP Tirol und CoV-Hilfen an ihre Vorfeldorganisationen beschäftigt, hat die ÖVP am Mittwoch versucht, den Spieß umzudrehen: Die Auskunftspersonen wurden von der Volkspartei ausgesucht. Rede und Antwort stand eine langjährige Mitarbeiterin des Bundeskanzleramts, die im Bereich Recht und Vergabe arbeitet. Vieles drehte sich um die Frage des Zusammenhangs mit dem ÖVP-U-Ausschuss – Stichwort: Untersuchungszeitraum.

Dieser beginnt ja Ende Oktober 2017. Entsprechend versuchte die ÖVP den Bogen weitestmöglich zu spannen: So ging es ihr um Studien, die seitens des damals roten Bundeskanzleramtes unter Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) beauftragt worden sein sollen – inklusive versuchter Herstellung eines Zusammenhangs zur Bundespartei. Die übrigen Parteien konnten diesen Vermutungen nicht folgen – die FPÖ ortete ein „taktisches Ablenkungsmanöver“, die SPÖ von „verschwendeter Lebenszeit“.

Die ÖVP ihrerseits verwies auf den Umstand, dass bei den inkriminierten Studien parteipolitische Präferenzen abgefragt worden seien (ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger: „Das hat die SPÖ getan“). Es gehe um zwei Studien und eine Beratungsleistung, bei den Beschaffungsvorgängen habe ein enger Kabinettschef Faymanns mitgearbeitet. „Und der entscheidet heute, ob die Jungbauernschaft förderwillig ist oder nicht“, da sei von Befangenheit auszugehen, so Hanger.

Vielzahl an Anläufen

Man bewege sich am äußersten Rande des Untersuchungsgegenstands, monierte die SPÖ – während die ÖVP auf „Vorbereitungshandlungen“ verwies und ebenjenen U-Gegenstand dahingehend gedeckt sah. Generell rang die ÖVP um die Geltendmachung der Relevanz für den ÖVP-U-Ausschuss: So sei der U-Gegenstand mit der „Wirkung“ der Studien gedeckt, argumentierte die ÖVP. Und: Der Zusammenhang sei auch deswegen gegeben, weil es sich um Personen handle, die in Zusammenhang mit der ÖVP stünden.

Die Befragte gab jedenfalls an, seit 1991 im Kanzleramt für die Abteilung Rechts- und Vergabeangelegenheiten tätig zu sein. Wahrnehmungen zu im Bundeskanzleramt beauftragten Studien konnte sie kaum angeben. Das Beinschab-Österreich-Tool kenne sie „aus der Zeitung“, Auftragsvergaben in diese Richtung habe sie nicht wahrgenommen, so die Befragte.

Vorsitzende Selma Yildirim (SPÖ) und Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl
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Pöschl und die heutige Vorsitzende Selma Yildirim (SPÖ)

ÖVP bringt Lazarsfeld-Studie vor

ÖVP-Abgeordneter Christian Stocker ging bei der Befragung der Abteilungsleiterin hierbei ins Detail und wollte wissen, ob es auch Aufträge des einst von der SPÖ geführten Bundeskanzleramts an die Meinungsforscherin Sabine Beinschab in der Ära Faymann gab. Thematisiert wurde auch eine angebliche Förderung des Bundeskanzleramts für eine Studie der Paul Lazarsfeld Gesellschaft im Jahr 2015. Mit dieser Förderung sei sie befasst gewesen, bestätigte die Beamtin.

Zunächst sei die Förderung abgelehnt worden, dann sei sie doch beauftragt worden, gab die Kanzleramtsmitarbeiterin an. Beim „Trendmonitoring“ der Paul Lazarsfeld Gesellschaft gehe es darum, herauszufinden, wo „den Leuten der Schuh drückt“, schilderte die Auskunftsperson. Die ÖVP verwies auf den Umstand, dass AK, ÖGB und Pensionistenverband Kooperationspartner der Studie gewesen seien. Eine Frage aus der Studie sei etwa „Welche Partei sagt Ihnen am meisten zu“. Stocker wollte wissen, wie diese Frage in öffentlichem Interesse sein könne.

Schwimmen gegen den Strom

Doch spätestens ab diesem Zeitpunkt schwamm die ÖVP im Ausschuss gegen den Strom – trotz versuchter Vergleiche mit Entscheidungen über die Zulassung von Fragen in der Vergangenheit blitzte ihr Begehr bei Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl ab.

Das regte ÖVP-Fraktionschef Hanger freilich auf: Manchmal habe man Befragungstage, wo alles an Fragen zugelassen werden – und manchmal werde die Möglichkeit völlig eng gefasst. „Für was brauchen wir eine Vorsitzführung, für was brauchen wir einen Verfahrungsrichter?“, fragte Hanger wütend. FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker konnte folglich die Spitze in Richtung ÖVP nicht auslassen, als er feststellte, dass Hanger damit nur die Vorsitzführung von Wolfgang Sobotka (ÖVP) gemeint haben könnte.

An späterer Stelle sagte ÖVP-Mandatar Stocker, dass er sich angesichts der Nichtzulassung von Fragen „die objektive Vorsitzführung von Sobotka“ zurückwünsche.

