Eine Lehrerin in einem Klassenzimmer
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Verträge und Gehalt ausständig

Kritik an Wiener Bildungsdirektion hält an

Während in einigen Regionen und Fächern in Österreich händeringend nach Lehrkräften gesucht wird, zeichnet sich in Wien eine besondere Situation ab: Potentielle Lehrerinnen und Lehrer, die bereit wären zu unterrichten, warten auch Wochen nach Schulbeginn immer noch auf eine Zuweisung, Dienstverträge oder Gehalt. Grund dafür ist wohl ausgerechnet ein Personalmangel in der Personalverwaltung der Bildungsdirektion selbst.

Allein in Wien wurden heuer rund 2.400 Lehrpersonalstellen ausgeschrieben. Zwar können in Wien, so wie im Rest Österreichs, aktuell so gut wie alle Stunden gehalten werden, „aber es war und ist eine riesige Herausforderung für das Bildungsmanagement“, so ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek.

Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommen Bildungsdirektionen, Lehrpersonen und die Lehrergewerkschaft auf Anfrage von ORF.at. In Wien hieß es im September aus dem Büro von Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS), man brauche „der Situation angemessene Lehrplanstellenkontingente vom Bildungsministerium“, die den besonderen Herausforderungen von Wien als Ballungsraum entsprechen würden. Zudem müsse der Lehrberuf wieder attraktiviert werden, indem „kurzfristig ausreichend personelle Ressourcen bereitgestellt werden“.

Probleme bei Anstellungsprozessen

Wenig attraktiv für den Lehrberuf sind jedoch aktuelle Probleme bei den Anstellungen in Wien. „Ich bin auf keinem Papier angestellt, nicht versichert und bekomme kein Gehalt“, so ein Junglehrer Ende September im Gespräch mit ORF.at. Hinzu komme, dass er nicht wisse, wie viel Gehalt ihm letztlich ausbezahlt wird, da ihm die Bildungsdirektion dazu keine Auskunft habe geben können – obwohl er einen Gehaltsnachweis für seine Wohnung brauche.

„Dabei ist die Information, wie viel ich verdiene, das Erste, das ich bei einem Bewerbungsgespräch bei einem anderen Arbeitgeber erfahre.“ Er wisse nur seine Werteinheiten, die aber eigentlich im neuen Dienstrecht nicht existieren – wie Zulagen und Boni angerechnet werden, könne er nur schätzen. Eine Zahl sehe man erst am Gehaltszettel. Anfang Oktober habe er schließlich einen Versicherungsschutz erhalten, Gehalt und Dienstvertrag seien aber nach wie vor ausständig.

„Ich habe gerade eine Wohnung eingerichtet und hoffe einfach, dass das Geld bald kommt“, so der Wiener Lehrer. „Das Schockierende an dem Ganzen ist: Keinen verwundert das, alle nehmen das hin.“ Dass es bis Mitte Oktober dauere, bis man angestellt sei, sei „schon ziemlich gängig“, so ein weiterer Junglehrer im Gespräch mit ORF.at. Eine Lehrerin berichtete im Gespräch mit ORF Wien, dass sie trotz eines positiven Vorstellungsgesprächs noch nicht unterrichten dürfe und derzeit beim AMS gemeldet sei – mehr dazu in wien.ORF.at.

Eine Lehrerin betritt ein Klassenzimmer
ORF.at/Carina Kainz
Wegen einer Pensionierungswelle fehlen immer mehr Vollzeitlehrkräfte in Österreich

Zuweisungen teilweise noch ausständig

Die Bildungsdirektion Wien verweist auf Anfrage von ORF.at darauf, dass die Besoldung von den Dienstverträgen losgelöst sei und auch erfolge, wenn jemand eine Zuweisung, aber keinen Dienstvertrag habe. Eine Zuweisung fehlt aber im Falle der beim AMS gemeldeten Wiener Lehrerin – und laut Wiener Bildungsdirektion auch im Falle des Wiener Lehrers.

