Wahllokal in Donetsk
Reuters/Alexander Ermochenko
Auszählung läuft

Letzter Tag für Putins Scheinreferenden

In vier russisch kontrollierten Gebieten der Ukraine sind die Scheinreferenden zur Annexion durch Russland am Dienstag zu Ende gegangen. Für den letzten Tag der von Moskau diktierten Abstimmungen in den Separatistengebieten Donezk und Luhansk im ostukrainischen Donbas sowie den südukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja gab es vereinzelt auch Wahllokale. In den Tagen zuvor wurden die Stimmen teils von Tür zu Tür abgeholt. Seit Dienstagnachmittag gibt es erste von russischer Seite kolportierte „Teilergebnisse“ – und diese zeichnen ein wenig überraschendes Ergebnis der vom Westen nicht anerkannten Abstimmungen ab.

Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA votierten in Cherson 96,97 Prozent für die Annexion, nach Auszählung von 14 Prozent der Stimmen. In Saporischschja seien es 98,19 Prozent, basierend auf 18 Prozent ausgezählter Stimmen. Noch keine Zahlen nannte RIA für Donezk und Luhansk. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren auch ukrainische Flüchtlinge in Russland. Russischen Angaben zufolge liege dort der Anteil der Ja-Stimmen nach Auszählung erster Stimmen bei 97 Prozent.

Was die weiteren Schritte betrifft, werden die Separatistenführer wohl unmittelbar nach Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse bei Kreml-Chef Wladimir Putin offiziell die Aufnahme in russisches Staatsgebiet beantragen. Im Raum steht, dass dieser Schritt noch diese Woche erfolgt.

Scheinreferenden in Ukraine enden

In den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine ist am Dienstag der letzte Tag der Scheinreferenden über einen Anschluss der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja an Russland.

Der Föderationsrat – das Oberhaus des russischen Parlaments – könnte nach Angaben der Vorsitzenden Valentina Matwijenko am kommenden Dienstag über den Beitritt der besetzten ukrainischen Gebiete zu Russland entscheiden. An dem Tag sei die nächste planmäßige Sitzung angesetzt, sagte Matwijenko nach Angaben russischer Agenturen. Es bestehe bisher keine Notwendigkeit, Sondersitzungen anzuberaumen.

Zuvor war in Medien spekuliert worden, Putin könnte schon an diesem Freitag in einer Rede vor beiden Kammern des russischen Parlaments die Annexion der insgesamt vier Gebiete im Osten und Süden der Ukraine formell bekanntgeben. An dem Tag sei eine Ansprache Putins vor beiden Kammern des Parlaments angesetzt.

„Niemals“: Anerkennung für Westen keine Option

Es bestehe eine „realistische Möglichkeit“, dass Putin die Rede nutzen werde, um offiziell die Aufnahme zu verkünden, hieß es dazu am Dienstag auch im täglichen Lagebericht des Ministeriums, der sich auf Erkenntnisse des britischen Militärgeheimdienstes stützt. Befürchtet wird damit eine weitere militärische Eskalation, weil ukrainische Angriffe auf diese Regionen von Moskau als Angriff auf sein Staatsgebiet gewertet werden könnten.

Die von Kiew und seinen westlichen Verbündeten scharf kritisierten und nicht anerkannten Abstimmungen hatten am Freitag begonnen. Ein möglicher Anschluss der vier ukrainischen Regionen an Russland infolge der Scheinreferenden wird vom Westen als völkerrechtswidrig verurteilt.

Die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G-7) hat bereits angekündigt, den Ausgang der Scheinreferenden „niemals“ anzuerkennen. Die USA kündigten eine „schnelle und ernste“ Reaktion in Form weiterer Wirtschaftssanktionen gegen Russland an. Selbst China rief in der Angelegenheit dazu auf, „die territoriale Integrität aller Länder“ zu achten, ohne allerdings die „Referenden“ zu verurteilen.

WErbung für SCheinreferendum in Zaporizhzhia
Reuters/Alexander Ermochenko
Die am Dienstag auslaufenden Abstimmungen werden vom Westen nicht anerkannt

Bericht: Neuer föderaler „Krim-Bezirk“ geplant

Einem Zeitungsbericht zufolge gibt es offensichtlich schon konkrete russische Pläne, wie die besetzten ukrainischen Gebiete in die Russische Föderation einverleibt werden sollen. Geplant sei die Bildung eines neuen föderalen „Krim-Bezirks“, berichtete die russische Zeitung „Wedomosti“ am Dienstag unter Berufung auf Quellen im Föderationsrat.

