Frau in einer Buchhandlung
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Bibliotheksrabatt

Aufstand der Buchhändler

Auf heimische Buchhändler und Buchhändlerinnen kommt ein neues Kapitel zu. Unter dem Radar der medialen Berichterstattung wird das Buchpreisbindungsgesetz neu erlassen. An und für sich ein Prozess, der gewöhnlicher nicht sein könnte. Doch eine Bestimmung im Entwurf sticht hervor – und dagegen bringt sich die Buchbranche in Stellung.

Mit der Buchpreisbindung sollen in erster Linie Rabattschlachten im Handel verhindert werden. Setzt der Verleger bzw. der Importeur einen Mindestpreis für ein Buch fest, ist der Letztverkäufer daran gebunden. Das Produkt darf sowohl im stationären Handel als auch auf Onlineplattformen höchstens um fünf Prozent günstiger als vorgegeben verkauft werden – angekündigt darf der Rabatt aber nicht werden. Das Buch kann freilich immer teurer verkauft werden.

Der Sinn hinter dieser Regel: Mit der verpflichtenden Preisbindung soll das Kulturgut Buch vor einem „Ausverkauf“ geschützt werden und die Vielfalt der Buchbranche erhalten bleiben. Gäbe es diese Bindung nämlich nicht, so die Argumentation und Sorge vieler Händler, könnten Handelsketten, die es sich leisten können, große Mengen an Büchern kostengünstiger bei ihren Lieferanten beschaffen und viel günstiger anbieten, als das ein kleines Buchgeschäft je könnte.

Verdoppelung des möglichen Rabatts

Der Entwurf ähnelt im Großen und Ganzen dem bisherigen Gesetz aus dem Jahr 2000. Dieses wurde zuletzt 2014 novelliert. Der Entwurf sei gelungen, sagt Helmut Zechner im ORF.at-Gespräch. Erfreut zeigt sich der Vorsitzende des Buchhändlerverbands und Geschäftsführer der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt insbesondere über die Neudefinition des Mindestpreises. Dieser soll nämlich nicht wie bisher als Netto-, sondern als Bruttopreis angegeben werden. Für den Buchhandel würden diese kleinen Änderungen vieles im Alltag vereinfachen.

Hand nimmt Buch aus Regal
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Buchhändler können Bibliotheken einen Rabatt in Höhe von maximal zehn Prozent auf den Buchpreis geben

Doch eine Passage im Entwurf könnte die Existenz vieler Buchhändler bedrohen, so Zechner. Bisher war es der Branche möglich, öffentlichen Bibliotheken und Schulbibliotheken einen Rabatt von maximal zehn Prozent zu gewähren. Künftig sollen Händler aber einen Nachlass von maximal 20 Prozent anbieten können. „Die Verdoppelung des Rabatts ist eine ernsthafte Bedrohung für uns alle“, sagt der Unternehmer und Interessenvertreter. „Zehn Prozent sind für Buchhändler schon extrem knapp, gehen sich gerade noch aus. 20 Prozent wären nicht machbar.“

Zechner argumentiert, dass die Serviceleistung der Händler und Händlerinnen für Bibliotheken um ein Vielfaches größer ist als das Tagesgeschäft einer Buchhandlung. Neben dem Rechercheaufwand spielen Beratung, Logistik (z. B. Nach- und Ergänzungslieferungen) und Kommunikation eine wesentliche Rolle bei den Bibliotheksaufträgen. Dieses Geschäft sei für Buchhandlungen zwar „extrem wichtig, um Grundumsätze zu tätigen“. Doch bei einem Rabatt von 20 Prozent würde sich der Aufwand wirtschaftlich nicht mehr lohnen.

Kann-Bestimmung, die Status quo wird

Beim Nachlass handelt sich um eine Kann-Bestimmung, weshalb ein Händler den 20-Prozent-Rabatt freilich nicht anbieten muss. Allerdings würden irgendwann Marktmechanismen greifen, so Buchhändler Zechner. „Es wird immer einen Händler geben, der ein Produkt billiger anbietet.“ In erster Linie handle es sich dabei um Unternehmen mit entsprechendem logistischem Know-how, die ihre Kosten und Preise reduzieren können, ohne dabei größere Einbußen befürchten zu müssen. „De facto ist auch die bisherige Regelung eine Kann-Bestimmung. Zehn Prozent werden immer gewährt“, sagt Zechner.

In vielen Stellungnahmen zum Entwurf werden ähnliche Sorgen und Zweifel, ob die geplante Änderung wirklich durchdacht wurde, geteilt. Von „Katastrophe“ und „Irritation“ ist die Rede. Schon jetzt müsse man, um auf dem Markt gegenüber Handelsriesen wie Amazon zu bestehen, viele Serviceleistungen günstiger bzw. kostenlos zur Verfügung stellen, schreibt eine Buchhändlerin. Wird die Rabattmöglichkeit verdoppelt, müssten künftig Bibliotheksaufträge abgelehnt werden, weil sie sich in dieser Form nicht mehr rentieren würden.

