Deutscher Panzer Leopard 2
AP/Michael Sohn
Innen- und außenpolitisch

Deutsches Dilemma mit Panzern für Ukraine

Die Ukraine fordert – gerade vor dem Hintergrund offensichtlicher Erfolge gegen die russischen Truppen im Land – mehr Waffen aus dem Westen. Erste Adresse dafür ist aktuell Deutschland. Kiew wünscht sich moderne Kampfpanzer. Doch Berlin winkt bisher ab: „Kein Alleingang.“ Die ukrainischen Forderungen bringen Deutschland jedenfalls mehr in die Bredouille als andere EU-Staaten, innen- wie außenpolitisch.

Mehrere NATO-Staaten lieferten der Ukraine große Mengen an Waffen und Munition zur Unterstützung gegen die russische Invasion und tun es weiterhin, auch Deutschland. Dennoch musste und muss sich Berlin vorwerfen lassen, Zusagen nur zögernd zu erfüllen. Aktuell dreht sich die Debatte um Kampf- und Schützenpanzer vom Typ Leopard bzw. Marder.

Die Ukraine vertritt – durchaus offensiv – den Standpunkt, dass es gegen eine Lieferung der Waffensysteme „kein rationales Argument“ gebe, sondern nur „abstrakte Ängste und Ausreden“, wie Außenminister Dmytro Kuleba kürzlich sagte. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte jüngst die Wichtigkeit von westlichen Waffen betont: „Jeder Vorgang auf dem Schlachtfeld ist eine konkrete Operation, die durch konkrete Waffen unterstützt werden muss.“

„Ein Land wie Deutschland wartet nicht“

Mehr noch: Anlässlich seines Besuchs in Berlin forderte der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk eine „Führungsrolle“ Deutschlands bei der Lieferung von Kampfpanzern. Berlin solle eben dieser „Führungsrolle gerecht werden und als erstes Land Kampfpanzer liefern", sagte er. „Ein Land wie Deutschland wartet nicht darauf, was andere tun.“

Deutscher Panzer Leopard 2A7V
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Was Kiew will: schnelle Kampfpanzer mit großer Reichweite – Leopard 2 (im Bild in der modernsten Version 2A7)

Stefantschuk verlangte eine schnelle Entscheidung. „Ich frage mich: Was braucht man noch, was soll noch passieren, damit man zu einer Entscheidung kommt? Gerade wegen des nahenden Winters sollte es schnell zu einer Entscheidung kommen.“ Er betonte: „Je schneller wir Waffen bekommen, desto schneller siegen wir.“ Kampfpanzer westlicher Bauart hat der Ukraine bisher kein NATO-Land geliefert. Aus Deutschland kamen Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard samt spezieller Munition, die Panzerhaubitze 2000, Raketenwerfer, Artillerieradar.

Innenpolitische Differenzen

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den aktuell die militärischen Erfolge der ukrainischen Armee in der innenpolitischen Debatte über die Waffenlieferungen unter Druck setzen, hatte der Ukraine im August zugesagt, ihr „das zur Verfügung zu stellen, was sie für ihre Verteidigung braucht“. Ausgenommen: Kampfpanzer.

Scholz sieht sich seit Tagen vehement mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) etwa drängt nun auf eine rasche Entscheidung. Die deutschen Waffenlieferungen würden „offensichtlich sehr deutlich“ helfen, „Menschenleben zu retten“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe). Ihr Parteikollege, Wirtschaftsminister Robert Habeck, warb unterdessen überhaupt um neue Regeln zum Export von Waffen in Krisengebiete.

Am Donnerstag kündigte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) an, die Ukraine werde Luftabwehrsysteme vom Typ Mars II inklusive 200 Raketen erhalten, außerdem 50 Allschutztransportfahrzeuge des Typs Dingo. Zu Panzern äußerte sie sich nicht.

