Pipelinelecks: EU kündigt Belastungstests an

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat die mutmaßliche Sabotage an den Ostsee-Pipelines „Nord Stream 1“ und „2“ als Warnruf bezeichnet und einen Belastungstest für die kritische Infrastruktur in Europa angekündigt.

„Wir (die EU-Kommission) werden uns jetzt an alle Mitgliedsstaaten wenden und wir werden einen Belastungstest durchführen in Bezug auf die kritische Infrastruktur“, sagte die Schwedin gestern Abend im ZDF-„heute journal“.

Unter Berufung auf Angaben der schwedischen Küstenwache wurde ein viertes Leck an den Pipelines gefunden, berichtete das „Svenska Dagbladet“.

Angesichts der Lecks in den Pipelines sprach Johansson von einem „Anschlag“, der eine „Eskalation“ und „eine Bedrohung“ sei. „Soweit ich es beurteilen kann, ist es ein sehr intelligenter Anschlag, der nicht verübt worden sein kann von einer normalen Gruppe von Menschen“, sagte die Kommissarin. Das Risiko sei groß, dass ein Staat dahinter stehe. „Wir haben natürlich einen Verdacht. Aber es ist zu früh, das abschließend zu beurteilen.“

USA: Mehr Fragen als Antworten

Ähnlich vorsichtig äußerte sich der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, zu möglichen Verursachern der Lecks. „Wir haben derzeit mehr Fragen als Antworten.“ Die US-Regierung wolle keine Mutmaßungen über mögliche Hintermänner einer Sabotageaktion anstellen, bis Untersuchungen an den Gasleitungen abgeschlossen seien.

In der Nacht auf Montag war zunächst in einer der beiden Röhren der nicht genutzten Pipeline „Nord Stream 2“ ein starker Druckabfall festgestellt worden. Später meldete der „Nord Stream 1“-Betreiber einen Druckabfall auch in diesen beiden Röhren. Dänische Behörden entdeckten schließlich insgesamt drei Lecks an den beiden Pipelines.

Die russische Generalstaatsanwaltschaft leitete inzwischen nach eigenen Angaben ein Verfahren wegen internationalen Terrorismus ein. Moskau begründete den Schritt damit, dass mit der Beschädigung der Pipelines „Russland erheblicher wirtschaftlicher Schaden zugefügt“ worden sei.

Auswirkungen auf Umwelt befürchtet

Ein UNO-Sprecher äußerte sich unterdessen besorgt über die möglichen Auswirkungen der Pipelinelecks auf die Umwelt. Man hoffe, das die zuständigen Stellen die Lecks schnellstmöglich versiegelten.

Der Einfluss der Lecks auf den Klimawandel ist laut dem deutschen Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) aber vergleichsweise gering. „Das Klimageschehen wird dadurch nicht verändert“, sagte IOW-Forscher Oliver Schmale gestern in Rostock.

Völlig ohne Konsequenzen werden die Lecks aber nicht bleiben, meinte auch Schmale. Das aus der Pipeline entweichende Erdgas besteht den Angaben nach zu rund 97 Prozent aus Methan. Der Treibhausgaseffekt sei bei Methan rund 25-mal stärker als bei CO2, so Schmale.