Fragen zu 229-seitiger Studie zur Flüchtlingskrise

Die ÖVP versuchte es danach mit einer anderen Studie – sie fällt in die Kanzlerschaft von Christian Kern (SPÖ): Verwiesen wurde auf eine 229-seitige, englischsprachige Studie zur Flüchtlingskrise. Der Auskunftsperson ist die Beauftragung der Studie bekannt. Laut ÖVP sollen vom Kanzleramt im Herbst 2017 über 93.000 Euro dafür gezahlt worden seien. Wieso bereits vor der Lieferung bezahlt wurde, fragte Stocker. Das hielt die Auskunftsperson für unterstellend – im Vorfeld zu bezahlen sei nichts Ungewöhnliches.

Auch eine dritte Vergabe wollte die ÖVP nach zwei vergeblichen Anläufen unter die Lupe nehmen. Dabei soll es um einen Beratervertrag des ehemaligen SPÖ-Kabinettchefs unter dem früheren SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky mit dem Bundeskanzleramt gehen – er sei von Anfang 2017 bis Ende 2017 gelaufen (weswegen der U-Zeitraum hier unstrittig war). Auch hier bestätigte die Auskunftsperson einen Abschluss des Vertrags. Es sei um die Beratung des Kanzleramts zu Europapolitik und Regierungskommunikation gegangen, wie die Beamtin ausführte.

Die ÖVP monierte, dass kein einziges veraktetes Schriftstück zu den offenbar 30 Beratungstagen existiere. Zudem hätten die Beratungen bereits begonnen, bevor es einen unterschriebenen Vertrag gegeben habe. „Wie können Sie dazu die sachliche Richtigkeit prüfen?“, fragte Stocker die Auskunftsperson. „Die sachliche Richtigkeit wird nicht von mir geprüft“, antwortete die Beamtin. Man könne nichts nachvollziehen, weil es keine Hinweise auf Inhaltliches gebe, so Stocker.

200-Mio.-Rahmenvertrag für Inserate

Die SPÖ ihrerseits interessierte sich für den 200-Mio.-Euro-Rahmenvertrag für Agenturleistungen und Inserate unter dem Titel „Das Beste aus beiden Welten“. Deren Ausschreibung habe die Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) durchgeführt, auch eine Vergabekommission wurde eingesetzt. Dazu kann die Vertrauensperson aber nicht viel sagen. Die Abrufe der Leistungen sei von der zuständigen Stabsabteilung erfolgt, von der Fachabteilung für Inseratenvergaben. Wie die Stabstelle Medien unter Gerald Fleischmann im Bundeskanzleramt involviert war, wie sich aus Mails ergibt, könne sie nicht sagen, so die Beamtin, sie sehe die Mails jetzt zum ersten Mal.

FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker fragte zu Medienprojekten, in das das Bundeskanzleramt involviert sei – via Förderungen. Von einer konkreten 100.000-Euro-Förderung für ein Projekt der Tageszeitung „Die Presse“ wisse sie – offenbar sei hier ein Antrag gestellt worden, sagte die Auskunftsperson. Welchen Mehrwert für den Steuerzahler das bringe? Das beurteile sie bei ihrer Tätigkeit nicht, so die Beamtin, es habe sich um ein Europathema gehandelt und für Europathemen sei das Kanzleramt zuständig.

Schwenk zu ÖVP-Familienfest 2019

Grüne und NEOS wollten lieber über das ÖVP-Familienfest mit dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sämtlichen ÖVP-Ministern am 1. Mai 2019 sprechen, verwiesen wurde auf die Kosten von 300.000 Euro, getragen zum Teil auch von Bundeskanzleramt. Ihre Abteilung sei mit dem Auftrag nicht befasst gewesen, so die Kanzleramtsmitarbeiterin auf Nachfrage – es sei nur vorschriftsgemäß bekannt gemacht worden, dass es einen Auftrag gibt, weil die Kosten (für das Bundeskanzleramt) bei mehr als 50.000 Euro lagen.

Ob Vergleichsangebote eingeholt worden seien, konnte die Bundeskanzleramts-Abteilungsleiterin nicht angeben. Sie selbst habe davon erst aus den Medien erfahren. Das Bundeskanzleramt schloss einen Vertrag mit der Beratungsagentur Media Contacta ab; die zuständige Abteilung habe das selbstständig tun können und müsse eben nur informieren, wenn der Auftragswert eben über 50.000 Euro liegt. Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli sagte, die Überschreitung des Auftragswertes sei von der Ministerin selbst genehmigt worden.

Ministerbüros „unter sich“?

Auch gab die Grüne an, dass ein hoher Beamter des Kanzleramts bei dem Fest einen Moderationsauftrag bekommen habe. Die Auskunftsperson bestätigte die Existenz von Compliance-Vorschriften. NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper zitierte aus einer Unterlage, wonach die interne Revision kritisiert habe, dass die Auftragsvergabe über Mitarbeiter mehrerer Ministerbüros („unter sich“) statt über die tatsächlich zuständigen Abteilungen gelaufen sei.

Für andere Sektionen könne sie nicht sprechen, sagte die Auskunftsperson. Auf die Frage, ob Schadensersatzforderungen geltend gemacht worden seien, konnte die Beamte nichts sagen: „Ich hab’ zu diesem Fall keine Wahrnehmung.“ Jedenfalls seien Direktvergaben bis 100.000 Euro zulässig und man habe gar keine Vergleichsangebote einholen müssen, sagte die Auskunftsperson. Krisper fragte, ob es Diskussionen dazu gebe, „diesen Missbrauch zu beenden“? Dazu konnte die Beamte nichts angeben.