Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
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Lobautunnel

Gewessler will Gesetz ändern, ÖVP nicht

Klimaschutz- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat am Donnerstag die nächsten Schritte in Sachen Bau des Lobautunnels vorgestellt. Es werde eine strategische Prüfung geben, sagte sie bei einer Pressekonferenz. Mit der Prüfung soll es möglich sein, den Lobautunnel aus dem Gesetz zu streichen und Alternativen zu entwickeln. Die ÖVP machte aber umgehend klar, dass es mit ihr keine Gesetzesänderung geben wird.

Vor knapp einem Jahr hatte Gewessler überraschend den Bau des Wiener Lobautunnels abgesagt. Zuletzt hatte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) das aktuelle Straßenbauprogramm der ASFINAG unterschrieben, das den S1-Ausbau um Wien inklusive Lobautunnel nicht beinhaltet. Gewessler sprach von einem wichtigen Schritt, das Finanzministerium wollte das aber nicht als Absage verstehen.

Am Donnerstag kündigte die Verkehrsministerin die nächsten Schritte gegen den Bau an. Mit einer strategischen Prüfung sollen nun die Alternativen zum Lobautunnel evaluiert werden. Gleichzeitig soll mit der Maßnahme auch die Möglichkeit geschaffen werden, die Pläne zum Bau aus dem Bundesstraßengesetz zu streichen. „Das letzte Wort hat das Parlament, aber wir liefern die Grundlage“, sagte Gewessler.

Keine Gesetzesänderung mit ÖVP

Unterstützung erhält die Ministerin zwar von ihrer Partei, aber deren aktueller Koalitionspartner machte bereits kurz nach der Pressekonferenz klar, dass er da nicht mitspielen wird. Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger (ÖVP) erklärte per Aussendung: „Mit uns als Volkspartei wird es keine Gesetzesänderung zur Streichung des Lobautunnels geben.“ Diese sei niemals Verhandlungsgegenstand und auch nicht Teil des gemeinsamen Regierungsprogramms gewesen.

Gewesslers im Alleingang verkündete Absage sei „inakzeptabel“, es habe davor auch keine Gespräche mit dem Koalitionspartner gegeben. Er hoffe, dass die Ministerin auf den Pfad der konstruktiven Zusammenarbeit zurückkehre. Harsche Kritik äußerte auch die Wiener ÖVP. „Der Lobautunnel ist und bleibt alternativlos. Grüne Fantasien von einer Welt ohne Straßen zeigen, wie lebensfern Bundesministerin Gewessler agiert“, so Landesparteiobmann Karl Mahrer.

FPÖ übt scharfe Kritik an Plänen

Die FPÖ übte ebenfalls scharfe Kritik an den Plänen der Ministerin. „Mit ihrer Ankündigung einer Strategischen Prüfung zur endgültigen Streichung des Lobautunnels aus dem Bundesstraßengesetz versucht die jeglicher Realität entrückte Ministerin, ein seit Jahrzehnten geplantes und für das Verkehrssystem der Stadt Wien genauso wie für die gesamte Ostregion bedeutsames Straßenbauprojekt endgültig zu vernichten“, sagte FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker.

Die SPÖ hingegen ortete ein Ablenkungsmanöver der Ministerin und verteidigte die Stadt Wien, die auf den Lobautunnel pocht. „Während Wien als einziges Bundesland einen detaillierten Klimafahrplan hat, der den Weg zur Klimaneutralität bis 2040 vorgibt, fehlen die gesetzlichen Klimaziele auf Bundesebene schon seit mittlerweile 637 Tagen“, so Klimaschutzsprecherin Julia Herr in einer Aussendung.

Debatte über Kompetenzen

Seit der Ankündigung der Ministerin, den Lobautunnel nicht so bauen zu lassen, wie bereits in vielen Plänen verankert war, wird über die Kompetenz des Verkehrsministeriums in dieser Sache debattiert. Die Wirtschaftskammer (WKO) und die Stadt Wien vertreten die Meinung, dass bereits beschlossene Projekte umgesetzt werden müssten. Die Stadt Wien präsentierte etwa ein Gutachten, in dem ausgeführt wird, dass Gewessler die im Bundesstraßengesetz ausgeführte rechtliche Verpflichtung zur Fertigstellung der Nordostumfahrung (S1) nicht auf eigene Faust ändern kann.

Gewessler: Alternativen zum Lobautunnel

Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach sich gegen den Bau des Lobautunnels aus und kündigte am Donnerstag neue Schritte an.