Frau mit Ebook-Reader
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Seit der Novelle 2014 fallen auch E-Books ausdrücklich unter die Buchpreisbindung

Insbesondere „die kleinen Buchhändler vom Land“, wie es in einigen Stellungnahmen heißt, fühlen vor den Kopf gestoßen. Sie erwähnen die anhaltende Teuerung, die sich negativ auf den Umsatz auswirke, weil ihre Kunden und Kundinnen kaum mehr Bücher kaufen. Der höhere Rabatt wäre aber nicht nur eine „absolute Katastrophe“ für den Buchhandel, sondern könnte auch für Bibliotheken Schattenseiten haben: Nimmt die Buchhändlerin keine Aufträge mehr an, verliere die Schulbibliothek ihren direkten Ansprechpartner.

Selbst die Arbeiterkammer (AK) äußert sich skeptisch zum Plan. Der erhöhte Rabatt für Bibliotheken könnte für „manche Buchhandelsunternehmen wirtschaftlich nur schwer verkraftbar sein“, heißt es im Kommentar der Arbeitnehmervertreter. Großen Playern mit Marktmacht würde ein erhöhter Rabatt in die Hände spielen und könnte in späterer Folge die Verhandlungsposition der Bibliotheken schmälern. Aus Sicht der Arbeiterkammer darf der Buchhandel nicht „kannibalisiert“ werden, in der Branche gebe es viele Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Ministerium: Entwurf „auf Praxistauglichkeit“ abklopfen

Gegenüber ORF.at argumentiert das Ministerium für Kunst und Kultur, dass mit der Rabattmöglichkeit von bis zu 20 Prozent das Ziel verknüpft war, gerade bei Büchereien und Schulbibliotheken mit niedrigen Auftragsbudgets „die Zugänglichkeit, Verbreitung und Bekanntheit von Büchern“ zu erhöhen. Der Nachlass sollte wiederum positive Effekte auf „die generelle Nachfrage nach Büchern“ nach sich ziehen.

Zudem sei der Vorschlag aus dem Ministerium von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) „vom Gedanken getragen“, dass jeder Euro, der bei Bibliotheken beim Kauf von Büchern eingespart wird, verpflichtend in den Ankauf neuer Bücher fließt. Dadurch würden einerseits die Folgen für den Buchhandel „überschaubar bleiben“, andererseits würde sich die Ausstattung der Bibliotheken verbessern. Im Entwurf wird auf eine solche Kaufverpflichtung allerdings nicht eingegangen.

Bücherstapel in Buchhandlung
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In Deutschland liegt der mögliche Rabatt für Bibliotheken zwischen fünf und zehn Prozent

Durch die Begutachtung soll der geplante Gesetzestext „nochmals auf seine Praxistauglichkeit“ abgeklopft werden. Im Ministerium ist man sich der Sache mittlerweile bewusst, dass die Erhöhung des möglichen Rabatts „sicherlich zu jenen Punkten gehören, die einer weiteren intensiven Prüfung und Diskussion auf Basis der Stellungnahmen bedürfen“. Mit Vertretern und Vertreterinnen der Buchbranche seien bereits Lösungen erörtert worden, die nach der Begutachtung mit dem Koalitionspartner abgestimmt würden.

Viel Einigkeit, kaum Kritik

Für die Buchbranche ist jedenfalls klar, dass jeder einzelne Rabattpunkt mehr abzulehnen ist. Dem Ministerium seien Beispielrechnungen vorgelegt worden, um die negativen ökonomischen Folgen zu untermauern: Wenn der Rabatt auf 20 Prozent steigt und das Budget der Bibliotheken für den Bücherkauf gleich hoch bleibt, würde der Buchhandel fast 40 Prozent seines Deckungsbeitrags verlieren, heißt es von der Interessenvertretung.

„Die Überlegung, den Bibliotheksrabatt auf 20 Prozent zu erhöhen, ist wohlwollend, widerspricht aber dem Sinn der Buchpreisbindung, die Vielfalt im Buchvertrieb zu stärken“, sagt Zechner. Zudem müsste das Budget für Bibliotheken erhöht werden, um den Umsatzverlust der Händler einigermaßen zu kompensieren. Seiner Ansicht nach sei das Szenario aber „äußerst unwahrscheinlich“, zudem stelle sich die Frage, wie man Bibliotheken verpflichten will, mehr einzukaufen.

In Deutschland, wo das Buchpreisbindungsgesetz später beschlossen wurde, liegt der mögliche Bibliotheksrabatt übrigens derzeit zwischen fünf und zehn Prozent. 2018 hatte die deutsche Monopolkommission der Buchpreisbindung einen „schwerwiegenden Markteingriff“ attestiert und ihre Abschaffung empfohlen. Hierzulande wurde der deutsche Bericht von NEOS aufgegriffen. Die Oppositionspartei wollte die österreichische Buchpreisbindung unter anderem evaluieren lassen. ÖVP, SPÖ, FPÖ und JETZT stellten sich 2018 hinter das Gesetz und stimmten gegen den Antrag.