Die britische Autorin Hilary Mantel
Reuters/Hannah Mckay
1952–2022

Hilary Mantel ist tot

Die britische Schriftstellerin Hilary Mantel ist tot. Wie ihr Verlag in Großbritannien am Freitag mitteilte, starb die Erfolgsautorin „plötzlich, aber friedlich“ im Kreise ihrer Familie. Die vielfach ausgezeichnete Autorin, Kritikerin und Juristin wurde mit historischen Romanen weltberühmt. Mantel wurde 70 Jahre alt.

Für den Roman „Wölfe“ wurde Mantel 2009 mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Mit „Falken“ gewann Mantel 2012 den Preis erneut. 2022 kam ihr letztes Buch, der Band „Learning to Talk“, heraus. Laut ihrem Agenten Bill Hamilton starb Mantel nach einem Schlaganfall am Donnerstag in einem Spital in Exeter, schreibt die „New York Times“. Sie habe noch viele Romane schreiben wollen, es sei ein unermesslicher Verlust, so Hamilton.

„Wir sind untröstlich über den Tod unserer geliebten Autorin, Dame Hilary Mantel, und unsere Gedanken sind bei ihren Freunden und ihrer Familie, insbesondere bei ihrem Ehemann Gerald. Das ist ein verheerender Verlust, und wir können nur dankbar sein, dass sie uns ein so großartiges Werk hinterlassen hat“, so ihr britischer Verlag 4th Estate Books auf Twitter.

Die britische Autorin Hilary Mantel im Jahr 2012 mit dem Man Booker Prize
AP/Lefteris Pitarakis
Mantel bei der Verleihung des Booker-Preises 2012

Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling postete als Reaktion auf die Nachricht vom Tod Mantels auf Twitter: „Wir haben ein Genie verloren.“ Auch Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon würdigte Mantel: „Es ist unmöglich, die Bedeutung des literarischen Vermächtnisses zu unterschätzen, das Hilary Mantel hinterlassen hat.“

Bekannt für Cromwell-Trilogie

„Wölfe“ und „Falken“ waren Teil der Trilogie über Thomas Cromwell, Emporkömmling und Faktotum des Tudor-Königs Heinrich VIII. Mit „Spiegel und Licht“ erschien 2020 der dritte und letzte Teil. Unter dem Titel „Wolf Hall“ wurden die ersten beiden Bände von der BBC als Serie adaptiert, die Royal Shakespeare Company brachte die ersten beiden Bände auf die Bühne. Mantel veröffentlichte insgesamt 17 Bücher.

Mantel zeigte sich in ihren Romanen historisch bestens informiert und verstand es auch, Lücken zwischen den Quellen mit subtilen Wahrnehmungen auszufüllen und die Perspektive auf die Vergangenheit zu verschieben. Gegenüber dem „Guardian“ gab Mantel an, für die historischen Details jahrelang recherchiert zu haben. Die Trilogie über Cromwell verkaufte sich laut BBC weltweit über fünf Millionen Mal und wurde in 41 Sprachen übersetzt.

Von Jus und Sozialarbeit zu Filmkritik und Romanen

Mantel wurde am 6. Juli 1952 in Glossop in Derbyshire geboren und wuchs in einer irisch-katholischen Familie auf. Sie studierte Jus und arbeitete zuerst als Sozialarbeiterin, begann aber bald nach ihrem Abschluss mit dem Schreiben. Mit ihrem Mann lebte sie jeweils einige Jahre in Botsuana und Saudi-Arabien, nach ihrer Rückkehr Mitte der 1980er Jahre arbeitete sie als Filmkritikerin.

2018 war Mantel in Wien, als ihr 1985 erschienener Roman „Jeder Tag ist Muttertag“ das in 100.000 Exemplaren verteilte Gratisbuch der Initiative „Eine Stadt. Ein Buch“ war. Ihr Verlag HarperCollins beschrieb Mantel als „eine der größten englischen Erzählerinnen dieses Jahrhunderts. Ihre bewunderten Werke werden als moderne Klassiker angesehen.“

Gegen Brexit und das britische Königshaus

2021 erklärte die Schriftstellerin, die irische Staatsbürgerschaft annehmen zu wollen, aus Protest gegen den Brexit. „Ich habe das Bedürfnis, meine Koffer zu packen und wieder Europäerin zu werden“, sagte sie der italienischen Zeitung „La Repubblica“. Sie verwies auf ihre Herkunft aus einer irischen Familie: „Als ich mit dem Schreiben angefangen habe, habe ich mich als Schriftstellerin aus der Provinz im guten Sinne gesehen, als europäische Schriftstellerin und nicht als englische.“

Mantel kritisierte auch das Vereinigte Königreich als „künstliches und zerbrechliches Konstrukt“. Als Kind in England habe sie nichts über die Geschichte der anderen Landesteile gelernt. Sie kritisierte auch die Monarchie, deren Popularität sie verblüffe. „Ich möchte nicht glauben, dass Menschen von Natur aus sklavisch sind und tatsächlich Ungleichheit genießen“, sagte Mantel.

2014 wurde sie von der jüngst verstorbenen König Elizabeth II. zur Dame Commander ernannt, seit dem Jahr ist auch ein Bild von ihr in der British Library aufgehängt. Seit 2020 trug sie den Titel Companion of Literature der Royal Society of Literature.