Hand an Heizkörper
ORF.at/Patrick Bauer
Deutschland

200-Milliarden-Paket gegen Energiekrise

Mit einem 200 Milliarden Euro schweren Paket will die deutsche Regierung Bevölkerung und Betriebe angesichts der stark steigenden Energiekosten unterstützen. Wer damit konkret in welchem Umfang entlastet wird, steht noch nicht fest. Dazu soll eine Kommission bis Mitte Oktober Vorschläge machen. Statt der umstrittenen Gasumlage soll eine Gaspreisbremse kommen. Wirtschaftsforschungsinstitute warnen, das Milliardenpaket könnte die Inflation weiter anheizen.

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die geplante staatliche Stützung der Energieversorgung und die vorgesehenen Preisbremsen als „Doppelwumms“. Er erinnerte an seinen Ausspruch zu zurückliegenden staatlichen Hilfen in der CoV-Krise, dass es darum gehe, mit „Wumms“ aus der Krise zu kommen. „Man kann sagen, das ist hier ein Doppelwumms“, sagte Scholz auf einer Pressekonferenz. Es gehe darum, zügig und für alle schnell feststellbar die Preise für die Energie zu senken.

Die Regierung werde alles tun, damit die Preise sinken, erklärte Scholz. Entlastet werden sollen Pensionistinnen und Pensionisten, Familien, Handwerksbetriebe und die Industrie. Die Pläne für ein Hilfspaket versetzten die Regierung in die Lage, auf die vorgesehene Gasumlage zu verzichten, sagte Scholz. „Sie wird nicht mehr gebraucht.“

Robert Habeck, Olaf Scholz (auf einem Bildschirm zugeschalten) und Christian Lindner
Reuters/Lisi Niesner
Habeck, der zugeschaltete Kanzler Scholz und Lindner: Wie das Geld genau ausgeben werden soll, soll eine Kommission ausarbeiten

Die Gasumlage, die eigentlich vom 1. Oktober an erhoben werden sollte, werde nun per Verordnung zurückgezogen, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Sollten Verbraucherinnen und Verbraucher sie schon gezahlt haben, müsse sie zurückgezahlt werden.

Kritik an Russland

Nach Worten Habecks wird eine „enorme finanzielle Kraft“ aufgebracht, „um die Zukunftsfähigkeit und die Investitionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stützen und zu erhalten“. „Es geht nicht nur darum, irgendwie durch diese Krise durchzukommen, sondern als starke und robuste Volkswirtschaft diese Zeit zu bestehen.“

Scholz sagte, dass Russland seine Energielieferungen als Waffe einsetze. Spätestens seit den Beschädigungen an den Pipelines in der Ostsee könne man daher sagen: „Auf absehbare Zeit wird Gas aus Russland nicht mehr geliefert werden.“

Mehrwertsteuersenkung auf Gas bleibt bestehen

Trotz des Wegfalls der Gasumlage soll die Mehrwertsteuer auf die Lieferung von Gas wie geplant vom 1. Oktober an reduziert werden. „Die Mehrwertsteuersenkung (…) bleibt erhalten und wird auch auf die Fernwärmeverträge übertragen werden“, sagte Habeck.

Die Mehrwertsteuer auf Gas soll von 1. Oktober bis zum 31. März 2024 nur sieben statt 19 Prozent betragen. Die Finanzmittel zur Finanzierung der Senkung sind laut Habeck nicht in den genannten 200 Mrd. Euro enthalten.

Finanzminister appelliert an CDU/CSU

Der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) rief die oppositionelle Union dazu auf, den geplanten milliardenschweren „Abwehrschirm“ gegen galoppierende Energiepreise zu unterstützen. „Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit“, sagte Lindner mit Blick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine.

Die Größe des Abwehrschirms mit dem geplanten Volumen von bis zu 200 Mrd. Euro solle das auch zeigen. „In einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, erwarte ich auch, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Prinzip dem Vorgehen zustimmt.“

CSU-Chef Markus Söder lobte den vom Bund geplanten „Abwehrschirm“ im Grundsatz. Er habe immer einen großen Wurf gefordert, „dies scheint der Fall zu sein“, sagte der bayerische Ministerpräsident in München. Abschließend könne er die Ankündigung der deutschen Ampelregierung nicht bewerten. Es seien aber zwei gute und grundsätzlich richtige Signale, dass die Gasumlage wegkomme und es auch einen Deckel für die Gaspreise geben solle.

Warnung: Inflation könnte angeheizt werden

Die Koalitionspartner waren wegen des Ausbleibens russischer Gaslieferungen nach Deutschland im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in den vergangenen Tagen unter wachsenden Druck geraten. Mit einer Gasumlage sollten ursprünglich große Gasversorger vor der Insolvenz bewahrt werden. Die Kostensteigerung für die Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Umlage wurde aber kritisch gesehen.

Deutschland schlittert in Rezession

Die Wirtschaft insgesamt ist durch die Energiekrise schwer belastet. Deutschland trifft es dabei besonders hart – das Land schlittert in eine Rezession.

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute warnten davor, dass eine Gaspreisbremse die ohnehin schon hohe Inflation weiter anfachen könnte, weil Konsumentinnen und Konsumenten dann wieder mehr Geld ausgeben könnten. Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes sprang die jährliche Teuerungsrate im September auf 10,0 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit rund 70 Jahren. Eine solche Bremse ist zudem in der Kritik, weil es nach Ansicht von Kritikerinnen und Kritikern dann weniger Anreize gebe, das knappe Gas zu sparen.

Rezession droht

Die Energiekrise dürfte nach Einschätzung von Wirtschaftsforscherinnen und -forschern Deutschland in die Rezession führen. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die Fachleute wegen des besseren ersten Halbjahres noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, im kommenden Jahr erwarten sie dann einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent. Erst für 2024 gehen sie von einer Entspannung auf den Energiemärkten und damit auch von einer wirtschaftlichen Erholung aus.