Proteste im Iran
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Proteste in Iran

Armee kündigt hartes Durchgreifen an

Der Iran signalisiert Bereitschaft zum harten Durchgreifen gegen regierungskritische Demonstrantinnen und Demonstranten nach dem Tod einer jungen Frau. Die iranische Armee werde dem „Feind die Stirn bieten“, um für Sicherheit im Land zu sorgen, so die Armee am Freitag. Die Proteste gehen weiter, auch eine Journalistin wurde verhaftet. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten sind bisher mindestens 50 Menschen getötet worden.

Zuletzt seien sechs Menschen am Donnerstagabend in Reswanschahr in der nordiranischen Provinz Gilan von Sicherheitskräften erschossen worden, teilte die Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo am Freitag mit.

Weil sie den Fall um die in Polizeigewahrsam verstorbene Iranerin Mahsa Amini als eine der Ersten bekannt gemacht hatte, ist die Journalistin Nilufar Hamedi von der Reformzeitung „Shargh“ inhaftiert worden. Wie die Zeitung berichtete, wurden neben Hamedi auch zwei weitere Reporter und eine Fotografin im Zusammenhang mit den Protesten verhaftet.

Auch der bereits mehrfach inhaftierte Aktivist Madschid Tawakoli wurde in der Nacht auf Freitag festgenommen, wie sein Bruder auf Twitter schrieb. Sie alle sollen sich im für die Inhaftierung politischer Gefangener berüchtigten Evin-Gefängnis in der Hauptstadt Teheran befinden.

Auch regierungstreue Demonstranten gehen auf Straße

Die Demonstrationen seien Teil „der teuflischen Strategie des Feindes, um die Islamische Republik zu schwächen“, hieß es unterdessen von der Armee. Man wolle den „Feind“ bekämpfen, um „Sicherheit und Frieden“ für jene sicherzustellen, die „zu Unrecht angegriffen werden“.

Proteste im Iran
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Am Freitag gab es auch Proteste von Anhängern der Regierung

Die Proteste wegen des Todes der Frau im Iran gehen weiter: Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Hengaw fand am Freitag Generalstreiks in Oschnavieh, Javanroud, Sardascht und anderen Städten im Nordwesten des Landes statt, wo viele der bis zu 10 Millionen Kurdinnen und Kurden im Iran leben.

Unterdessen gab es auch einen Marsch regierungstreuer Demonstrierender. Sie forderten die Todesstrafe für die Verantwortlichen der Proteste der vergangenen Tage. „Angreifer des Korans müssen hingerichtet werden“, rief die Menge bei einem Aufmarsch, über den im staatlichen Fernsehen berichtet wurde.

Täglich Hunderte Festnahmen

Auslöser der Proteste ist der Tod der 22 Jahre alten Iranerin Mahsa Amini. Sie wurde vor gut einer Woche von der Religionspolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Sie fiel ins Koma und starb am Freitag in einem Krankenhaus. Kritikerinnen und Kritiker werfen den Behörden vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück. Seitdem demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung.

Die Proteste hatten ihren Ausgangspunkt im überwiegend kurdisch besiedelten Nordwesten des Landes, woher Amini stammt, und weiteten sich schnell auf andere Teile des Iran, einschließlich der Hauptstadt, aus. Die Zahlen zu Todesopfern gehen auseinander: Nach Angaben des Staatsfernsehens starben mindestens 17 Menschen. Die Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo sprach sogar von 36 Toten. In iranischen Medien war von 280 Festnahmen allein am Donnerstag die Rede.

Auf Videos in sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie Demonstrantinnen ihre Kopftücher abnehmen und verbrennen und ihr Haar vor einer jubelnden Menschenmenge abschneiden. In Isfahan zerrissen Protestierende ein Transparent mit einem Bild des geistlichen Oberhaupts des Iran, Ayatollah Ali Chamenei.

Iran fürchtet offenbar Proteste wie 2019

Die iranische Regierung reagierte mit Internetsperren. Sie fürchtet offenbar, dass die Proteste die Ausmaße von 2019 erreichen könnten. Damals kamen 1.500 Menschen ums Leben, es waren die bisher schwersten seit der Gründung der Islamischen Republik 1979.

Proteste im Iran
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Die Proteste halten nun schon mehrere Tage an

Präsident Ebrahim Raisi verwies am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) in New York zwar auf das offizielle Obduktionsergebnis, gleichzeitig habe er aber Ermittlungen zu Aminis Tod eingeleitet. Das habe er auch persönlich der Familie von Amini versichert.

Es herrsche Meinungsfreiheit im Land, die Verbreitung von Chaos könne aber nicht geduldet werden. IHR-Direktor Mahmud Amiri Moghaddam sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Proteste könnten „vielleicht der Anfang einer großen Veränderung“ im Iran sein. „Wir verfolgen die Situation der Menschenrechte und die Demonstrationen im Iran seit 15 Jahren, und ich habe die Menschen noch nie so wütend gesehen“, sagte der Menschenrechtsaktivist.

Kein Interview mit Amanpour

Unterdessen berichtete die CNN-Journalistin Christiane Amanpour auf Twitter, ein Berater des iranischen Präsidenten habe sie am Mittwoch in New York aufgefordert, für ein Interview mit Raisi Kopftuch zu tragen. Sie habe das abgelehnt und darauf verwiesen, dass das noch kein iranischer Staatschef bei einem Interview außerhalb des Iran verlangt habe. Daraufhin sei das von CNN lang vorbereitete Interview abgesagt worden.