„Mir wurde gesagt, es sei unmöglich, dass ich eingetragen werde, weil die Zuweisung von offizieller Seite fehlt – ich habe die Zuweisung aber im Juni per Post erhalten“, so der Lehrer. Das Angebot, der Bildungsdirektion seine Zuweisung zu schicken, sei abgelehnt worden: Das ginge nicht, man arbeite aber mit Hochdruck. „Als ich daraufhin gesagt habe, was ich mache, wenn ich ins Spital muss, wurde mir geantwortet: Hoffen wir, dass das nicht passiert.“

Laut Bildungsdirektion sollen bis Anfang Oktober „alle Lehrpersonen eine entsprechende Zuweisung erhalten haben“. Gegenüber ORF Wien bestätigte die Bildungsdirektion Ende September, dass 1.300 neue Lehrkräfte angestellt wurden, während 25 angehende Lehrkräfte auf die nötige Zuweisung warten und der Vertrag bei vielen noch fehle.

Initiativbewerbung als schnellerer Weg?

Als Maßnahme, um den Bewerbungsprozess künftig einfacher zu gestalten, sollen die Bewerbungsfenster für Lehrerinnen und Lehrer laut Bildungsstadtrat Wiederkehr demnächst verlängert werden. Bisher konnten die dafür notwendigen Unterlagen nur in einem kurzen Zeitfenster eingereicht werden, für AHS und BHS dieses Jahr etwa am 26. und 27. September. „Um die jetzigen Probleme zu lösen, ist diese Maßnahme natürlich zu spät“, so Thomas Bulant von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD).

Wenn man darauf warte, dass die Positionen offiziell ausgeschrieben würden, warte man in jedem Fall lange, so die Erfahrung des Wiener Junglehrers. Er habe sich darum außerhalb des offiziellen Bewerbungsfensters beworben. Andere Bewerberinnen und Bewerber, die den offiziellen Weg probiert hätten, hätten teilweise seit dem Frühjahr keine Antwort bekommen. Ob eine Initiativbewerbung tatsächlich ein schnellerer Weg sei, ließ die Bildungsdirektion Wien auf Anfrage von ORF.at offen.

Schüler während des Unterrichts
ORF.at/Carina Kainz
Vor allem an Volks- und Mittelschulen wird derzeit Personal benötigt

„Die Bildungsdirektion hat uns bestätigt, dass eine Aktivbewerbung von Vorteil ist“, so Bernd Kniefacz von der österreichischen LehrerInnen Initiative (ÖLI-UG). Es sei schade, dass die Bewerberinnen und Bewerber darüber nicht im Vorfeld informiert worden seien. Er selbst kenne einige ausgebildete Junglehrerinnen und -lehrer, die seit Monaten eine Stelle suchen – wobei eine davon mittlerweile beginnen konnte.

Personalmangel in Personalverwaltung als Grund

Grund für die Verzögerungen bei den Anstellungsprozessen sei ein Personalmangel in der Personalverwaltung der Wiener Bildungsdirektion selbst, wie Bildungsdirektor Heinrich Himmer gegenüber ORF Wien erklärt. Eine Aufstockung sei geplant, wann diese stattfindet, sei jedoch noch offen.

„Immer weniger Personen bekommen immer mehr Aufgaben, und die Politik unterstützt sie dabei nicht“, so auch Gewerkschafter Bulant. Das Personal kämpfe mit Langzeitkrankenständen; dass die Dienstrechtsnovelle mitten in der Urlaubsaison und der Planung der Sommerschule gekommen sei, habe die Situation zusätzlich erschwert. Bis Redaktionsschluss ist auf Nachfrage von ORF.at keine Antwort der Bildungsdirektion hierzu eingelangt.

„Der Personalmangel wird in die Schulen hineingezogen und ist das Sahnehäubchen auf den aktuellen Problemen“, so Bulant. „Die liegen aber eigentlich woanders, nämlich am Desinteresse der Politik und Gesellschaft in Bildungs- und Schulfragen.“ Die Bildung von Kindern werde zunehmend privatisiert, er beobachte kein großes staatliches Interesse, hier mehr zu investieren. Tatsächlich wurden laut dem OECD-Bericht 2019 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildungseinrichtungen verwendet – womit Österreich knapp unter dem OECD-Schnitt von 4,9 Prozent liegt.