Dieser Bezirk solle die bereits 2014 annektierte Halbinsel Krim sowie die besetzten Teile der Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk umfassen.

Neuer Verwaltungschef solle Dmitri Rogosin werden, der im Juli als Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos abgelöst worden war, hieß es weiter. Schon im Juli hatten Medien spekuliert, der Hardliner und Nationalist könnte einer der Kreml-Kuratoren in den Separatistengebieten Donezk oder Luhansk im Osten der Ukraine werden. Eine Bestätigung gibt es nicht. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte dazu lediglich, wenn Entscheidungen zur Gründung eines neuen föderalen Bezirks getroffen würden, werde der Kreml darüber informieren.

Wehrschütz (ORF) über Scheinreferenden

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz spricht über die zu Ende gehenden Scheinreferenden in der Ukraine. Das Ergebnis wird von der Ukraine und ihren westlichen Verbündeten nicht anerkannt werden.

Ukraine gibt weitere Geländegewinne bekannt

Nach sieben Monaten russischer Invasion kontrolliert Moskau dabei zwar das Luhansker Gebiet fast komplett, das Donezker Gebiet aber nur gut zur Hälfte. Ukrainischen Angaben zufolge erzielte die Armee in den vorn Russland besetzten Gebieten weitere Geländegewinne. Unbestätigten Berichten zufolge näherten sich ukrainische Einheiten in Donezk nun auch dem Luhansker Gebiet auf wenige Kilometer.

In Luhansk meldeten die Behörden am Dienstag weiteren Beschuss durch Mehrfachraketenwerfer auf den Ort Altschewsk. Trotzdem seien alle Wahllokale geöffnet, hieß es. Das russische Staatsfernsehen zeigt bereits seit Tagen Menschen in den besetzten Gebieten, die sich glücklich zeigen, bald zu Russland zu gehören. Dagegen kritisieren unabhängige Medien, die Menschen würden unter Druck und vorgehaltenen Gewehrläufen ihre Stimme abgeben.

Wahllokal in Donetsk
Reuters/Alexander Ermochenko
Am letzten der Tag der Scheinreferenden wurden auch Wahllokale geöffnet

Ukrainische Offensive auch bei Kupjansk-Wuslowyj

Weiter auf dem Vormasch ist die ukrainische Armee nach Angaben aus Kiew im Gebiet Charkiw. Die östlich des Flusses Oskil gelegene Siedlung Pisky-Radkiwski stehe wieder unter ukrainischer Kontrolle, teilte die Verwaltung der Gemeinde Borowa in der Nacht auf Dienstag auf Telegram mit. Vor dem russischen Einmarsch am 24. Februar hatte die Siedlung etwa 2.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Zuvor hatte der ukrainische Generalstab von russischem Beschuss auf Kupjansk-Wuslowyj etwa 40 Kilometer nördlich geschrieben und damit Berichte über die Rückeroberung der Stadt indirekt bestätigt. Kupjansk-Wuslowyj ist ein wichtiger Bahnknotenpunkt am linken Ufer des Oskil. Nach ihrer Vertreibung aus dem Großteil des Charkiwer Gebiets Anfang September zogen sich die russischen Truppen hinter die Linie der Flüsse Oskil und Siwerskyj Donez zurück. Sie konnten diese Linie jedoch nicht halten.

Medwedew bekräftigt Nuklearoption

Die russische Seite drohte indes erneut mit dem Einsatz von Atomwaffen. Ex-Präsident Dmitri Medwedew sagte am Dienstag via Telegram, sein Land habe das Recht, sich im Zweifel mit Atomwaffen zu verteidigen.

„Angenommen, Russland ist gezwungen, die fürchterlichste Waffe gegen das ukrainische Regime einzusetzen, das eine schwere Aggression begangen hat, die für die Existenz unseres Staates gefährlich ist“, schrieb Medwedew. „Ich glaube, dass sich die NATO auch in dem Fall nicht direkt in den Konflikt einmischen würde. (…) Die Demagogen jenseits des Ozeans und in Europa werden nicht in einer nuklearen Apokalypse sterben.“

Medwedew hatte bereits vergangene Woche erklärt, Russland sei bereit, alle Mittel inklusive Atomwaffen zur Verteidigung annektierter Gebiete einzusetzen.