Der bei der WK Wien angesiedelte Standortanwalt Alexander Biach hatte hingegen die staatliche ASFINAG in der Pflicht gesehen, bereits im Bundesstraßengesetz verankerte Projekte wie den Lobautunnel umzusetzen und sich gegen Weisungen zu wehren. Verfassungsjurist Heinz Mayer, der im Auftrag der WK Wien ein Gutachten erstellte, sagte: „Mit der Aufnahme einer Straße in das Bundesstraßengesetz ist eine klare Entscheidung getroffen worden, dass die Straße zu errichten ist.“

Einladung an Wien und Niederösterreich

Gewessler betonte nun die strategische Prüfung. „Sie ist eine Grundvoraussetzung dafür, um die entsprechende Stelle aus dem Gesetz zu streichen“, sagte die Verkehrsministerin. Wie Gewessler ausführte, dauere solch eine Prüfung im Schnitt zwei Jahre. Man werde sich aber bemühen, möglichst schnell voranzukommen. Dann sei sie optimistisch, dass der Lobautunnel aus dem Gesetz falle.

Ortsschild Groß-Enzersdorf
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Seit Monaten wird um den geplanten Bau des Lobautunnels gerungen

Man habe die Stadt Wien und das Land Niederösterreich „wiederholt eingeladen“, über Alternativen zu sprechen. „Die Verkehrszuständigkeiten zwischen Bund und Land sind geteilt. Wenn wir zu guten Lösungen kommen wollen, müssen wir diese Dinge zusammen denken. Leider sind weder Land Niederösterreich noch die Stadt Wien der Einladung gefolgt.“ Man werde aber weiterhin versuchen, mit den beiden Partnern in Kontakt zu treten.

Wolle man die Zielsetzung einer klimafreundlichen Verkehrspolitik umsetzen, dürfe es keine „weitere Autobahn“ geben, so Gewessler. Man dürfe nicht auf „klimaschädlichen Großprojekten beharren“, wenn es bessere Alternativen gebe. Man könne „nicht mehr zubetonieren“, weil es in früheren Plänen so vorgesehen worden sei. Wegen der Klimakrise und der Risiken, die eine Verbauung mit sich bringe, müsse man sich auch sagen trauen: „Wir machen Dinge jetzt anders.“

Emberger stellte Alternativen vor

Dass Alternative vorhanden sind, sieht sie durch die Studie von Günter Emberger von der TU Wien bestätigt. Die Expertise sagt im Wesentlichen, dass es keine Maßnahmen über die ohnehin bereits geplanten brauche, um eine Anbindung von Wien-Donaustadt zu gewährleisten. Die Stadtstraße wird ja kofinanziert, zudem gibt es diverse Ausbaupläne im öffentlichen Verkehr, von S80 über Verlängerung der Straßenbahn 25 bis zu Schnellbussen.

Die Studie der TU argumentiert, dass schon die Umsetzung der von der Stadt Wien selbst gesetzten Ziele zu einer deutlichen Verkehrsentlastung führe. Eine höherrangige Straße wäre dagegen kontraproduktiv, würde sie doch zu mehr Verkehr führen. Die Ministerin sähe den Lobautunnel daher als massive Erschwerung der Zielerreichung. Bessere Alternativen seien der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und Investitionen in das niederrangige Straßennetz.

SPÖ Wien verärgert, Umweltschutzorganisationen erfreut

Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) zeigte sich verärgert über den Vorstoß von Gewessler. Während täglich mehr als 230.000 Pkws und jährlich 900.000 Transit-Lkws über die Tangente „durch die Stadt donnern“, spiele die Verkehrsministerin mit ihrer „Pseudoprüfung des bereits bestgeprüften Infrastrukturprojekts Österreichs“ auf Zeit. „Ziel ist es ganz offensichtlich, die überfällige Entlastung der Wienerinnen und Wiener zu verzögern und zu verschleppen – und dies ohne irgendeinen Lösungsansatz“, kritisierte Sima in einer Aussendung.

Die Wiener Grünen und Umweltorganisationen reagierten jedoch mit uneingeschränkter Zustimmung. Greenpeace begrüßte die Prüfung ausdrücklich. Diese könne die Grundlage dafür liefern, den „klima- und umweltzerstörerischen Lobautunnel“ ein für alle Mal aus dem Bundesstraßengesetz zu streichen. Lena Schilling, die Sprecherin der Initiative „Lobau bleibt“, hob hervor: „Die wissenschaftlichen Studien zeigen eindeutig: Es gibt Alternativen zu einer Autobahn durch die Lobau und mitten durch den Ortskern von Hirschstetten.“

Die Umweltschutzorganisation Virus verwies darauf, dass ihrer Ansicht nach für den S1-Lobau-Abschnitt ohnehin eine strategische Umweltprüfung nötig gewesen wäre. Global 2000 forderte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf, auch den Bau der Stadtautobahn „endlich zu stoppen“. „Für den Bau der Lobau-Autobahn gibt es aus Verkehrssicht keinen Bedarf“, konstatierte der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Stattdessen brauche es ein verstärktes öffentliches Verkehrsangebot.