Etherum Kryptowährung
Reuters/Dado Ruvic
„The Merge“

Bitcoin-Konkurrent will Mainstream werden

Die nach der Kryptowährung Bitcoin zweitwichtigste Cyberdevise Ethereum ist am Donnerstag mit einem umfassenden Software-Update auf einen stromsparenden Betrieb umgestellt worden. Das Event – „The Merge“ („die Fusion“) getauft – wurde live übertragen. Ethereum will mit der Umstellung der wachsenden Kritik wegen immensen Stromverbrauchs entkommen – und eine breitere Käuferschicht erreichen.

Mit der Umstellung des Absicherungsverfahrens für Transaktionen auf der Ethereum-Blockchain wird zumindest nach Angaben der Ethereum Foundation der Strombedarf um 99,95 Prozent gesenkt. Bisher hatte Ethereum in etwa den Stromverbrauch von Finnland.

Die Ethereum-Blockchain ist eine öffentlich einsehbare Datenbank, die Informationen und Transaktionen auf kryptografisch sichere Weise speichert und verifiziert. Ether ist die Kryptowährung, die über die Ethereum-Blockchain getauscht wird. Sie steht in der Kryptowelt hinter Bitcoin an zweiter Stelle, was den Gesamtwert angeht.

Zwischen Goldgrube und Pyramidenspiel

Ethereum wird vor allem für dezentralisierte Finanzsysteme und etwa für digitale Sammlerstücke wie „Non-Fungible Tokens“ (NFT), verwendet. Diese haben in den letzten Jahren – etwa auch als Fanartikel für Fußballfans und in der Kunstszene – für Furore gesorgt.

Kritiker sehen darin und in Kryptowährungen generell allerdings Spekulation und ein Pyramidensystem. Allerdings beschäftigen sich auch Notenbanken weltweit mit der Blockchain-Technologie, die als weitgehend fälschungssicher gilt. Derzeit herrscht noch eine weitgehende Goldgräberstimmung bei Investments in Kryptowährungen, da diese noch kaum reguliert sind.

Etherum Kryptowährung
AP/Europa Press/Eduardo Parra
Mit der Umstellung hofft Ethereum, für breitere Anlegerschichten attraktiv zu werden

Wichtiger „Test für Kryptosektor“

Die „Financial Times“ nennt die Systemumstellung einen „mit hohem Einsatz verbundenen Test für den Kryptosektor“, nachdem dieser im Frühjahr einen Wertverlust von zwei Billionen Dollar hinnehmen musste und das Vertrauen in Kryptowährung generell nach einem längeren Hype abstürzte.

Die aktuelle Umstellung gilt nur als ein Schritt in den Plänen der Ethereum-Entwickler, um die Kapazitätsbeschränkungen zu überwinden, die laut „FT“ als eines der Haupthindernisse dafür gelten, dass das dezentrale Finanzsystem im Mainstream ankommt.

Vor allem Junge investieren

Das Investieren in Kryptowährungen ist längst auch in Österreich angekommen. Laut einer Umfrage des Beratungsunternhemens EY investieren 14 Prozent in Krypto. Jeder siebente dieser Anleger hat dabei mehr als die Hälfte seines Vermögens in Kryptoanlageformen investiert. Laut einer Umfrage des heimischen Start-up Blockpit vom Jänner waren dabei 93 Prozent Männer und durchschnittlich unter 40 Jahre alt, berichtete damals der „Standard“.

Auswahl für Prüfverfahren per Zufall

Um Transaktionen auf der Blockchain fälschungssicher zu machen, wurde bei Ethereum – wie bei Bitcoin – bisher das Verfahren „Proof of Work“ eingesetzt. Dabei müssen komplizierte kryptografische Rätsel gelöst werden, und es wird viel Strom verbraucht. Ethereum ist nun mit dem „Merge“ auf das Verfahren „Proof of Stake“ (PoS) umgestiegen, das nur einen Bruchteil des Stroms verbraucht.

Bei diesem alternativen Verfahren zahlen Investorinnen und Investoren eine bestimmte Anzahl digitaler Münzen ein, um an einer Art Lotterie teilzunehmen. Jedes Mal, wenn eine Transaktion bestätigt werden muss, wird ein Teilnehmer („Staker“) aus dem Lostopf ausgewählt, um den Austausch zu beglauben. Man erhält dafür neue Münzen als Belohnung. Diese Beglaubigung hatten bisher eigene Unternehmen, die davon lebten, vorgenommen.

Nicht alle machten mit

An der Umstellung haben sich nicht alle Akteure beteiligt, die bisher als „Miner“ die Ethereum-Blockchain betrieben haben, um Onlinegeld zu schürfen – also durch Rechenleistung zu schaffen. Der Anteil der Umstellungsverweigerer sei allerdings viel geringer ausgefallen als befürchtet, sagte ein Sprecher der Ethereum Foundation in einer Liveübertragung des Events „The Merge“.

Noch tagelanges Zittern

Die Kryptobranche schaut nun mit Spannung darauf, wie sich nach dem „Merge“ der Umtauschkurs von Ether gegenüber dem US-Dollar und anderen konventionellen Währungen entwickeln wird. Unmittelbar vor und nach der Umstellung hatten die meisten Tauschbörsen den Handel mit Ether ausgesetzt. Im Vorfeld hatte Ether aber im Vergleich zu Bitcoin deutlich zugelegt.

Der deutsche Blockchain-Experte Philipp Sandner sagte, mit jeder Stunde, die vergehe, werde das Risiko eines Scheiterns von „The Merge“ geringer. „Ob technische Probleme – bis hin zu unkontrollierten Abspaltungen oder dem Stillstand des Netzwerks – nicht entstanden sind, wird man allerdings erst in einigen Stunden oder gar Tagen sehen.“

„Noch viele Überraschungen“

Edouard Hindi vom Krypto-Hedgefonds Tyr Capital warnte gegenüber der „FT“ ebenfalls davor, dass ein kleiner Softwarefehler reichen könnte, um den Kryptomarkt in Panik zu versetzen. Nach dieser Systemumstellung brauche es drei oder vier weitere Schritte, um die derzeitigen Beschränkungen zu überwinden. Das werde zwei, drei Jahre dauern. Da werde es noch „viele Überraschungen geben, gute und schlechte“.