Bauarbeiter fällen Baum
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Lobautunnel

Gewessler holt sich Politabsagen

Mit ihrer Ankündigung, das Projekt Lobautunnel endgültig aus dem Gesetz zu streichen, hat Leonore Gewessler (Grüne) den Regierungspartner in gewisse Aufruhr versetzt. Eine Gesetzesänderung sei „inakzeptabel“, so ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger. Ohnehin zeigte sich einmal mehr, dass in der Lobautunnel-Frage politische Farbenspiele entscheidend sein werden.

In einer Pressekonferenz am Donnerstag hatte die Verkehrsministerin nämlich eine „strategische Prüfung“ anvisiert. Diese sei auch die Basis, um das Bundesstraßengesetz zu ändern. Dort ist die Schnellstraße S1 mit gewissen Knoten und Anschlussstellen verankert. Diesen Punkt will Gewessler aus dem Gesetz streichen, dafür brauchen die Grünen aber parlamentarische Unterstützung, also in erster Linie die Zustimmung des Koalitionspartners. Die ÖVP machte aber keinen Hehl daraus, was sie vom Vorstoß der Ministerin hält.

„Mit uns als Volkspartei wird es keine Gesetzesänderung zur Streichung des Lobautunnels geben“, so Ottenschläger. Diese sei niemals Verhandlungsgegenstand und auch nicht Teil des gemeinsamen Regierungsprogramms gewesen. Über den jetzigen Vorschlag einer „strategischen Prüfung“ habe es keine Gespräche mit dem Koalitionspartner gegeben. Er hoffe, dass die Ministerin auf den Pfad der konstruktiven Zusammenarbeit zurückkehre.

Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grüne ist von einer Absage des Lobautunnels oder anderweitiger Projekte keine Rede. Allerdings wird in mehreren Punkten betont, dass sich das Verkehrsnetz in Österreich an ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen auszurichten habe. Das klingt auf den ersten Blick vage, wird jedoch mit Verweis auf die zu erreichenden Pariser Klimaziele etwas konkretisiert.

FPÖ mit Kritik, SPÖ verteidigt Wien

Mit einer raschen Umsetzung rechnet Gewessler aber ohnehin nicht. Wie sie ausführte, dauere solch eine strategische Prüfung im Schnitt zwei Jahre. Man werde sich bemühen, schneller voranzukommen. Dann sei sie optimistisch, dass der Lobautunnel aus dem Gesetz falle. Doch auch mit anderen Parteien kommt die Ministerin ins Strudeln. Denn bis auf die Grünen spricht sich keine parlamentarische Partei für eine Gesetzänderung aus.

Gewessler: Alternativen zum Lobautunnel

Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach sich gegen den Bau des Lobautunnels aus und kündigte am Donnerstag neue Schritte an.

Die FPÖ übte scharfe Kritik an den Plänen der Ministerin. „Mit ihrer Ankündigung einer strategischen Prüfung zur endgültigen Streichung des Lobautunnels aus dem Bundesstraßengesetz versucht die jeglicher Realität entrückte Ministerin, ein seit Jahrzehnten geplantes und für das Verkehrssystem der Stadt Wien genauso wie für die gesamte Ostregion bedeutsames Straßenbauprojekt endgültig zu vernichten“, sagte FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker.

Die SPÖ hingegen ortete ein Ablenkungsmanöver der Ministerin und verteidigte die Stadt Wien. „Während Wien als einziges Bundesland einen detaillierten Klimafahrplan hat, der den Weg zur Klimaneutralität bis 2040 vorgibt, fehlen die gesetzlichen Klimaziele auf Bundesebene schon seit mittlerweile 637 Tagen“, so Klimaschutzsprecherin Julia Herr. Die Stadt Wien, insbesondere die dort regierende SPÖ, ist freilich eine vehemente Befürworterin des Lobautunnels, dementsprechend scharf war die Kritik an Gewessler – mehr dazu in wien.ORF.at.

Rückendeckung von Umweltschutzorganisationen

Rückendeckung und Lob bekam Gewessler freilich aus den eigenen Reihen. Die Grünen seien für die Änderung des Bundesstraßengesetzes bereit, betonte Verkehrssprecher Hermann Weratschnig. Auch viele NGOs zeigten sich über die weiteren Schritte erfreut. Die Prüfung könne die Grundlage liefern, den „klima- und umweltzerstörerischen Lobautunnel“ aus dem Gesetz zu streichen, hieß es von Greenpeace. Lena Schilling, die Sprecherin der Initiative „Lobau bleibt“, hob hervor: „Die Studien zeigen eindeutig: Es gibt Alternativen zu einer Autobahn durch die Lobau und mitten durch den Ortskern von Hirschstetten.“

Ortsschild Groß-Enzersdorf
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Seit Monaten wird um den geplanten Bau des Lobautunnels gerungen

Die Umweltschutzorganisation Virus verwies darauf, dass ihrer Ansicht nach für den S1-Lobau-Abschnitt ohnehin eine strategische Umweltprüfung nötig gewesen wäre. Global 2000 forderte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf, auch den Bau der Stadtautobahn „endlich zu stoppen“. „Für den Bau der Lobauautobahn gibt es aus Verkehrssicht keinen Bedarf“, konstatierte der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Stattdessen brauche es ein verstärktes öffentliches Verkehrsangebot.

