Regler einer Gastherme
ORF.at/Christian Öser
Schnellschätzung

Inflation im September bei 10,5 Prozent

Die Inflationsrate in Österreich steigt weiter. Laut Schnellschätzung der Statistik Austria dürfte sie im September auf 10,5 Prozent geklettert und damit in den zweistelligen Bereich vorgedrungen sein. Ein derart hoher Wert wurde zuletzt im Juli 1952 errechnet, teilte die Statistik Austria am Freitag in einer Aussendung mit.

Angeheizt wurde die Teuerung insbesondere von den hohen Preisen für Haushaltsenergie und Treibstoffe. Für den WIFO-Inflationsexperten Josef Baumgartner gaben die im September vorgenommenen Tarifanpassungen für Gas und Strom in der Osthälfte Österreichs den stärksten Impuls. „Da haben Wien Energie und die EVN die Preise auch für ihre Bestandskunden sehr deutlich nach oben angehoben“, sagte der Ökonom im Ö1-Mittagsjournal. Im Westen habe es diese Erhöhungen bisher nur bedingt gegeben. Es sei aber davon auszugehen, dass auch dort die Preise erhöht werden – spätestens im nächsten Jahr.

Nach seiner Einschätzung ist die Inflation daher noch nicht am Höhepunkt angekommen, zumal die CO2-Bepreisung, die am Samstag in Kraft tritt, die Inflation weiter antreiben dürfte. Baumgartner: „Wenn man den Steuereffekt noch mit berücksichtigt, dann wird das den Treibstoffpreis um knapp zehn Cent erhöhen.“ Die für Dezember angekündigte Stromkostenbremse lasse allerdings dann einen Dämpfer erwarten.

Weniger verantwortlich für den Anstieg der Inflationsrate erwiesen sich die Lebensmittelpreise, wobei es laut Statistik Austria auch in diesem Bereich zu einer weiteren Erhöhung kam. Folgt man einem aktuellen Preismonitor der Arbeiterkammer (AK), schlägt die Teuerung bei Nahrungsmitteln wesentlich kräftiger durch. So koste ein Einkaufskorb „mit preiswertesten Lebens- und Reinigungsmitteln“ seit September 2021 um 33,2 Prozent mehr. Merklich verteuert hätten sich unter anderem Nahrungsmittel wie Sonnenblumenöl, Mehl und Butter, geht aus der AK-Analyse hervor.

Grafik zur Inflation in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Statistik Austria

SPÖ und Gewerkschaft fordern Deckel

Die SPÖ forderte angesichts der Teuerung einmal mehr, die Preise zu senken. Die größte Oppositionspartei schlug vor, Erdgas staatlich einzukaufen und gestützt – also unter dem Einkaufspreis – an Unternehmen, Haushalte und Gaskraftwerksbetreiber weiterzugeben. „Für Volkswirtschaften gibt es nichts Teureres als Hunderttausende Arbeitslose“, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Freitag in einer Pressekonferenz. Die Inflation sei so hoch wie 1952, „dem Geburtsjahr meiner Mutter“, nicht mehr.

Dass Deutschland nun handelt, heißt für Rendi-Wagner, dass man dort nicht mehr an eine europäische Lösung glaube. Es sei auch in Österreich Zeit für einen „Doppelwumms“, zitierte sie den deutschen Kanzler Olaf Scholz. Die SPÖ forderte für Österreich neben einer Obergrenze für Gas auch einen Deckel für Benzin und Diesel sowie weiter eine Verschiebung der CO2-Bepreisung.

Auch der Gewerkschaftsbund möchte staatliche Preisobergrenzen. „Wir haben als ÖGB gesagt, wir brauchen sowohl einen Strompreisdeckel als auch einen Gaspreisdeckel“, sagte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian am Freitag im Ö1-Morgenjournal. Seiner Ansicht nach ist die Preisbildung im Energiesektor Ursache der hohen Preise. „Die Ursache bekämpfen heißt, auf der europäischen Ebene die Merit-Order auszusetzen und eine Trennung von Gas- und Strommarkt durchzuführen.“ Den Expertinnen und Experten riet Katzian, „bessere Vorschläge“ zu machen.

