Nationalratssitzung
ORF.at/Lukas Krummholz
Nationalrat

Harte Bandagen bei Teuerungsdebatte

Das neue Parlamentsjahr hat am Mittwoch recht hitzig begonnen. Die Aktuelle Stunde der SPÖ zu Auswirkungen der Inflation auf Pensionistinnen und Pensionisten wurde zu einer Debatte mit harten Bandagen. Mehrere Ordnungsrufe wurden erteilt. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) kritisierte die Aussagen der SPÖ schwer: Es sei „frivol“ zu behaupten, dass die Zahlungen der Regierung nichts nutzen würden.

Die Regierung beschließe nur Einmalzahlungen, statt die Teuerung zu bekämpfen, warf SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch ÖVP und Grünen vor. „Ihre Politik (…) ist falsch“, so Muchitsch. Er wies in seiner Rede auch auf die Tirol-Wahl hin. „Sie werden am Sonntag so richtig eine auf den Deckel bekommen und das haben Sie sich auch verdient mit der Politik, die Sie betreiben“, so Muchitsch auch in Richtung ÖVP.

Auch in Sachen Pensionen kritisierte Muchitsch die Regierung: Sie beschütze Krisengewinner, statt den Menschen zu helfen. Aus SPÖ-Sicht müsste die Berechnung für die gesetzliche Pensionserhöhung geändert werden, indem die Inflationsrate von Jänner bis Dezember herangezogen wird. Heuer wären das voraussichtlich 8,4 Prozent – „das ist notwendig und das ist leistbar“. Derzeit gilt der Zeitraum August bis Juli.

Josef Muchitsch (SPÖ) kritisiert die Regierung

Rauch: In welcher Welt leben Sie?

Rauch will bei der Pensionserhöhung aufs Budget achten. Mit den Aussagen der SPÖ ging er hart ins Gericht. Es sei aufgrund der internationalen Faktoren eine „vollkommene Illusion“ zu glauben, die österreichische Regierung allein könne es schaffen, Inflation und Teuerung zu bekämpfen. Nur von Einmalzahlungen zu reden, „halte ich für etwas frivol“, so Rauch.

Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) kontert die Kritik

Außerdem und „noch frivoler“ sei es zu behaupten, dass diese einer Alleinerzieherin oder einem Pensionisten nichts nutzen. „In welcher Welt leben Sie?“, so Rauch Richtung SPÖ. Die Beträge ermöglichten es, die Rechnungen zu zahlen, „das ist Soforthilfe“. Zudem würden Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe künftig wertangepasst – was kein roter Sozialminister zusammengebracht habe, wie Rauch sagte.

Wohl mehr Erhöhung für kleinere Pensionen

Die Erhöhung der Pensionen müsse natürlich in einer Höhe stattfinden, die die Inflation abgelte. Gesetzlich wären das 5,8 Prozent, die Forderung der Pensionistvertretungen sei bekanntlich höher, und die Gespräche seien im Laufen, so Rauch.

Erneut ließ der Minister durchblicken, dass die Steigerung für kleine Pensionen höher ausfallen dürfte. Acht bis zehn Prozent Erhöhung würden allerdings strukturell im Budget 4,5 Milliarden Euro ausmachen, und es sei auch Verantwortung der Regierung, auf den Haushalt zu achten, so Rauch.

August Wöginger (ÖVP) verteidigt die Maßnahmen

Sobotka erteilte Ordnungsrufe

ÖVP-Klubobmann August Wöginger stieß ins selbe Horn wie Rauch. „Die Pensionistinnen und Pensionisten können sich auf diese Bundesregierung verlassen“, so Wöginger. Unter roten Bundeskanzlern sei die Anpassung der Pensionen nicht so üppig gewesen. Wöginger verwies dabei auf das rot regierte Wien und die dortigen Gebührenerhöhungen, für die „der Sheriff von Nottingham, der Bürgermeister (Michael, SPÖ, Anm.) Ludwig“ verantwortlich sei.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Österreichweit und in den Bundesländern gibt es Anlaufstellen, die Rat und Unterstützung im Krisenfall anbieten.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

SPÖ-Mandatarin Eva Maria Holzleitner kritisierte ebenfalls die Regierung. Sie verwies dabei etwa auf einen Fall vergangenes Wochenende in Graz, wo ein 75-jähriger Mann zuerst seine 71-jährige Ehefrau und anschließend sich selbst erschossen haben soll – „aus Not“, meinte Holzleitner. Menschen würden sich das Leben nehmen, weil die Bundesregierung nicht reagiere, kritisierte sie die Koalition. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der im Zuge der Debatte gleich mehrmals Ordnungsrufe erteilte, bat dringend darum, „sich zu mäßigen“, sowohl am Rednerpult als auch in den Abgeordnetenreihen.

