Außenminister Schallenberg (ÖVP)
APA/Barbara Gindl
Schallenberg zu Ukraine-Krieg

„Lassen wir die Sanktionen wirken“

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine steht in der kommenden Woche ganz oben auf der Tagesordnung der UNO-Generalversammlung. Für Österreich wird Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) nach New York reisen. Er zeigte sich im Interview im Ö1-Mittagsjournal am Samstag überzeugt, dass der russische Präsident Wladimir Putin irgendwann ein Einsehen haben werde. Der Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach noch schärferen Sanktionen erteilt er eine Absage.

„Lassen wir die Sanktionen wirken. Wir brauchen strategische Geduld und Nervenstärke.“ Mit den bisherigen Sanktionen habe die EU bereits das stärkste Paket jemals verhängt. Es sei illusorisch zu glauben, dass Russland über Nacht nachgibt: „Ich bin überzeugt, dass die internationale wirtschaftliche Isolation jede Woche mehr wirkt und dass der russische Präsident (Putin, Anm.) irgendwann ein Einsehen haben wird.“ Es sei notwendig, „Raum für Diplomatie“ zu finden. Den gebe es aber derzeit auf keiner der beiden Seiten.

„Das ist kein Konflikt, der schnell vorbei ist.“ Die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes sei so groß wie kaum zuvor. Schallenberg: „Wir müssen alles daran setzen, dass der Krieg nicht noch weitere Kreise zieht.“ Entsprechend spricht er sich weiter gegen Flugverbotszonen aus und gegen ein direktes Eingreifen in den Krieg. Zudem betonte er, dass man die Bevölkerung Russlands nicht mit Putins Schergen gleichsetzen dürfe. Deshalb habe sich Österreich gegen einen Visabann für Russen ausgesprochen.

„Das ist ein Erpressungsversuch“

Auf eine vor allem im Winter drohende Verknappung bei der Gasversorgung betonte Schallenberg, dass Österreich auf alles vorbereitet sei. Die Abhängigkeit von russischem Gas sei von 80 auf 50 Prozent reduziert worden. Putin habe kürzlich klar den Konnex zwischen Gaslieferungen und Sanktionen hergestellt, so der Außenminister. „Das ist ein Erpressungsversuch“, hält Schallenberg wenig von Rufen nach Aufhebung der Sanktionen. „Wenn man einmal einem Erpresser nachgibt, wird er es wieder versuchen.“

Es sei „naives Wunschdenken“, dass ohne Sanktionen das Gas fließen würde, Lebensmittelexporte durchgeführt werden könnten und es keine humanitären Krisen gäbe. Man habe es mit einem Gegner zu tun, der bewusst auf Deep Fake und Desinformation setze. Es habe nie Sanktionen auf Getreide und Düngemittel gegeben, betonte der Außenminister.

Schallenberg: Von Realität eingeholt

Schallenberg gesteht zu, dass die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auch der österreichischen Bevölkerung Einschnitte durch Energieknappheit bringen und damit verbunden die Teuerung bewirken. Er zeigte sich aber optimistischer als etwa manche Politiker in Deutschland. Die Regierung versuche „massiv gegenzusteuern“. Schon die Pandemie habe gezeigt, dass „wir flexibler und resilienter sind, als wir uns zugetraut haben“.

Experten rechnen jedenfalls mit mehreren schwierigen Wintern. Auch Schallenberg erwartet eine längere Dauer des Ukraine-Krieges und entsprechende globale Auswirkungen. „Ich glaube, dass die letzten 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer eine Ausnahme waren. Wir haben gedacht, dass wir in eine neue Ära eintreten. Die Realität hat uns nun eingeholt“, sagt Schallenberg. Länder wie Russland und China fühlen sich durch das westliche System herausgefordert. Nur mehr eine Minderheit der UNO-Staaten habe „unser Gesellschaftsmodell“, aber es sei „wert, dafür zu kämpfen“. Ein Regimewechsel in Russland hingegen sei „nicht unser Ziel“.