Venezolanische Migranten in Edgartown, Massachusetts
Reuters/Ray Ewing/Vineyard Gazette
Flüchtlinge verschickt

Klage gegen US-Gouverneur

Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis hat aus Protest gegen die Migrationspolitik von US-Präsident Joe Biden und – wenige Wochen vor den Midterm-Wahlen – aus parteitaktischem Kalkül zuletzt Geflüchtete per Flugzeug auf die noble US-Ferieninsel Martha’s Vineyard transportiert. Diese wehren sich nun und haben Klage gegen DeSantis eingereicht.

Die öffentlichkeitswirksam per Flugzeug nach Martha’s Vineyard gebrachten Geflüchteten werfen DeSantis und Floridas Verkehrsministerium vor, die Not schutzbedürftiger Menschen für eigene politische Interessen zu missbrauchen, wie aus einer am Dienstag bei einem Gericht in Boston eingereichten Klageschrift hervorgeht.

Die Menschen seien mit Versprechen gelockt worden, die sich bei der Ankunft als Lügen herausgestellt hätten. Gouverneur DeSantis hatte vergangene Woche unangekündigt mehrere Dutzend Geflüchtete per Flugzeug auf Martha’s Vineyard im US-Staat Massachusetts bringen zu lassen. Sie ist als nobler Ferienort bekannt.

Die Menschen waren vom US-Staat Texas aus über Florida auf die Insel geflogen worden. DeSantis behauptete, dass sie ausgewählt worden seien, weil sie eigentlich von Texas aus nach Florida hätten kommen wollen.

„Verzweifelter Versuch, Gewalt zu entkommen“

Das Leben der Geflüchteten sei „von Gewalt, Instabilität, Unsicherheit und Vertrauensmissbrauch durch korrupte Regierungsbeamte geprägt“ gewesen, wie es sich die meisten Amerikaner kaum vorstellen könnten, heißt es in der Klageschrift. Ihre Flucht in die USA sei der „verzweifelte Versuch, sich und ihre Familien vor Banden-, Polizei-und staatlich geförderter Gewalt und der Unterdrückung politisch Andersdenkender zu schützen“. Sie verdienten genauso viel Würde und Mitgefühl wie jeder andere.

Zuvor hatte ein texanischer Sheriff eine Untersuchung des Falles angekündigt. „Ich glaube, dass jemand von außerhalb unseres Staates kam und auf diese Menschen Jagd machte und sie mit Versprechungen eines besseren Lebens lockte“, sagte der demokratische Polizeichef von Bexar County, Javier Salazar, am Montag. „Soweit wir wissen, wurden 48 Migranten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einem mehrtägigen Aufenthalt in einem Hotel gelockt.“ Dann seien sie per Flugzeug weggebracht worden.

Floridas Gouverneur Ron DeSantis
Reuters/Octavio Jones
Ron DeSantis gilt als Hardliner und möglicher Präsidentschaftskandidat

Scharfe Kritik des Weißen Hauses

Die US-Regierung hatte das Vorgehen scharf kritisiert und als „unmenschlich“ bezeichnet. DeSantis hingegen kündigte an, dass es weitere Aktionen geben solle. Auch andere republikanische Gouverneure hatten in den vergangenen Monaten in großer Zahl Geflüchtete in demokratisch geprägte Regionen des Landes geschafft – aus Protest gegen die Migrationspolitik der Regierung von Präsident Joe Biden, einem Demokraten.

So ließ der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, zwei Busse voller Migranten und Flüchtlinge in die Nähe der Residenz von US-Vizepräsidentin Kamala Harris in der Hauptstadt Washington bringen.

Wahltaktischer Erfolg

DeSantis und Abbott machten klar, dass sie die Transporte fortsetzen wollen. Sie sagen, dieses Vorgehen sei nötig, um die Aufmerksamkeit auf die Lage an der Grenze zu Mexiko zu lenken. Dort kommen täglich Tausende Menschen illegal ins Land. Wenige Wochen vor den Midterm-Wahlen gelingt es ihnen damit aber auch, ein für die Mobilisierung der republikanischen Wählerschaft wichtiges Thema ins Zentrum zu rücken – und gleichzeitig das für sie heikle Thema Abtreibung an den Rand zu drängen.

Eine Mehrheit der US-Bevölkerung lehnt radikale Abtreibungsverbote, wie sie von den Republikanern in einigen Bundesstaaten infolge der Aufhebung des Grundsatzurteils „Roe v. Wade“ durch das Höchstgericht bereits umgesetzt oder geplant sind, ab.

Das Vorgehen der Republikaner erinnert zumindest in Europa wohl viele an das Vorgehen von Belarus. Das dortige Regime hatte Flüchtlinge und Migranten, die es zuvor teils mit dem Versprechen, sie könnten so nach Europa gelangen, nach Belarus gelockt und diese dann an die Grenze zu Polen gebracht, um so die EU politisch unter Druck zu setzen. Damit wollte sich Machthaber Alexander Lukaschenko nicht zuletzt für die europäische Unterstützung der Protestbewegung in seinem Land rächen.