Ex-Kanzler Kurz vor ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird derzeit vom ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss befragt. Kurz wurde zu allen vier Beweisthemen geladen, von der Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren über die Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes und die Einflussnahme auf Ermittlungen bis hin zur Begünstigung bei der Personalauswahl.

Sebastian Kurz im ÖVP Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen den ehemaligen Regierungschef unter anderem wegen des Vorwurfs der Falschaussage im „Ibiza“-U-Ausschuss und auch im „Beinschab-Komplex“. In dieser Affäre steht der Verdacht im Raum, dass von der ÖVP geführte Ministerien mit öffentlichem Geld Studien beauftragten, die für die Partei oder für das Fortkommen von Kurz förderlich gewesen sein sollen.

Er freue sich, die Medienvertreter und Medienvertreterinnen wiederzusehen, sagte die Auskunftsperson beim Eintreffen vor dem Ausschuss. Er sei sich sicher, dass alle Vorwürfe aufgeklärt werden, es seien auch bereits viele Verfahren eingestellt.

Kurz: Sideletter nichts Ungewöhnliches

In seiner Erstbefragung wollte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl mehr zum Sideletter der ÖVP-FPÖ-Regierung vom Dezember 2017 wissen – warum dieser abgeschlossen worden sei und ob das grundsätzlich üblich sei. Seine Wahrnehmung, so Kurz, sei, dass es bei Regierungsverhandlungen immer Vereinbarungen bzw. Sideletter gegeben habe, etwa über Personal oder Budgetfragen.

Das diene zur Entscheidungsfindung für alle Fälle im laufenden Betrieb. Sideletter seien nichts Ungewöhnliches, so Kurz zusammenfassend, und für einen funktionierenden Koalitionsbetrieb unabdingbar. Es werde sie auch in Zukunft geben.

Pöschl fragte dann direkt zu Punkt drei des Sideletters, Thema Postenbesetzung, konkret zur darin festgelegten Nachfolge am Verfassungsgerichtshof (VfGH) durch Wolfgang Brandstetter. Der Verfahrensrichter legte dazu auch ein Stück des Protokolls der Einvernahme von Brandstetter im Ausschuss vor.

Brandstetter laut Kurz „gute Idee“

Brandstetter selbst erklärte vor dem Ausschuss, er habe es „komisch“ gefunden, warum er im Sideletter auftaucht. Habe Brandstetter gewusst, dass er im Sideletter aufscheine? Brandstetter sei nicht Teil des Verhandlungsteams gewesen, so Kurz, zumindest nicht auf oberster Ebene, er könne sich also gut vorstellen, dass er nicht gewusst habe, dass er im Sideletter aufscheine.

Er könne sich schon vorstellen, dass es eine gewisse Abstimmung gegeben habe, dass das in einem Sideletter festgehalten werde, sei aber eben nicht Ungewöhnliches, wiederholte Kurz. Man könne wohl auch jemanden festlegen, ohne mit der betroffenen Person davor zu sprechen. Er habe irgendwann mitbekommen, dass Brandstetter das Amt am VfGH interessiere, und so wie andere wohl gemeint, dass das eine gute Idee sei.

NEOS legt Sideletter von ÖVP-Grüne vor

Zum Sideletter der ÖVP-Grünen-Regierung fragte dann NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper Kurz, wie es sein könne, dass Posten, konkret beim Bundesverwaltungsgerichtshof, vergeben werden können, für die es Auswahlverfahren gibt und kein Nominierungsrecht der ÖVP. Kurz sagte, es brauche gewisse Qualifikationen für bestimmte Posten, sowie Spielregeln für Entscheidungen.

Zudem brauche es im öffentlichen Bereich auch den Beschluss des Ministerrat und eine Entscheidung des Bundespräsidenten. Es folgte eine ausführliche Debatte zur Geschäftsordnung, in weiterer Folge eine Debatte der Abggeordneten abseits der Mikros (Stehung).

Grüne und NEOS hoffen auf Fragezeit

Es gehe ums Aufräumen, dass aus Fehlern gelernt werde und dass das Vertrauen in die Politik und die Institutionen wieder hergestellt werde, sagte Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli vor der Befragung. Sie glaube nicht, dass es ausführliche Antworten geben werde, sie erwarte, dass sich Kurz immer wieder entschlage bzw. durch lange Antworten verzögere, so Tomaselli.

Krisper fragte sich wie Tomaselli im Vorfeld, ob genug Zeit für Fragen bleibe. Sie wolle wissen, wie es so weit kommen könne, dass es um Posten etwa für die „ÖVP-Familie“ ging unter Kurz, der selber einen „neuen Stil“ versprochen habe. NEOS frage sich etwa, was Kurz sich dabei gedacht hatte, als die OMV Österreich bis 2040 von Russland abhängig gemacht hat.

ÖVP sieht Ausschuss als „absolute Farce“

Kurz sei die wichtigste Auskunftsperson, so SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer, denn der Ausschuss beschäftige sich ja unter anderem mit dem Aufstieg Kurz’ etwa durch das „Projekt Ballhausplatz“. Er glaube „an das Gute im Menschen“, sagte er mit Blick auf die ÖVP, und dass die Befragung heute gut ablaufen könne.

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger erklärte den Ausschuss zur „absoluten Farce“, es gebe ein heilloses Durcheinander bei den Beweisthemen und den Auskunftspersonen, für Außenstehende sei es nicht nachvollziehbar, was im Ausschuss geschehe. Er sieht den Fehler auch beim Verfahrensrichter bzw. der Verfahrensrichterin: Die ÖVP werde „ausschließlich“ Fragen zulassen, die vom Untersuchungsgegenstand auch gedeckt seien.

Auf Nachfrage führte Hanger aus, dass man das über Geschäftsordnungsdebatten mache. Er verwies zudem darauf, dass zwei Verfahren gegen Kurz laufen. Noch vor dem – kurzen – Statement der Auskunftsperson führte Hanger als Meldung zur Geschäftsordnung umfangreich aus, dass nur Fragen, die vom Untersuchungsgegenstand gedeckt sind, zulässig sind – was Krainer dazu veranlasste, einen Ordnungsruf für Hanger zu fordern. Vorsitzender Friedrich Ofenauer (ÖVP) wollte keinen Ordnungsruf erteilen, bat aber um konkrete Fragen.

Kurz sei „die zentrale Schlüsselfigur“, es gebe weiterhin mehr Fragen als Antworten, sagte FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger. Unter den Auswirkungen seiner Kanzlerschaft leide die Republik noch heute. Die FPÖ wolle bis zu Kurz‘ Zeit als Außenminister Fragen stellen, etwa über die Personalpolitik, und eine mögliche Involvierung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes beim „Projekt Ballhausplatz“ hinterfragen.

Melchior und Hörl auch geladen

Nach Kurz kommt am Mittwoch der ehemalige ÖVP-Generalsekretär Alexander Melchior ebenfalls zu einem neuerlichen Auftritt im parlamentarischen Gremium. Bereits im „Ibiza“-U-Ausschuss wurde Melchior über Spenden an die ÖVP und das „Projekt Ballhausplatz“ befragt, also zu jenem internen Wahlkampfstrategiepapier, das das Ziel hatte, Kurz 2017 ins Kanzleramt zu hieven. Sollte es sich zeitlich noch ausgehen, wird mit Franz Hörl ein Tiroler Nationalratsabgeordneter im U-Ausschuss befragt.

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