Heinz Faßmann und Christof Gattringer
ORF.at/Lukas Krummholz
Neues Budget

Status quo für Forschung „Rückschritt“

Die laufenden Budgetverhandlungen werfen seit Wochen ihre Schatten voraus. Wegen der anhaltend hohen Inflation „klopft“ auch die außeruniversitäre Forschung bei der Politik an. Es geht nämlich bereits um ihr Budget für die Jahre 2024 bis 2026. Sollte nur der Status quo beibehalten werden, so die Argumentation, wäre das ein „Rückschritt“.

Ähnlich wie die Universitäten erhalten auch die zehn Forschungs- und Forschungsförderungseinrichtungen ihre finanziellen Mittel aus der öffentlichen Hand für drei Jahre. Geregelt ist der FTI-Pakt (Forschung, Technologie und Innovation) im Forschungsfinanzierungsgesetz. Darin ist von einer „langfristigen, wachstumsorientierten Planungs- und Finanzierungssicherheit“ die Rede. Für die Periode 2021–2023 wurden unter ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann rund 3,8 Milliarden Euro budgetiert – eine Steigerung von 27 Prozent.

Heute ist Faßmann kein Regierungspolitiker mehr, sondern Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die zum Großteil aus dem FTI-Pakt finanziert wird. „Eine reine Anpassung an die kumulative Inflation ist mit Sicherheit zu wenig. Das bedeutet Status quo, und in der Forschung heißt Status quo eigentlich Rückschritt“, so Faßmann im ORF.at-Gespräch. Würde das Budget geringer ausfallen, könnten zum Beispiel Verträge nicht mehr verlängert werden. Das betreffe in erster Linie junge Menschen, die befristet angestellt sind.

„Deutlich“ mehr als Inflationsausgleich

Für das Jahr 2023 muss die außeruniversitäre Forschung mit dem noch laufenden Budget auskommen. Wie viel Mittel den zehn Einrichtungen in den drei darauffolgenden Jahren zur Verfügung stehen, ist Thema bei den Budgetverhandlungen. Ob eine ähnliche Anhebung wie in der Vorperiode möglich ist, dürfe angesichts der vielen Hilfszahlungen im Zuge der Coronavirus-Pandemie und der Teuerung (z. B. Energiepreise) fraglich sein. Klar ist, dass die Liste an Forderungen und Wünschen nicht kürzer werden wird.

„In diesem Konzert der Stimmen, die alle jetzt berechtigt nach Mitteln rufen, muss auch auf die Forschung und Wissenschaft gehört werden“, sagt der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Christof Gattringer im ORF.at-Gespräch. Der renommierte Teilchenphysiker warnt wie sein Kollege Faßmann vor Rückschritten, sollte der finanzielle Spielraum enger gezurrt werden. Die Erhöhung des FTI-Pakts müsse „deutlich“ mehr als ein Inflationsausgleich sein. Ansonsten müssten etwa bei Förderzusagen für Forschungspläne Abstriche gemacht werden.

Heinz Faßmann und Christof Gattringer
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Faßmann und Gattringer wollen daran erinnern, dass die Investition in die Zukunft ebenfalls wichtig ist

Der Wissenschaftsfonds FWF greift wie beispielsweise die Österreichische Akademie der Wissenschaften, das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) und die Christian Doppler Forschungsgesellschaft finanziell auf den FTI-Pakt zurück. Gesetzlich müssen sich daran die Ministerien Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie beteiligen. Sie legen auch – „im Einvernehmen“ – mit dem Bundeskanzler und dem Finanzminister den FTI-Entwurf vor und verhandeln mit den zehn außeruniversitären Forschungs- und Forschungsförderungseinrichtungen, wer wie viel vom Kuchen abbekommt.

Akademie

Die ÖAW ist die größte grundlagenorientierte, außeruniversitäre Forschungsinstitution in Österreich. Sie wird großteils durch die öffentliche Hand finanziert. Heute betreibt die Akademie 25 Institute, etwa in den Bereichen Archäologie, Demografie und Quantenphysik.

Zukunftsvergessenheit „gefährlich“

Sowohl Faßmann als auch Gattringer wollen ihren Vorstoß weniger als Ansage an den Finanzminister bzw. die anderen Ressortchefinnen und -chefs sehen, sondern vielmehr als Erinnerung an die Zukunft. „Die Politik löscht derzeit viele Brände und versucht durch entsprechende finanzielle Ressourcen einen sozialpolitischen Frieden zu wahren“, sagt Faßmann. Dennoch sollte die Politik auch „ein bisschen Löschwasser für die Zukunft aufheben“. Die Gegenwartskonzentration sei angesichts der Krisen richtig, eine Zukunftsvergessenheit aber „gefährlich“.

