Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia)
APA/AFP/Andreas Solaro
Italien

Verhaltene Reaktionen nach Melonis Wahlsieg

Giorgia Meloni hat die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) im Alleingang an die Spitze geführt. Während die rechtspopulistischen Parteien in Europa jubeln, kommen sonst keine Glückwünsche in Rom an. Die EU zittert nun vor einer neuen Blockadefront durch Italien, Ungarn und Polen.

Der Wahlsonntag brachte Meloni den Erdrutschsieg, sie wird wohl als erste Frau Italiens eine Regierung anführen. Und erstmals wird damit bald eine Regierung in Westeuropa von einem neofaschistisch inspirierten rechten Flügel geführt. Das sandte schon am Sonntag Schockwellen aus, nicht nur bei den linken und gesellschaftlich liberalen Parteien in Europa, sondern auch nach Brüssel.

Von rechts kann sich Meloni nicht über mangelnde Glückwünsche beschweren. Gratulationen kamen noch am Wahlabend vom französischen Rassemblement National, der spanischen Vox und der deutschen AfD. Auch die FPÖ begrüßte den Sieg der italienischen Postfaschisten.

Orban: „Bravo, Giorgia!“

Lob erhielt die Chefin von Fratelli d’Italia auch vom polnischen Premier Mateusz Morawiecki: „Gratulation“, schrieb er auf Twitter. Polens Präsident Andrzej Duda geißelte gar die Kritiker von Melonis Wahlsieg als arrogant. „Bravo, Giorgia! Ein mehr als verdienter Sieg“, meinte der ungarische Premier Viktor Orban.

Italien: EU hofft auf gute Zusammenarbeit

Die Parlamentswahlen in Italien haben, wie erwartet, einen Rechtsruck gebracht – gewonnen hat ein Bündnis um Giorgia Melonis Fratelli d’Italia. Meloni dürfte als erste Frau Regierungschefin Italiens werden. In Europa hofft man nach ihren EU-kritischen Tönen in der Vergangenheit dennoch auf eine gute Zusammenarbeit.

Aus Brüssel hieß es schlicht: Man hoffe auf „konstruktive Zusammenarbeit“. Ein ähnlicher Aufruf kam aus Paris: Man respektiere die demokratische Entscheidung, so Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Man müsse weiterhin zusammenarbeiten. Auch aus Berlin gibt es verhaltene Töne: „Italien ist ein sehr europafreundliches Land mit sehr europafreundlichen Bürgerinnen und Bürgern. Und wir gehen davon aus, dass sich das nicht ändert“, hieß es von der deutschen Regierung am Montag.

Sorge vor neuer Phalanx

Das Verhältnis Italiens zur EU dürfte sich zumindest nicht verbessern. Schon im Wahlkampf gab es einen Eklat, nachdem Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärt hatte, es gebe Werkzeuge, sollte Italien von europäischen Grundsätzen abkehren. Sie verwies dabei auf Ungarn und Polen, gegen die die Kommission im Streit über die Rechtsstaatlichkeit mit milliardenschweren Mittelkürzungen und Rechtsverfahren vorgehen will.

Grafik zur Parlamentswahl in Italien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Innenministerium

Polen, Ungarn und Italien könnten nun eine Front bilden und gemeinsam zahlreiche EU-Pläne blockieren, etwa bei gesellschaftspolitischen oder Asylfragen. Bei Entscheidungen in Politikfeldern, in denen eine qualifizierte Mehrheit nötig ist, überstimmten die restlichen Mitgliedsländer Ungarn und Polen bisher. Nun, mit dem EU-Gründungsmitglied Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft der Union, werde das nicht mehr möglich sein, so der Politologe Günther Pallaver zur APA: „Italien hat nun ein Erpressungspotenzial in der Hand gegenüber der EU.“

Zumindest in Sachen Ukraine-Krieg scheint hier das Konfliktpotenzial nicht gewachsen zu sein. Im Gegensatz zu ihren rechten Bündnispartnern, der Lega und der Forza Italia, betonte Meloni stets ihre Solidarität mit der Ukraine.

Pragmatismus wahrscheinlich

Meloni gab sich im Wahlkampf demonstrativ pragmatisch in EU-Fragen und versuchte angesichts ihres bevorstehenden Wahlsiegs, die Gemüter in Brüssel zu beruhigen. Laut Pallaver hat sie „vor der Wahl Kreide geschluckt“, doch dürfe man dennoch die „autoritären Tendenzen“ der Fratelli nicht unterschätzen.

Auch die EU wird pragmatisch handeln und im Fall von Konflikten vorgehen wie schon bei Ungarn und Polen. Am Ende wird vor allem das Geld eine Rolle spielen, das Italien aus Brüssel erhält. Mit insgesamt 191,5 Milliarden Euro soll das von der Pandemie gebeutelte Italien mit Abstand die meisten Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds erhalten. Die Gelder für Ungarn sind wegen des Streits mit der Kommission derzeit eingefroren.