GIS-Urteil: ORF-Chef Weißmann drängt auf rasche politische Lösung

ORF-Chef Roland Weißmann drängt auf eine rasche politische Entscheidung in Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit 2024 aufgehobene GIS-„Streaminglücke“. Sei mit spätestens Ablauf des ersten Quartals 2023 keine Neuregelung fixiert, sei der ORF mit „Nachteilen“ konfrontiert, so Weißmann. Auch mehrere Stiftungsräte betonten das im Anschluss an eine Sitzung des obersten ORF-Gremiums heute.

Die GIS-„Streaminglücke“ ist mit 2024 wegen eines Urteils des VfGH Geschichte. Mitte Juli beurteilte der VfGH die bis dato kostenlose ausschließliche Nutzung von ORF-Programmen im Internet als verfassungswidrig. Bis Ende 2023 muss das ORF-Gesetz angepasst und damit die „Streaminglücke“ geschlossen werden. Wie das erfolgt, steht nicht fest. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) legte sich bisher nicht fest.

Offene Fragen

Weißmann wies auf die organisatorischen, administrativen und parlamentarischen Vorlaufzeiten hin, die je nach Lösung schlagend würden. „Egal, welche Entscheidung, es gibt viele knifflige Fragen zu klären“, sagte der ORF-Generaldirektor. Dass Raab der straffe Zeitplan bewusst sei, bejaht Weißmann. „Sie ist absolut am Stand und weiß über die Komplexität Bescheid.“ Die Angelegenheit werde im Ministerium Weißmann zufolge „sehr ernst genommen“ und schon seit Wochen „intensiv“ an einer Lösung gearbeitet.

Raab bestätigte das: Es werde „intensiv geprüft und an einer bestmöglichen Lösung gearbeitet“, verwies sie in einer kurzen Stellungnahme auf die drohende Aufhebung der Gesetzespassagen mit Ablauf 31. Dezember. Das VfGH-Erkenntnis stelle „uns in Zeiten wie diesen vor besondere Herausforderungen“. Denn sie, Raab, wolle nicht, dass die Menschen durch dieses Erkenntnis noch stärker finanziell belastet werden – wobei freilich aber klar sei, dass der Gesetzgeber dem VfGH-Erkenntnis entsprechen müsse.

Transformationsprozess gefordert

Auch die Sprecher diverser „Freundeskreise“ im ORF-Stiftungsrat und der Vorsitzende Lothar Lockl drängten auf eine rasche Lösung durch die Politik. „Wir alle im Stiftungsrat haben das Anliegen, dass der ORF auf sicheren finanziellen Beinen steht. Das wichtigste Bein ist die Gebührenfinanzierung“, so Thomas Zach, Leiter des ÖVP-„Freundeskreises“.

Rund zwei Drittel des ORF-Umsatzes stammen aus GIS-Einnahmen. Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-„Freundeskreises“, meinte, der Gesetzgeber müsse nun „in die Gänge kommen“ und die „Dramatik“ der Lage erkennen. Einen nötigen Transformationsprozess des ORF könne es ohne ökonomische Absicherung nicht geben.

Vom Broadcaster zur Plattform

Sigrid Pilz, die für den Grünen-„Freundeskreis“ im Stiftungsrat spricht, erachtete eine Haushaltsabgabe als „gerechte Lösung“. Für einzelne Personen könnte diese günstiger ausfallen als die gegenwärtigen GIS-Gebühren. „Der ORF muss nicht unzulässig daran verdienen“, so Pilz. Auch sie betonte, dass die Politik den Auftrag des VfGH nicht „aussitzen“ könne und bald liefern müsse.

Trotz der finanziellen Lage wolle man das klar vorgegebene Ziel – die Transformation des öffentlich-rechtlichen Medientankers vom Broadcaster zur Plattform – nicht aus den Augen verlieren. Die ORF-Audioplattform „Sound“ wurde unlängst gelauncht. Das ursprünglich für den ORF-Player gedachte Modul „Topos“ soll im November folgen. Anfang 2023 soll der Relaunch der tvthek eingeleitet werden. Auch habe man seit 1. Jänner 31 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter 30 Jahren eingestellt.