„Deutschland, wir warten auf Dein Wort“

„Sechs Monate lang gibt es keine Panzer, weil es keine ‚politische Entscheidung‘ dafür gibt“, schrieb der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychailo Podoljak, am Dienstag via Twitter. Aufgrund des deutschen Zögerns könne Russland den „Terror“ fortsetzen und Ukrainer müssten sterben. „Deutschland, wir warten auf Dein Wort.“ Und am Donnerstag: „Deutschland muss auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Das ist nur durch die Führung bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine und die Ablehnung jeglicher Partnerschaft mit Russland möglich.“ (…) „Versteht es der Bundeskanzler?“

Druck von mehreren Seiten

Scholz und Lambrecht warnen jedoch konstant vor deutschen Alleingängen. Sie verweisen darauf, dass noch kein anderes Land Schützen- oder Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine geliefert hat. Auch Baerbock betonte zu einer möglichen Lieferung von deutschen Kampfpanzern, darüber könne nur gemeinsam entschieden werden – „in einer Koalition und international“.

Deutsche Panzer Marder
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Überholte Marder wären bereit zur Auslieferung

In der "entscheidenden Phase, in der sich die Ukraine aber gerade befindet, halte ich das aber auch nicht für eine Entscheidung, die lange hinausgezögert werden sollte“, so Baerbock. Lambrecht merkte an, dass es auch einen internationalen Konsens dazu gebe, dass Deutschland hier nicht vorpreschen werde. Außerdem laufe Deutschland Gefahr, durch umfangreiche Waffenlieferungen irgendwann seine Verpflichtungen innerhalb der NATO nicht mehr erfüllen zu können.

Bundeswehr „am Limit“?

Stichwort international: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat diese Angst offenbar nicht. Damit sicherzustellen, „dass Russland, dass Präsident (Wladimir, Anm.) Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnt, stärken wir auch unsere eigene Sicherheit und stärken die Allianz“, wurde er letzte Woche zitiert. Andere militärisch starke NATO-Staaten wie etwa Frankreich stünden unter keinem vergleichbaren Druck, hieß es am Donnerstag in der britischen „Financial Times“. Die deutsche Entscheidung würde einer Art internationalem „Lackmustest“ gleichkommen.

Deutscher Panzer Gepard
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Deutschland lieferte Luftabwehrpanzer Gepard samt spezieller Munition

Neben der außenpolitischen Komponente ist ein Aspekt der innenpolitischen Debatte auch die Frage, ob sich die deutsche Bundeswehr, die seit Jahren auch mit Materialproblemen kämpft, die Waffenlieferungen längerfristig überhaupt leisten könne. Die Bundeswehr sei „am Limit“, hatte Lambrecht kürzlich erklärt. Bundeswehr-Generalinspekteur General Eberhard Zorn sagte am Mittwoch: „Mein Rat ist wirklich, unsere Zahlen anzuerkennen: Alles, was wir abgeben, brauchen wir zurück."

Wieso gerade deutsche Panzer?

Konkret wünscht sich Kiew von Deutschland den Kampfpanzer Leopard 2, der in der Version 2A4 auch im österreichischen Bundesheer im Einsatz ist. Der Panzer wurde von der deutschen Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann seit 1978 gebaut, in zahlreiche Länder verkauft bzw. dort in Lizenz produziert. Er gilt trotz eines Kampfgewichts von – je nach Version – jedenfalls über 50 Tonnen als sehr wendig, ist über 70 Stundenkilometer schnell, stark gepanzert, kann durch tiefe Gewässer fahren und ist mit einer 120-Milimeter-Kanone mit einer Reichweite von bis zu 5.000 Metern und zwei Maschinengewehren ausgestattet.

Die Besatzung besteht aus vier Personen. Im Gefecht wird der Kampfpanzer in der Regel gemeinsam mit Schützenpanzern wie dem Marder, aus denen die Besatzung absitzen kann, eingesetzt. Das Zusammenwirken beider Waffensysteme, hieß es zuletzt mehrfach in Analysen von Militärexperten, sei gerade bei der Rückeroberung besetzter Gebiete und im Kampf im urbanen Raum – und deshalb für die ukrainische Armee aktuell – relevant.