EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Reuters/Yves Herman
Politik

Lob und Tadel österreichischer Politiker

Die Rede zur Lage der Union von Ursula von der Leyen stößt bei österreichischen EU-Politikern grundsätzlich auf Wohlwollen. Der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments (EP), Othmar Karas (ÖVP), und die EP-Vizepräsidentin Evelyn Regner (SPÖ) vermissten allerdings Antworten auf die soziale Frage. Als ein „Totalversagen auf allen Ebenen“ kommentierte der freiheitliche Delegationsleiter im Europäischen Parlament Harald Vilimsky die Rede.

Die Herausforderungen benannte die EU-Kommissionschefin laut Karas „alle richtig“, die sozialen Auswirkungen der hohen Energie- und Lebensmittelpreise waren aber „zu wenig dominant“. „Es steht außer Streit, dass wir vor der größten Herausforderungen seit 1945 stehen“, sagte Karas am Mittwoch bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Regner im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, aber auch auf die stark gestiegenen Energiepreise. Mit einer Einzelmaßnahme werde die Krise nicht gelöst werden, betonte der ÖVP-Politiker weiter. Er begrüßte die auf dem Tisch liegenden Vorschläge der EU-Kommission, wie etwa die Übergewinnabgabe von Energieunternehmen.

Karas forderte von der EU nun „schnelles und entschlossenes“ Handeln – auch in Sachen Konferenz zur Zukunft Europas. Die EU brauche einen „demokratiepolitischen Innovationsschub“, sagte er. Mit dem Prinzip der Einstimmigkeit bei Entscheidungen der EU-Staaten müsse „Schluss“ sein.

Regner: „Soziale Folgen unterschätzt“

„Die EU-Kommission hat Gutes vorgeschlagen, aber sie unterschätzt die sozialen Folgen“, und das sei dort, wo der russische Präsident Wladimir Putin „reingrätscht“, sagte Regner. Ihrer Ansicht nach müsste „massiv“ in den Energiemarkt eingegriffen werden, und „soziale Verwerfungen“ sollten stärker bekämpft werden. Zudem forderte die Sozialdemokratin eine höhere Besteuerung von Vermögen.

Vilimsky: „Totalversagen auf allen Ebenen“

„Wer dachte, dass es nach Juncker nur noch aufwärts gehen kann, wurde mit von der Leyen eines Besseren belehrt“, sagte Vilimsky und sprach von einem „Totalversagen auf allen Ebenen“. Die Kommissionspräsidentin fahre das wichtigste Projekt einer freundschaftlichen, friedvollen und gedeihlichen Kooperation der europäischen Nachkriegsgeschichte gegen die Wand.

„Statt Freundschaft regiert politische Willkür gegenüber den Ungarn und den Polen. Statt Frieden wird der Krieg im Rahmen der Solidarität mit der Ukraine durch Waffenlieferungen gefordert, und statt Gedeihlichkeit wissen viele Menschen in Europa nicht, ob und wie sie in diesem Winter heizen sollen“, kritisierte Vilimsky. Seiner Ansicht nach müsse endlich eine 180-Grad-Wende in der EU-Politik erfolgen – insbesondere vonseiten der EU-Kommission. Er forderte einen „Stopp der irrwitzigen Klimapolitik“ und einen „Stopp der Kriegsrhetorik und des Sanktionswahnsinns“.

Edtstadler: „Wichtige Impulse“

Für Europaministerin Karoline Edstadler (ÖVP) gab von der Leyen in ihrer Rede „wichtige Impulse“. In Bezug auf die Ukraine rief Edtstadler in einer Aussendung in Erinnerung: „Die Ukraine verteidigt unsere europäischen Werte.“ Auch sei die Entkoppelung von Strom- und Gaspreis „mehr als notwendiger Schritt“, erklärte Edtstadler weiter. Zudem begrüßte die ÖVP-Ministerin die Vorschläge der EU-Kommission in Sachen Fachkräftemangel. Schließlich betonte sie, die Stärke der EU liege in ihrer Einigkeit.

Kogler freut sich über Solidarität mit Kiew

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte, dass von der Leyen „zu Recht auf die Bedeutung der europäischen Solidarität für die Ukraine, die auch das europäische Lebensmodell verteidigt, verwiesen“ habe. Die russische Kriegsmaschine werde durch die europäischen Sanktionen deutlich gehemmt, so Kogler auf Twitter weiter. „Für die Solidarität und Einheit innerhalb der Union ist die Eindämmung der Preisentwicklung am Strom- und Gasmarkt der eine gemeinsame Auftrag. Wie gelingt uns das? Durch gemeinsame Stromsparprogramme, rasche Investitionen in den Ausbau von Erneuerbaren, Abschöpfung der Zufallsgewinne und einem europaweiten Sicherheitsfonds für Energielieferanten“, so der Vizekanzler.

„Die Europäische Union befindet sich in einer kritischen Lage“, sagte die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Monika Vana, laut Aussendung vor der Rede. „Angesichts der alarmierend steigenden Lebenshaltungskosten in allen EU-Mitgliedsstaaten ist die Bildung einer wirksamen Sozialunion das Gebot der Stunde“, forderte auch sie. Ihr Parteikollege Thomas Waitz begrüßte die Kommissionsvorschläge zur Bekämpfung der hohen Energiepreise als „erste Schritte in die richtige Richtung“.

NEOS warnt vor nationalen Alleingängen

Die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon begrüßte ebenfalls das „Maßnahmenpaket der EU-Kommission, allen voran die verbindlichen Ziele zu den Energiesparmaßnahmen“. Gleichzeitig warnte Gamon vor nationalen Alleingängen sowie vor einem Ausbremsen von Investitionen in erneuerbare Energien. Die liberale EU-Politikerin hätte sich zudem einen Vorschlag zu einem Preisdeckel auf russisches Gas gewünscht.