Schauspieler Harry Styles und Florence Pugh in einer Szene aus dem Film Don’t Worry Darling
© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.
„Don’t Worry Darling“

Mit Pugh und Styles ins trügerische Idyll

Nach Gerüchten um angebliche Feindseligkeiten und Spuckskandalbehauptungen rund um die Präsentation beim Filmfestival Venedig kommt Olivia Wildes Film „Don’t Worry Darling“ jetzt ins Kino. Die Fans können aufatmen: Popsuperstar Harry Styles und Florence Pugh machen ihre Sache ziemlich gut, auch wenn das Drehbuch die eine oder andere Lücke aufweist.

Schön sein, fröhlich sein und das Haus in Ordnung halten, mehr hat Hausfrau Alice (gespielt von „Midsommar“-Star Florence Pugh) nicht zu tun. Da bleibt genug Zeit, um nachmittags bei harten Drinks mit den Nachbarinnen Klatsch auszutauschen, sich bei Modeschauen neu einzukleiden, und abends reihum Cocktailpartys zu feiern. In Victory, Kalifornien, einer kleinen, blitzblanken Industriesiedlung mitten in der felsigen Wüste, sind die Vorgärten alle ordentlich und die Welt ist sehr überschaubar.

Alice ist mit ihrem hart arbeitenden Ehemann Jack Chambers (Harry Styles) erst kürzlich hierhergezogen. Die Frühstücke, Abende und leidenschaftlichen Nächte mit ihm sind ein einziger Traum, die Tage verbringt sie in heiter-stupidem Einerlei mit Fensterputzen und Badewannenschrubben, während er am „Victory Project“ arbeitet, einer offenbar unterirdischen Produktionsstätte, deren genauer Zweck den Frauen verschwiegen wird, und die der Anlass für den Bau der Kleinstadt war.

Heile Welt mit Abgründen

„Don’t Worry Darling“ ist eine sorgfältig inszenierte Gesellschaftsdystopie und die zweite Regiearbeit der Schauspielerin Wilde, die hier als Alices beste Freundin Bunny auftritt, als scharfzüngige Nachbarin mit Rabaukenkindern. Wildes Regiedebüt war 2019 die sympathisch-verschrobene Komödie „Booksmart“, rund um zwei High-School-Schülerinnen, die kurz vor ihrem Abschluss feststellen, dass sie vor lauter Strebsamkeit den ganzen Spaß ihrer Teenager-Zeit verpasst haben.

Innerhalb kürzester Zeit bemühen sich die Schülerinnen, alles Versäumte nachzuholen, was in unterschiedlichen witzigen, erotischen, herzzerreißenden und surrealen Episoden resultiert. Der zweite Film ist im Tonfall völlig anders, nach einem Script der Brüder Carey und Shane Van Dyke, das 2019 auf der „Blacklist“ der begehrtesten Drehbuchprojekte war, und von „Booksmart“-Koautorin Katie Silberman für Wilde überarbeitet wurde.

Frau putzt eine Badewanne, Szene aus dem Film Don’t Worry Darling
© 2022 Warner Bros. Entertainment Inc.
Gefangen wie ein Goldfisch im Glas: Alice (Florence Pugh) beim Putzen des Traumhauses

Das fröhliche 50er-Jahre-Idyll ist natürlich nicht für bare Münze zu nehmen, wie auch Alice bald feststellt: Ihre Nachbarin Margaret (KiKi Layne) ist seit einem Ausflug in die Wüste nicht mehr dieselbe, und „Victory Project“-Boss Frank (Chris Pine) führt sich weniger wie ein normaler Chef, sondern eher wie ein Sektenführer auf. Doch anstatt Alice mit ihren Zweifeln ernst zu nehmen, biedert sich Jack nur noch mehr an Frank und die heile Welt an, die dieser für seine Mitarbeiter bereitstellt. Bis Alice genug hat – und dann geschieht die Katastrophe.

Gefangen im „Weiblichkeitswahn“

Einige der Vorbilder für „Don’t Worry Darling“ liegen auf der Hand, angefangen bei den beiden Verfilmungen von Ira Levins Roman „Die Frauen von Stepford“, auch Jordan Peeles „Get Out“ ist vom Konzept – reaktionäres Vorstadtidyll mit Horroruntiefen – verwandt. Ein wichtiger Einfluss ist aber noch älter, nämlich Betty Friedans feministischer Klassiker „Der Weiblichkeitswahn“ aus dem Jahr 1963, in dem sie das Unbehagen von Hausfrauen als gesellschaftliches Problem entlarvte. Als „‚Weiblichkeitswahn‘ auf LSD“ bezeichnete Wilde das Drehbuch auch in Interviews.

