Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
ORF
Kocher in „Pressestunde“

„Preise-runter-Forderung ist Wunschdenken“

Steigende Preise stellen Verbraucher und Unternehmen vor große Schwierigkeiten. Während Wirtschaftskammer und Industrie nach staatlicher Unterstützung rufen, mobilisiert die Gewerkschaft für Preissenkungen auf der Straße. Die Forderung nach „Preise runter“ sei „Wunschdenken“, so ÖVP-Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher in der „Pressestunde“. Die Richtlinie für den Energiekostenzuschuss für Unternehmen sei fast fertig.

Zu den am Montag beginnenden Lohnverhandlungen die Metaller sprach Kocher von einem „Signal“, das die Regierung vorab an die Kollektivvertragsverhandler gesendet hätte – in Form der Unterstützungsleistungen des Antiteuerungspakets an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Prämien können freilich kein Ersatz sein, aber eine Ergänzung, so Kocher, wichtig sei, dass die Kaufkraft erhalten bleibe.

Man solle den Populismus aber hintanstellen, sagte Kocher in Richtung der Forderung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) nach Preissenkungen. Die Forderung nach „Preise runter“ sei „Wunschdenken“, man könne nicht den Zauberstab herausholen und die Preise senken. „Das ist so wie: Ich will einen Regen haben“, so Kocher. Das könne etwa dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr anbieten können, weil sie keinen Gewinn mehr hätten.

Beginn der Lohnverhandlungen

Verweis auf betroffene Unternehmer

In diesem Zusammenhang verwies der Minister auf direkte Hilfen, steuerliche Entlastung und Gehaltserhöhungen, die es kollektiv brauche. Die Abschlüsse würden heuer aufgrund der Inflation höher sein, die Frage sei, wie hoch das gehen könne, wiederum verwies Kocher auf Unternehmer, die auch stark betroffen seien. Wenn die Löhne zu stark nach oben gehen, könnten die Unternehmen nicht bestehen, sagte der Wirtschaftsminister.

Zur ÖGB-Forderung nach 2.000 Euro Mindestlohn verwies Kocher auf die Tradition der KV-Verhandlungen, ein gesetzlicher Mindestlohn würde diese Verhandlungen „überflüssig“ machen, so Kocher. Er warb dafür, „mehr Flexibilität“ für einzelne Betriebe herauszuarbeiten, manche seien etwa von der Energiekostensteigerung stärker betroffen, er sei optimistisch, dass hier eine Lösung erarbeitet werde, so Kocher.

Konzepte gegen die Teuerung

„Reagieren darauf, wie sich die Lage entwickelt“

Bei den Haushalten habe man sich zur Abfederung der gestiegenen Energiekosten auf die Einmalzahlungen fokussiert, das gleiche für die untersten 20, 30 Prozent der Einkommensbezieher die Teuerung aus, so Kocher. „Niemand kann ausschließen, dass es noch Weiteres braucht“, man müsse „einfach reagieren darauf, wie sich die Lage entwickelt“, sagte der Minister. Doch länger durchhalten könne man dieses System nicht, hier brauche es mittel- und längerfristig EU-Regelungen.

Die Inflation sei schwer vorauszusagen, im Moment rechne man 2022 mit sieben bis acht Prozent, im kommenden Jahr sei mit einem Rückgang auf fünf bis sechs Prozent zu rechnen. Mit der Gießkanne könne man die Inflation nicht bekämpfen, das verringere den Wohnstand einer Gesellschaft, so Kocher sinngemäß. Er verwies auf die Abschaffung der kalten Progression und die Indexierung der Sozialleistungen, die 2023 in Kraft treten, damit würden die Sozialsysteme „insgesamt inflationssicherer“.

Klimabonus verteidigt

Beim Klimabonus verwies er auf eine breite Mehrheit, die diesen beschlossen hatte. Er sei eine „gute Lösung“ für den Ausgleich der CO2-Bepreisung. Dass die Regierung mit der Gießkanne arbeite, stellte Kocher in Abrede: Diejenigen, die weniger verdienen, hätten einen vollen Ausgleich, jene, die mehr hätten, bekämen auch etwas, hätten aber mehr Kosten zu tragen, so Kocher, der eine Senkung der Mehrwertsteuer für „weit weniger treffsicher“ hielt.

