ORF.at als Debattenthema im Publikumsrat

Die von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann angekündigte Halbierung der Textmeldungen auf ORF.at hat für Erstaunen bei Belegschaft, Publikumsräten und einzelnen Stiftungsräten gesorgt. In einer Sitzung des Publikumsrats versicherte der ORF-Chef: „Ich habe das gesamte Wohl des Unternehmens im Auge.“

In Verhandlungen müsse man aber auf andere zugehen, um etwas zu bewegen. Konkret ringt der ORF um eine Digitalnovelle. Diese sei auch für Fernsehen und Radio relevant, so Weißmann.

Weißmann glaubt nicht an Leserschwund

Die Textnachrichten auf ORF.at hätten ein etabliertes Publikum, das man verprellen könnte, wenn die Anzahl geschriebener Meldungen auf der „Blauen Seite“ zurückgehe, wurde gestern von so manchem Publikumsratsmitglied eingeworfen.

Weißmann sah diese Gefahr nicht gegeben. „Ehrlicherweise sehe ich nicht, dass künftig weniger Menschen die ‚Blaue Seite‘ abrufen werden. Eher im Gegenteil“, versuchte der ORF-Chef zu argumentieren. Er möchte die reichweitenstärkste Nachrichtenseite des Landes mehr in Richtung Bewegtbild und Multimedialität entwickeln.

Die Weichen dazu seien ohnehin vor Längerem gestellt worden. „Der Weg in Richtung Multimedialität ist eingeschlagen, und den gehen wir auch konsequent weiter“, sagte Weißmann. „Wir erweitern die Mannschaft der ‚Blauen Seite‘ um ein Fünftel. Wir bauen die Redaktion aus“, so Weißmann.

VÖZ begrüßte „Angebot“ von Weißmann

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), begrüßte das von Weißmann geäußerte „Angebot“. Die Verleger wollen seit jeher, dass das Nachrichtenportal des ORF eingeschränkt werde. Ihrer Meinung nach verzerre das Textangebot den Markt. „Das Angebot Weißmanns ist jedenfalls dazu geeignet, konstruktiv in weitere Gespräche einzutreten“, so der VÖZ-Geschäftsführer.

„Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF darf damit um keinen Preis ausgehöhlt werden. Wenn dem so wäre, ist eine rote Linie überschritten“, sagte Heinz Lederer, SPÖ-„Freundeskreis“-Leiter im obersten ORF-Gremium. Eine substanzielle Veränderung des ORF im digitalen Bereich gehöre geprüft. Wenn die Inhalte dagegen in gleicher Qualität in Bewegtbild transformiert würden, könne man darüber reden. „Es braucht eine inhaltliche Klarstellung“, forderte der Stiftungsrat.

Redakteurs- und Betriebsrat mit Protest

Redakteursrat und Betriebsrat von ORF.at protestierten bereits am Tag nach der Ankündigung in einem Schreiben gegen den geplanten Schritt. Die Beschneidung der meistgelesenen Nachrichtenseite des Landes berge große Risiken für die demokratiepolitische Entwicklung, hieß es.

Der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats, Dieter Bornemann, kommentierte die Pläne in einem Ö1-Beitrag ebenfalls kritisch. Nutzer könnten sich in der Folge anderen Gratisplattformen mit politischer Agenda oder gar „Fake News“ zuwenden, so seine Befürchtung.