Der indische Premierminister Narendra Modi, der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping
APA/AFP/Sputnik/Mikhael Klimentyev
Türkei, Indien, China

Putin riskiert Rückhalt bei Verbündeten

Die Teilmobilmachung und vor allem die indirekte Drohung von Nuklearschlägen ist für Russlands Präsident Wladimir Putin nicht nur innenpolitisch und militärisch ein riskantes Manöver, sondern auch geostrategisch. Die großen Verbündeten Indien und China fanden nämlich zuletzt Worte, die als Distanzierung gedeutet wurden. Allzu deutliche Worte fand die türkische Führung.

Die Türkei, allen voran Präsident Recep Tayyip Erdogan, hatte sich in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem als Vermittler im Ukraine-Krieg betätigt. Die Übereinkunft, Getreide aus der Ukraine per Schiff zu exportieren, kam auf türkische Vermittlung zustande. Auch ein Gefangenenaustausch wurde von der Türkei, immerhin NATO-Mitglied, vermittelt.

Das Verhältnis zwischen Ankara und Moskau gilt zwar als schwierig, doch gibt es zumindest eine Kommunikationsbasis zwischen Erdogan und Putin, wie auch zuletzt bei Treffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im usbekischen Samarkand.

Scharfe Töne aus Ankara

Doch zuletzt schlug die Türkei weit schärfere Töne an: Die angekündigten „Referenden“ in Gebieten der Ost- und Südukraine über einen Anschluss an Russland verurteilte das Außenministerium in Ankara als „illegitim“. Diese Schritte zur Schaffung „vollendeter Tatsachen“ würden von der internationalen Gemeinschaft „nicht anerkannt“ werden. Die Türkei hatte auch nie die russische Annexion der Krim-Halbinsel im Jahr 2014 anerkannt, der ebenfalls ein „Referendum“ vorausgegangen war.

Gegenüber dem US-Sender PBS pochte Erdogan am Montagabend auf die Rückgabe der von Russland besetzten Gebiete an die Ukraine – auch der Krim. „Wenn in der Ukraine ein Frieden hergestellt werden soll, wird natürlich die Rückgabe des besetzten Landes wirklich wichtig. Das wird erwartet“, sagte Erdogan.

Indien als wirtschaftlicher Nutznießer

Indien wiederum hatte sich im Konflikt bisher neutral verhalten, Moskau also auch nicht für den Krieg kritisiert. Das Land gilt gewissermaßen als Nutznießer der Wirtschaftssanktionen gegen Russland: Statt nach Europa liefert Moskau nun vermehrt Öl nach Indien – zu recht günstigen Preisen. Die Liefermenge hatte sich im Sommer im Vergleich zu vor dem Krieg verfünfzigfacht.

Der Eindruck, dass Indien diese wirtschaftlichen Vorteile nutzt und damit an der Seite Russlands steht, hatte sich in den vergangenen Monaten gefestigt. Bei dem SCO-Treffen in Samarkand sagte Premierminister Narendra Modi jedoch, jetzt sei „nicht die Zeit für einen Krieg“.

Langsame Abkopplung Indiens?

Internationale Beobachter und auch Medien, etwa „New York Times“ und das Magazin „Foreign Affairs“, interpretierten das als deutliche Distanzierung Indiens von Russland und führen gleichzeitig an, dass sich Modi mit einem dichten Besuchsprogramm zuletzt stärker an Europa und die USA angenähert habe.

Schon im August hatte Indien in der Ukraine-Frage zum ersten Mal gegen Russland gestimmt und sich für eine Einladung an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgesprochen, per Video vor dem UNO-Sicherheitsrat zu sprechen. In „Foreign Affairs“ schreibt der indische Politologe von einer langsamen, aber stetigen Abkopplung Indiens von Russland. Rasche Schritte seien dabei nicht zu erwarten, aber die subtilen Gesten seien eindeutig.

Aufruf zum Dialog aus Peking

Bei Russlands noch wichtigerem Verbündeten China sind es auch die sprachlichen Nuancen, denen viel Gewicht beigemessen wird – und da klang die Reaktion aus Peking nach Experteneinschätzung schon recht distanziert.

Chinas Außenminister Wang Yi rief Russland und die Ukraine vor dem UNO-Sicherheitsrat zur Aufnahme von Friedensgesprächen ohne Vorbedingungen auf. „Dialog und Verhandlungen“ seien der einzige Weg, den Konflikt zu beenden, sagte Wang am Donnerstag in New York. „Alle Anstrengungen, die zur Lösung der Krise beitragen könnten, sollten unterstützt werden.“ Jede Form von „heißem Krieg oder neuem Kalten Krieg“ müsse verhindert werden.

„Zurückhaltung“ gefordert

Wang forderte, dass die territoriale Integrität aller Länder respektiert sowie die Prinzipien der UNO-Charta eingehalten werden müssten. Er forderte die Beteiligten zur „Zurückhaltung“ auf – verurteilte das befreundete Russland aber wie bisher auch nicht direkt für den Angriffskrieg auf die Ukraine.

Ähnlich hatte sich zuvor der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, am Donnerstag kurz zu Putins neuer Eskalation geäußert. Es müsse so schnell wie möglich eine Lösung gefunden werden, „die den legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien Rechnung trägt“. Mit diesen Worten verließ China zwar seine Haltung in dem Konflikt nicht, fand aber dennoch recht deutliche Worte gegen eine Eskalation.

Nukleare Option als rote Linie?

Dennoch bleibt die Frage, wie China auf die nukleare Drohung Russlands reagiert oder gar auf einen nuklearen Schlag reagieren würde, schwierig zu beantworten. Die meisten westlichen Einschätzungen gehen in die Richtung, dass das eine rote Linie für Peking ist, und das nicht nur aus geostrategischen, sondern auch aus handfesten wirtschaftlichen Gründen: Eine solche Eskalation würde die Absatzmärkte für die chinesische Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. ´

Andere Analysen, wie eine von Reuters, gehen davon aus, dass die Drohungen Putins vorerst nichts am engen Verhältnis von Moskau und Peking verändern. Bei einer Eskalation werde China aber die eigenen Interessen voranstellen – wohl auch zu dem Preis, das Verhältnis zu Russland neu definieren zu müssen.