Fabriksarbeiterin fährt mit einem Hubwagen
Getty Images/Luis Alvarez
Energiekostenzuschuss

Kritik und Forderungen nach mehr

Mit 1,3 Milliarden Euro will die Regierung Unternehmen wegen der gestiegenen Energiepreise unter die Arme greifen. Der Energiekostenzuschuss bezieht sich auf die Periode Februar bis September. Ökonomen warnen vor Überförderung und fehlender Treffsicherheit. Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer (WKO), kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Er forderte bereits eine Folgeregel ab Oktober: „Das ist überhaupt keine Frage.“

Wenig Verständnis hat Kopf für die Kritik etwa der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria, die beim Energiekostenzuschuss Überförderungen befürchtet. Es würden nur 30 Prozent der Mehrkosten vergütet, so Kopf am Donnerstag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal: „Die Unternehmen bleiben auf 70 Prozent der exorbitanten Mehrkosten sitzen.“

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) bemängelte gegenüber Ö1 dagegen fehlende Treffsicherheit. Es sei nicht vorgesehen, dass nur gesunde Unternehmen, die Gewinne nachweisen können, gefördert werden, kritisierte WIFO-Ökonom Michael Böheim. Es habe schnell gehen müssen, argumentierte Kopf und sprach von einer Gratwanderung zwischen einer schnellen Pauschalierung und 100-prozentiger Treffsicherheit, die mit mehr bürokratischem Aufwand verbunden wäre. Bei einer Verlängerung der Förderungen über den September hinaus könne man das „System auf den Prüfstand stellen und Adaptierungen vornehmen“.

CO2-Bepreisung „ein Anachronismus“

Es falle der Wirtschaft nicht leicht, nach dem Staat zu rufen, so Kopf. Aber die „überfallsartige Preisexplosion“ auf dem Energiemarkt habe das notwendig gemacht. Neben dem Energiekostenzuschuss brauche es weitere Maßnahmen. Es fehle etwa die Härtefallregelung bei der CO2-Bepreisung, die ab 1. Oktober schlagend wird. „Das ist ein Anachronismus bei diesen hohen Preisen“, sagte Kopf.

Zudem wünsche er sich – flankierend zu den Hilfsmaßnahmen – einen Verlustrücktrag, also die Möglichkeit, Verluste von heuer mit Gewinnen der früheren Perioden gegenzurechnen. Diese Option wurde auch vom WIFO als Fördermöglichkeit für Betriebe ins Spiel gebracht – allerdings ohne zusätzliche Hilfe. Das löse das Problem, dass Verlustunternehmen keine Förderung erhalten sollten, so Böheim: „Aber es ist klar, dass das aus Sicht der Unternehmensvertreter nicht so sehr Sexappeal hat.“

Die Förderungen sind zudem an Umweltauflagen gebunden. So sind etwa für Betriebe, die um Förderungen ansuchen, Heizschwammerln verboten, nächtlicher Skiliftbetrieb inklusive Flutlichtanlage bleibt aber erlaubt. Das sei eine politische Entscheidung und beinhalte keine rationalen Argumente, so Böheim. In der Gastronomie ist der Unmut über das Heizschwammerlverbot jedenfalls groß.

Appell an Energieminister

WKO-Generalsekretär Kopf forderte die EU-Energieminister auch mit Blick auf deren am Freitag geplantes Treffen auf, vom Reden ins Tun zu kommen. Das derzeitige Preisbildungssystem bei Strom, das Merit-Order-Prinzip, sei wie ein Brandbeschleuniger der Preisentwicklung. An der Strombörse werden dafür zunächst Kraftwerke herangezogen, die billig Strom produzieren, der Preis richtet sich aber nach dem zuletzt zugeschalteten und somit teuersten Kraftwerk, und das sind derzeit die Gaskraftwerke.

TV-Hinweis

„Eco“ berichtet am Donnerstag um 22.30 auf ORF2 darüber, welche Unternehmen von den Förderungen profitieren – mehr dazu in tv.ORF.at.

Kurzfristig könne man dieses System nicht ändern, so Kopf, aber mittelfristig müsse man daran arbeiten, es zu korrigieren. Kopf: „Kurzfristig kann man nur den Gaspreis gesamteuropäisch herunterstützen.“ Das habe sofort Auswirkungen auf den Strompreis. Auch ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher machte sich am Donnerstag dafür stark, den Preis von Gas, das für die Stromerzeugung verwendet wird, zu deckeln.

Zugleich müsse die Differenz zum Marktpreis subventioniert werden, weil es sonst zu Versorgungsengpässen kommen könnte, sagte Kocher vor dem EU-Wettbewerbsrat in Brüssel. Wie viel das kosten werde, sei schwer zu sagen, weil das vom Marktpreis abhänge. Aber es wäre eine schnelle Lösung, um den Strompreis zu senken. Fachleute rieten davon aber, das Merit-Order-Prinzip zu ändern, so Kocher. Das könne zu Versorgungsengpässen führen.

EU-Vorschlag für Gaspreisdeckel

Auf Druck mehrerer EU-Staaten erarbeitete die EU-Kommission nun neue Vorschläge für einen möglichen europäischen Gaspreisdeckel. Dabei solle etwa ein Maximalpreis für russisches Gas festgelegt werden. Eine weitere Option sei es, den Preis von Gas in der Stromproduktion zu deckeln, um auch den Preis von Strom zu senken.

Viele osteuropäische Staaten stehen dem aber skeptisch gegenüber. Auch die EU-Kommission selbst warnt in ihrem Papier vor möglichen negativen Auswirkungen eines Preisdeckels. „Wenn Preismaßnahmen isoliert getroffen werden, gibt es die Gefahr, dass sie die Nachfrage erhöhen, anstatt die zugrunde liegende Knappheit zu beheben.“