FPÖ: Einmalzahlungen „verpuffen sofort“

Auch FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch kritisierte die Regierung in Sachen Sanktionen. Auch hier ging es mit Ordnungsrufen weiter. Die Sanktionen gegen Russland müssten beendet werden, denn sie schadeten nur der heimischen Bevölkerung, aber das zu sagen sei die Regierung „zu feig“. Die Einmalzahlungen „verpuffen sofort“.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) kritisiert die Maßnahmen

Und bei der Pensionserhöhung agiere eine „wild gewordene Jugendstaatssekretärin“ gegen die „Generation, die unseren Wohlstand erarbeitet hat“, kritisierte Belakowitsch Jungendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP). Plakolm hatte sich mehrmals gegen starke Pensionserhöhungen ausgesprochen. Das sei der Jugend gegenüber nicht gerecht. „Der Steuerzahler, der das bezahlt, ist noch nicht einmal geboren“, so Plakolm etwa Anfang Jänner.

NEOS zu SPÖ: „Purer Klientelismus“

Belakowitsch wurde indes von den Grünen kritisiert. „Mit Ihrer Politik machen Sie den Kontinent kaputt.“ „Letztklassig“ sei es zu behaupten, dass es der Bevölkerung hier durch die Sanktionen schlechter gehen sollte, während täglich in der Ukraine Menschen sterben, so die grüne Abgeordnete Bedrana Ribo Richtung FPÖ.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte die SPÖ schwer. Sie verstehe nicht, warum die SPÖ nur über Pensionisten reden wolle, aber nicht über die Arbeitnehmer – das sei „purer Klientelismus“. Aus NEOS-Sicht müsse man die Steuern und Lohnnebenkosten senken.

Beate Meinl-Reisinger (NEOS) kritisiert auch die SPÖ

Schlagabtausch über Russland-Sanktionen

An den Russland-Sanktionen rüttelte wie zuvor seine Parteikollegin Belakowitsch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl in der darauffolgenden Aktuellen Europastunde. Er warnte vor „Mangelwirtschaft a la DDR“. Es drohe die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, so Kickl, der das Vorgehen der Regierung im Einklang mit der EU als erbärmlich wertete.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ließ das nicht gelten. Man müsse für Wohlstand und Sicherheit im Land sorgen, gleichzeitig aber eine klare Haltung gegen den Völkerrechtsbruch Russlands einnehmen. „Hören Sie auf, die österreichische Gesellschaft zu spalten!“, rief sie Kickl zu.

Kurz unterbrochen wurde die Debatte durch ein Grüppchen Umweltaktivisten und Umweltaktivistinnen von „Extinction Rebellion“. In Flugblättern, mittels Gesang und eines Transparents verlangten sie auf der Besuchertribüne die Umsetzung der Empfehlungen des Klimarats.

Sechs Volksbegehren in „erster Lesung“

Der Nationalrat behandelte am Mittwoch sechs Volksbegehren in „erster Lesung“, bevor sie an die zuständigen Fachausschüsse weitergereicht wurden. Debattiert wurden neben dem „Rechtsstaat- und Antikorruptionsvolksbegehren“ Initiativen zur Verhinderung von Tierleid bei Schlachtviehtransporten, für ein bedingungsloses Grundeinkommen und zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Außerdem widmen sich zwei ebenfalls erfolgreiche Initiativen dem Protest gegen die inzwischen abgeschaffte Covid-19-Impfpflicht.

Die Grünen warben erneut für die geplante Reform für Weisungen an Staatsanwältinnen und -anwälte, die ÖVP gibt sich nach wie vor zurückhaltend. Das „Rechtsstaat- und Antikorruptionsvolksbegehren“ war eine jener Initiativen, die im Mai die Hürde von 100.000 Unterschriften genommen hatten und deshalb im Parlament behandelt werden müssen. Darin wird etwa auch eine politisch unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft gefordert. Die von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe hatte zuletzt in ihrem Endbericht vorgeschlagen, dass ein bis zwei Dreiersenate für Weisungen an Staatsanwälte zuständig sein sollen und das Weisungsrecht der Justizministerin abgeschafft werden soll.

SPÖ und NEOS für Umsetzung

Die Weisungsspitze solle unabhängig von der Politik, aber nicht frei von Kontrolle sein, so die grüne Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. „Ein Hineinregieren der Politik in staatsanwaltschaftliche Behörden soll nicht mehr möglich sein.“ Grundsätzlich diskussionsbereit zeigte sich Christian Stocker von der ÖVP. Die Kontrolle des Parlaments rauszunehmen, dem könne er aber nichts abgewinnen, und es könne auch nicht sein, dass Bundesministerin Alma Zadic ihre ganze Verantwortung abgebe.

„Lasst uns die Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe umsetzen“, appellierte Johannes Margreiter von NEOS, damit könne man einen „extrem wichtigen Damm gegen Korruption aufbauen“. Die SPÖ stehe hinter dem Volksbegehren, so auch deren Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, dass Politikerinnen und Politiker die Gesetze und Gerichtsentscheidungen mit Vorbildwirkung beachten, und zudem das „Recht auf saubere und transparente Verwaltung“. Die Freiheitlichen wollen keinen Bundesstaatsanwalt, so FPÖ-Mandatar Philipp Schrangl.