Die „Financial Times“ („FT“) hob zu Wochenbeginn sieben Länder hervor, die vergleichsweise kräftiges Wirtschaftswachstum, moderate Inflation und hohe Aktienmarktrenditen aufweisen. Darunter befinden sich auch zwei jener fünf Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien), die 2010 im Mittelpunkt der Schuldenkrise in der Euro-Zone standen und unter der Abkürzung PIIGS subsumiert wurden.
Die Wirtschaft in Griechenland hat sich seitdem stabilisiert. Die CoV-Krise ließ 2020 zwar, wie in fast allen Ländern, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) einbrechen. Schon ein Jahr später ging es aber wieder bergauf: 2021 stieg das BIP im Jahresschnitt um 8,3 Prozent, der Schuldenstand sank von 206 auf 193 Prozent der Wirtschaftsleistung. Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Griechenland immer noch die höchste Staatsverschuldung in der Euro-Zone hat.
Athen tilgte IWF-Schulden vorzeitig
Die verbesserte Lage ermöglichte es Athen aber, im heurigen April seine ausstehenden Kredite beim Internationalen Währungsfonds (IWF) fast zwei Jahre früher als geplant zurückzahlen. Seit August steht Griechenland auch nicht mehr unter der verstärkten Überwachung durch die EU-Kommission – der Großteil der verlangten Reformen sei erfolgreich umgesetzt worden. Sein Land sei damit nicht mehr „das schwarze Schaf Europas“, kommentierte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis die Entscheidung.

„Goldenes Visum“ brachte Portugal Milliarden
Auch die portugiesische Wirtschaft hat sich zuletzt solide entwickelt, Mitte September hob die Ratingagentur S&P die langfristige Bewertung des Landes von „BBB“ auf „BBB+“. Trotz höherer Energiekosten und steigender Zinssätze hat Portugal den Analysten zufolge starke Wachstums-, Arbeitsmarkt- und Steuerergebnisse erzielt. Zudem dürften die Investitionen aufgrund der erwarteten EU-Finanzmittel in Höhe von 61,2 Milliarden Euro (26 Prozent des BIP) zwischen 2022 und 2027 stark ansteigen. Die Einparteienmehrheit der Regierung des zu Jahresbeginn wiedergewählten Sozialisten Antonio Costa verringere die Unsicherheit über die Umsetzung der fiskalischen und strukturellen Reformen, hieß es.
Zudem brachte das „Goldene Visum“ Portugal Medienberichten zufolge viel Geld ein – allein in diesem Jahr zwischen Jänner und August 397,7 Millionen Euro. Seit 2012, als Lissabon das, freilich umstrittene, Programm lancierte, kamen so fast 6,5 Milliarden Euro in das Land. Bürgerinnen und Bürger aus Drittländern können über das „Goldene Visum“ einen Wohnsitz in Portugal erwerben, wenn sie etwa durch Immobilien- oder Staatsanleihenerwerb in das Land investieren und bestimmte Anforderungen erfüllen. „Es ist vielleicht kein Zufall, dass der Aktienmarkt in Lissabon in diesem Jahr die beste Performance in der entwickelten Welt aufweist“, schrieb die „FT“.

Vietnam statt China
Unter ganz anderen Vorzeichen bewährt sich derzeit die Wirtschaft von Vietnam. Die CoV-Pandemie und die weiterhin verhängten Lockdowns in China sowie die zunehmenden geopolitischen Unstimmigkeiten zwischen den USA und Peking – befeuert noch durch den Ukraine-Krieg – haben bei vielen westlichen Unternehmen für ein Umdenken gesorgt: Sie setzen in der billigen Güterproduktion wesentlich weniger auf China als in den vergangenen Jahrzehnten. Vietnam ist ein großer Profiteur dieser Entwicklung.
Lego baut derzeit für eine Milliarde US-Dollar die nächste Fabrik bei Ho-Chi-Minh-Stadt. Auch bei Apple soll künftig verstärkt in Vietnam produziert werden. Apples chinesische Zulieferer Luxshare Precision Industry und der iPhone-Montagebetrieb Foxconn haben mit der Testproduktion von Apple Watch und MacBook in Nordvietnam begonnen, hieß es Mitte August.
Indien wächst und wächst
Andere Bereiche der Produktion hat Apple nach Indien verlagert. Aufgrund der rigiden Vorschriften in China bevorzugen mittlerweile viele Unternehmen das zweitgrößte Schwellenland. „Investitionen in digitale Dienstleistungen und die verarbeitende Industrie tragen Früchte, und der riesige Inlandsmarkt schützt Indien vor einer globalen Rezession“, schrieb die „FT“. Die indische Wirtschaft gehört anhaltend zu den am schnellsten wachsenden der Welt.
Als erfolgreiches Beispiel führt die „FT“ auch Indonesien an, den viertbevölkerungsreichsten Staat der Welt, mit der weltweit größten Anzahl an Muslimen und Muslima. Das rohstoffreiche Land profitiere von der großen Nachfrage, sei aber mit einem Inlandsmarkt von 276 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern nicht übermäßig vom Export abhängig. Die Verschuldung sei im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern ungewöhnlich niedrig, die Währung ungewöhnlich stabil. Indonesien sei somit ein leuchtendes Beispiel für „wirtschaftlich versierten Islam“.

Überraschende Profiteure
In Saudi-Arabien wiederum hätten Reformen, darunter die Lockerung der Beschränkungen für Frauen, Arbeitnehmer und Reisende, sowie die Öffnung des Nachtlebens dazu beigetragen, dass das prognostizierte Wachstum in den nächsten zwei Jahren auf fast sechs Prozent ansteigt. Zudem investiere das saudische Regime Ölgelder in die Infrastruktur, darunter zehn „intelligente“ Städte, die eine futuristische und autofreie Version des städtischen Lebens versprechen.
Als das „überraschendste Land“ für wirtschaftliche Prosperität führt die „FT“ Japan an. Nachdem dort jahrelang Deflation geherrscht habe, profitiere man nun von einer Inflation von knapp über zwei Prozent. Die Arbeitskosten in Japan seien jetzt niedriger als in China, der billige Yen kurble die Exporte an und belebe die Stimmung auf dem Markt.
Alle dieser Volkswirtschaften könnten natürlich ins Wanken geraten, „sei es durch einen Wechsel in der Führung, in der Politik oder durch Selbstgefälligkeit“. Immerhin scheint es auch in konfliktreichen Zeiten wie diesen nicht ausschließlich Verlierer zu geben.