Gemeint ist freilich neben dem Forschungsbudget 2024–2026 die unter ihm schon 2020 ausverhandelte FTI-Strategie 2030. Das Papier legt die Schwerpunkte der außeruniversitären Forschung und Förderungen fest. So will man zum internationalen Spitzenfeld aufschließen, Projekte für den Klimaschutz stärken und vermehrt auf Wissen, Talente und Fertigkeiten setzen. Zur Halbzeit dieser zehnjährigen FTI-Strategie sollen die bisherigen Fortschritte extern evaluiert werden.

Christof Gattringer
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Rund 70 Prozent der Forschenden, die vom FWF gefördert werden, seien 35 Jahre oder jünger, sagt Gattringer

„Als Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und -förderer möchten wir Bewusstsein schaffen, dass Österreich wohl nicht mit Rohstoffen wird punkten können, wohl aber mit Wissen und einer gut ausgebildeten Gesellschaft“, sagt Gattringer. Man habe Verständnis dafür, dass gerade Geringverdienenden geholfen werden muss, um über die Runden zu kommen, so Faßmann. „Die Wissenschaft und die Forschung dürfen dabei jedoch nicht vergessen werden.“

Dass mit Faßmann nun eine Person am Verhandlungstisch sitzt, die vor wenigen Monaten noch eine Regierungsfunktion innehatte, schade wahrscheinlich nicht, meint Gattringer. Wichtiger sei aber, dass man einen gemeinsamen Ansatz teile: „Wir sprechen über ein System, in dem alle Player gut zusammenarbeiten müssen. Dieses gemeinsame Verständnis hilft uns, den Forschungsbereich gut aufzusetzen.“

Wissenschaftsfonds FWF

Der Wissenschaftsfonds FWF ist die zentrale Einrichtung in Österreich zur Förderung der Grundlagenforschung. Neben einzelnen Forschungsprojekten fördert der FWF auch größere Spezialforschungsbereiche und hoch qualifizierte Forscher bzw. Forscherinnen.

Öffnungsklausel im Budget?

Wie die Universitäten stehen die ÖAW, FWF und Co. vor einem starren Dreijahresbudget. Einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt beschlossen, kann der Finanzrahmen wohl nur noch schwer aufgebrochen werden. Die Universitätenkonferenz pochte bereits auf Zuschüsse, um drohende Budgetlöcher zu stopfen. Die dreijährige Periode der Universitäten endet erst 2024, sie müssen mit den bereits 2020 beschlossenen Mitteln also noch länger haushalten als die außeruniversitären Forschungsförderungs- und Forschungseinrichtungen.

Die Regierung ging Jahr 2020 von einer Inflation von durchschnittlich zwei bis drei Prozent aus. „Dass sie heute bei fast neun Prozent liegt, konnte keiner ahnen, zeigt aber, wohin wir wollen“, sagt Ex-Minister Faßmann. Trotz der Starrheit hält er am Dreijahreskonzept fest. Dieses Instrument schaffe eine „gewisse Planungssicherheit, für drei Jahre besteht ein Kürzungsverbot“, sagt Faßmann. Gattringer stimmt dem zu: „Wir haben im Rahmen der Exzellenzinitiative große Flagship-Projekte gestartet, die langfristig abgesichert werden müssen.“

Heinz Faßmann
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Faßmann kann sich bei Leistungsvereinbarungen, die für drei Jahre abgeschlossen werden, eine Öffnungsklausel vorstellen

Beide Wissenschaftler könnten sich für künftige Finanzierungs- und Leistungsvereinbarungen allerdings eine Öffnungsklausel vorstellen. Übersteigt beispielsweise die Inflation in den kommenden Jahren einen bestimmten Wert, soll nachverhandelt werden. „Dann könnte man im Notfall Geld nachschießen, dass die großen Projekte nicht plötzlich stillstehen“, sagt Gattringer und schielt bereits auf die Lohnverhandlungen, die sich auch auf das aktuelle Budget auswirken.

Forschung hat Rückhalt in der Bevölkerung

Neben der aktuellen budgetären Zuwendung war in den vergangenen Jahren allen voran die Wissenschaft bzw. Forschung selbst in den Fokus geraten. Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020 sind Fachleute kaum mehr aus dem Alltag wegzudenken. Insbesondere in sozialen Netzwerken machte sich aber schnell eine Wissenschaftsskepsis breit, die schnell auch in Hass umschlug. Deshalb will die ÖAW eine Anlaufstelle einrichten, um angefeindete Forscher und Forscherinnen psychologisch und rechtlich zu unterstützen.

Der Rückhalt der Bevölkerung sei der Forschung ein Anliegen, „er ist auch notwendig. Ich glaube aber, trotz einiger Skeptiker, dass die Wissenschaft diesen Rückhalt auch hat“, sagt Faßmann. Gattringer ergänzt, dass Wissenschaft immer ein „Prozess organisierter Kritik“ sei. Selbst lerne man durch Forschungsergebnisse täglich dazu. „Wir haben das Budget für die Wissenschaftskommunikation verdoppelt. Aber es gibt immer Luft nach oben.“