Finanzministerium: Unterschrift, keine Absage

Der jetzige Schritt von Gewessler ist ein weiterer Mosaikstein eines bisher schon lang gegangenen Weges. Vor knapp einem Jahr hatte die Ministerin für die Öffentlichkeit überraschend den Bau des Wiener Lobautunnels abgesagt. Zuletzt unterschrieb Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) das aktuelle Straßenbauprogramm der ASFINAG, das den S1-Ausbau um Wien inklusive Lobautunnel nicht beinhaltet. Gewessler sprach zwar von einem wichtigen Schritt. Das ÖVP geführte Finanzministerium wollte den Akt aber nicht als Absage verstehen.

Die politische Landschaft zwischen Wien und Niederösterreich macht es für Gewessler nicht einfacher, ihre Pläne umzusetzen. Sowohl in Wien als auch in Niederösterreich ist man vom Agieren der Ministerin nicht besonders angetan. So präsentierte die Stadt Wien etwa ein Gutachten, in dem ausgeführt wird, dass Gewessler mit dem Stopp die Kompetenzen einer Ministerin überschreitet.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne)
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Gewessler will eine Alternative zum Lobautunnel – doch die anderen Parteien ziehen nicht mit

Die Wirtschaftskammer Wien (WK Wien) zog nach und beauftragte Verfassungsjurist Heinz Mayer mit einem weiteren Gutachten. „Mit der Aufnahme einer Straße in das Bundesstraßengesetz ist eine klare Entscheidung getroffen worden, dass die Straße zu errichten ist“, sagte er. Gewessler hingegen argumentierte bisher, dass der Bau in groben Zügen vorgegeben wird, die konkrete Ausgestaltung aber nicht. Dass die Ministerin nun das Gesetz ändern will, deutet in die Richtung, dass sie auf Nummer sicher gehen möchte.

Einladung an Wien und Niederösterreich

Gewessler betonte nun die strategische Prüfung. „Sie ist eine Grundvoraussetzung dafür, um die entsprechende Stelle aus dem Gesetz zu streichen“, sagte die Verkehrsministerin. Wie Gewessler ausführte, dauere solch eine Prüfung im Schnitt zwei Jahre. Man werde sich aber bemühen, möglichst schnell voranzukommen. Dann sei sie optimistisch, dass der Lobautunnel aus dem Gesetz falle.

Man habe die Stadt Wien und das Land Niederösterreich „wiederholt eingeladen“, über Alternativen zu sprechen. „Die Verkehrszuständigkeiten zwischen Bund und Land sind geteilt. Wenn wir zu guten Lösungen kommen wollen, müssen wir diese Dinge zusammen denken. Leider sind weder Land Niederösterreich noch die Stadt Wien der Einladung gefolgt.“ Man werde aber weiterhin versuchen, mit den beiden Partnern in Kontakt zu treten.

Wolle man die Zielsetzung einer klimafreundlichen Verkehrspolitik umsetzen, dürfe es keine „weitere Autobahn“ geben, so Gewessler. Man dürfe nicht auf „klimaschädlichen Großprojekten beharren“, wenn es bessere Alternativen gebe. Man könne „nicht mehr zubetonieren“, weil es in früheren Plänen so vorgesehen worden sei. Wegen der Klimakrise und der Risiken, die eine Verbauung mit sich bringe, müsse man sich auch sagen trauen: „Wir machen Dinge jetzt anders.“

Emberger stellte Alternativen vor

Dass Alternative vorhanden sind, sieht sie durch die Studie von Günter Emberger von der TU Wien bestätigt. Die Expertise sagt im Wesentlichen, dass es keine Maßnahmen über die ohnehin bereits geplanten brauche, um eine Anbindung von Wien-Donaustadt zu gewährleisten. Die Stadtstraße wird ja kofinanziert, zudem gibt es diverse Ausbaupläne im öffentlichen Verkehr, von S80 über Verlängerung der Straßenbahn 25 bis zu Schnellbussen.

Die Studie der TU argumentiert, dass schon die Umsetzung der von der Stadt Wien selbst gesetzten Ziele zu einer deutlichen Verkehrsentlastung führe. Eine höherrangige Straße wäre dagegen kontraproduktiv, würde sie doch zu mehr Verkehr führen. Die Ministerin sähe den Lobautunnel daher als massive Erschwerung der Zielerreichung. Bessere Alternativen seien der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und Investitionen in das niederrangige Straßennetz.