Diskussionen über den Klimabonus

Die Treibstoffpreise seien „hoch, aber nicht außergewöhnlich hoch“, so Kocher. Auch bewege man sich unter dem EU-Schnitt. Dennoch werde auf Antrag der Arbeiterkammer eine Preiskommission eingerichtet. Geprüft werden Preisanstiege, erweisen sie sich unverhältnismäßig im EU-Vergleich oder sie sind ungerechtfertigt, gäbe es Möglichkeiten zur Preisregulierung, so Kocher. Ein Anlass scheint derzeit aber nicht gegeben, weil man sich unter dem EU-Schnitt bewegt.

Richtlinie für Energiekostenzuschuss fast fertig

Im Juni war vom Wirtschaftsministerium ein Entlastungspaket für Unternehmen in Höhe von einer Mrd. Euro angekündigt worden, im Juli wurde das Gesetz für den Energiekostenzuschuss beschlossen. Laut Kocher sei die Richtlinie derzeit in Fertigstellung, muss aber von Brüssel auch genehmigt werden. Unternehmen sollen „wahrscheinlich ab Mitte Oktober“ Anträge für den Zuschuss stellen können, so Kocher.

Konzepte für Unternehmenshilfen

Weitere Rufe nach raschen Hilfen für Unternehmen

Gleichzeitig werden die Rufe nach Entlastungen für Unternehmen immer lauter. Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, sieht drohende „Produktionsdrosselungen und Arbeitslosigkeit in Österreich, sofern nicht konsequent und schnell entgegengesteuert wird. Die Regierung ist aufgefordert, so rasch wie möglich zu handeln und die angekündigten Hilfen auf den Weg zu bringen.“

Konkret fordert die IV eine Aufstockung des Zuschusses auf mindestens 2,5 Mrd. Euro und eine Verlängerung bis zum nächsten Jahr. Mittelfristig brauche es laut IV außerdem eine Reform des Strommarktes, bei der auch das Merit-Order-System, bei dem das teuerste Kraftwerk den Gaspreis bestimmt, weiterentwickelt werde. „Die EU-Kommission ist hier am Zug, rasch ein entsprechendes Modell vorzulegen“, so Knill.

Auch die Wirtschaftslandesräte aus Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark haben sich am Sonntag in einer gemeinsamen Aussendung für rasche Wirtschaftshilfen für alle heimischen Betriebe ausgesprochen – mehr dazu in ooe.ORF.at. Am Samstag hatte bereits die Wirtschaftskammer auf rasche Entlastungen gedrängt und die noch fehlende Richtlinie kritisiert.

AK: „Regierung hat durchaus Spielraum“

Kritik an Kocher übte die Arbeiterkammer (AK): „Die Regierung hat durchaus Spielraum, um die Preise zu senken“, teilte AK-Präsidentin Renate Anderl per Aussendung mit. Der Minister rede die Handlungsmöglichkeiten der Regierung „klein“, sie könne sehr wohl handeln – etwa im Zuge einer zeitlich befristeten Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Sie verwies dazu auf das von ÖGB und AK vorgelegte Modell. Auch die Preise für Heizöl und Treibstoff könnten reguliert werden, so Anderl.

Auch die SPÖ reagierte auf Kochers Auftritt mit Kritik: „In ganz Europa bemühen sich die Regierungen durch Regulierungen und Steuersenkungen, die Preise zu senken. Nur der österreichische Wirtschaftsminister verliert sich in kompletter Selbstaufgabe, wenn er meint, er könne nichts weiter machen, um die Preise zu senken. Jetzt nicht zu handeln und sich auf Einzelmaßnahmen auszuruhen ist grob fahrlässig und zukunftsvergessen“, kritisierte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter.

Handelsverband kritisiert „Ausschluss“

Darüber hinaus kritisierte der Handelsverband, dass der Energiekostenzuschuss für den Handel nicht gelten solle. Es sei nicht „akzeptabel, dass der Energiekostenzuschuss ganze Branchen – wie den Handel – de facto ausschließt, indem im Wesentlichen eine Anspruchsberechtigung nur dann besteht, wenn man eine Produktion unterhält“, teilte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will mit. 6.000 Geschäften drohe bis Jahresende die Schließung.