Worauf Wilde offensichtlich großen Wert legte, war auch die Inszenierung des leidenschaftlichen ehelichen Sex zwischen Alice und Jack. Die Kompromisslosigkeit, mit der Jack in einer der ersten Szenen den fürs Dinner gedeckten Tisch leerfegt, um Alice darauf oral zu befriedigen, ist selten geworden im Gegenwartskino, Wilde zitierte dafür als Inspiration Adrian Lyne, jenen Regisseur, der die 80er Jahre mit Filmen wie „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „9 1/2 Wochen“ zum Prickeln brachte.

Das Problem des Films ist nicht das gesellschaftspolitische Unterfutter, das ist solide genug, mitsamt Wildes Hinweis, die Frank-Figur im Film sei inspiriert vom rechtspopulistischen Psychologen und Publizisten Jordan Peterson, den sie als „pseudointellektuellen Helden der ‚Incel-Gemeinschaft’“ bezeichnete. Der englische Begriff „Incel“ setzt sich aus „involuntary“ und „celibate“ zusammen und bezeichnet vorwiegend Männer, die aus ihrer Sicht „unfreiwillig zölibatär“ leben und Hass auf Frauen sowie auf sexuell aktive Männer entwickeln.

Schwierigkeiten bereiten eher die Haken und Ösen des Drehbuchs, die an manchen Stellen nicht so recht zusammenpassen wollen – die Löcher im Drehbuch zu entdecken, schadet nur dem Spaß am großen Geheimnis, das hinter dem „Victory Project“ steht.

Keine Sorge, niemand hat gespuckt

Schwierig ist auch die in die Vogelperspektive verliebte Kamera, die unvermittelt auftauchenden schwarzweißen Bilder der Protagonistinnen in symmetrischen Ballettformationen und das allzu lyrische Tempo, das den aufkeimenden Horror immer wieder abbremst. Was Wilde und der Film bei aller Kritik aber keinesfalls verdient haben, ist die fast kampagnenartige, großteils völlig alberne Berichterstattung und Social-Media-Aufregung über angebliche und reale Konflikte hinter den Kulissen.

Dass der ursprünglich als Jack besetzte Shia LaBeouf entweder unabkömmlich war oder wegen seines Verhaltens gegenüber Pugh gefeuert wurde – die Versionen divergieren – ist jedenfalls kein Verlust. Dass Hauptdarstellerin Pugh, charismatisches Zentrum des Films, wenig Freude daran hatte, dass der ursprüngliche Filmtrailer vor allem mit Sexszenen arbeitete, mag sein, doch wie groß der kolportierte Streit deswegen tatsächlich war, wissen nur Pugh und Wilde.

Schauspielerinnen Florence Pugh und Olivia Wilde in einer Szene aus dem Film Don’t Worry Darling
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Bunny (Olivia Wilde) ist für Alice nicht die Verbündete, die sie sich erhoffte

Offenbar haben sich außerdem Styles-Fans Wilde als Feindbild erkoren. Dass Wilde und Styles bei dem Dreh eine romantische Beziehung begonnen hatten, die sich schon oder nicht mit deren vorheriger Beziehung zu Jason Sudeikis überschnitten hatte, dürfte damit zumindest lose in Zusammenhang stehen. Und ja, da war noch die hanebüchene Behauptung, Styles habe bei der Pressekonferenz zur Weltpremiere in Venedig vor laufenden Kameras seinen Kollegen Pine angespuckt.

Teppichanalysen und Fanfeindbilder

„Ich war nur schnell nach Venedig geflogen, um auf Chris Pine zu spucken“, witzelte Styles bei einem Konzert in New York ein paar Tage nach der Premiere, Pines Sprecher hatte die Affäre da schon längst dementiert. All das ist seither bei allen Auftritten des Filmteams jedenfalls Anlass für detaillierte Analysen, wer wann wo neben wem auf Fotos, bei Pressekonferenzen und auf roten Teppichen zu sehen war, und lenkt vom Eigentlichen ab.

Der große Wurf ist „Don’t Worry Darling“ nicht geworden. Besonders am Schluss kommt der Film ins Stolpern, wie es leider oft passiert, wenn ein Film mit einer drastischen Wendung alles Vorhergegangene erklärt, und dem Publikum dabei zu sehr das Denken abnimmt. Ein Jammer wäre es aber, wenn Wilde wegen der ärgerlichen Berichterstattung nicht ein nächstes Projekt in Angriff nehmen könnte. Sie hat bestimmt noch viel zu erzählen.