NEOS fordert „entschlossenes Handeln“

„Das war leider vorhersehbar und wird sich auch so schnell nicht mehr ändern“, so NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker zur aktuellen Schnellschätzung der Statistik Austria. „Und dennoch hat es die Bundesregierung bis heute verabsäumt, endlich Maßnahmen vorzulegen, damit den Menschen in Österreich am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche bleibt.“

Unter der höchsten Inflation seit 1952 leide mittlerweile ganz Österreich, nur einer nicht, so Loacker: „Und das ist der Finanzminister. Denn seine Steuereinnahmen sprudeln und sprudeln und werden heuer die symbolische Marke von 100 Milliarden Euro übersteigen. Diese Mehreinnahmen müssen endlich zurück zu den Menschen und den Betrieben, die jetzt Unterstützung brauchen.“

Eine zweistellige Inflationsrate erfordere entschlossenes Handeln und echte Reformen, „die Zeit der kosmetischen Maßnahmen muss vorbei sein“, so Loacker. „An einer drastischen Senkung der Steuern und einer drastischen Senkung beziehungsweise Übernahme der Lohnnebenkosten führt jetzt kein Weg mehr vorbei." ÖVP und Grüne müssten erkennen, dass der Staat „dort handeln soll und muss, wo er verantwortlich ist“. Das sei bei Steuern und Abgaben. „Steuern und Lohnnebenkosten müssen runter, Löhne und Gehälter rauf“, so die Forderung.

FPÖ: Österreich braucht radikalen Kurswechsel

„ÖVP und Grüne fahren unsere Wirtschaft sehenden Auges und – so muss man es leider sagen – mit voller Absicht an die Wand“, so der freiheitliche Wirtschaftssprecher Erwin Angerer angesichts der aktuellen Inflationsrate. „Die Ursachen der Rekordinflation liegen in der verfehlten Geldpolitik der EU sowie in den gescheiterten Sanktionen gegenüber Russland, die einen massiven Preistreiber darstellen“, so Angerer. Man solle sich an der expansiven Geldpolitik der Schweiz orientieren, forderte er.

Zusätzlich angeheizt, so der Wirtschaftssprecher, würde die Inflation durch die kurzsichtige und falsche Energiepolitik, die auf Bundes- und EU-Ebene betrieben wird. „Die neuen Sanktionen gegenüber Russland und die morgen in Kraft tretende CO2-Steuer werden die Preisspirale im Energiebereich noch einmal weiter nach oben treiben.“ Der einzige Ausweg sei ein radikaler politischer Kurswechsel.

Handelsverband: Politik muss gegensteuern

„Die neuesten Zahlen der Statistik Austria und das aktuelle HV-Konsumbarometer bestätigen die dramatische Lage im Handel und in der Bevölkerung“, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Wenn die Politik nicht fundamental gegensteuere, drohe 900 Handelsunternehmen bzw. 6.000 Geschäften bis Jahresende die Schließung.

Bereits jetzt verzeichne die Branche mehr Insolvenzen als in den CoV-Jahren 2020 und 2021 zusammen. „Um diesen wirtschaftlichen Kahlschlag zu verhindern, braucht es endlich eine Reformagenda mit einem ganzen Set an kurzfristigen wie langfristig wirksamen Maßnahmen“, so der Appell Wills an die Bundesregierung. Er forderte etwa eine Ausweitung des Energiekostenzuschusses auf alle betroffenen Händler, „so wie dies auch der Beihilferahmen der EU-Kommission ermöglichen würde“.

Auch in Deutschland höchster Stand seit 1950er Jahren

Auch in Deutschland stieg die Inflation im September laut einer ersten Schätzung stark, auf den höchsten Stand seit Anfang der 1950er Jahre. Nach dem Wegfall des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts kosteten Waren und Dienstleistungen durchschnittlich 10,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte.

Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg auf 9,4 Prozent gerechnet nach 7,9 Prozent im August. „Mit diesem neuen 70-Jahres-Hoch ist allerdings der Höhepunkt der Inflation leider noch nicht erreicht“, sagte Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK-Institut. „In den kommenden Monaten wird es noch weiter aufwärts gehen.“

Frau betankt ein Auto
ORF.at/Christian Öser
Vor allem Treibstoffe sind teurer geworden

Inflationsrate wohl in gesamter Euro-Zone zweistellig

Auch im Rest der Euro-Zone ist die Inflation voraussichtlich auf einen neuen Rekordwert von 10,0 Prozent gestiegen und damit erstmals zweistellig. Das gab die Statistikbehörde Eurostat am Freitag auf der Grundlage erster Schätzungen bekannt. Laut diesen legten allein die Energiepreise um 40,8 Prozent zu. Es ist der stärkste Anstieg seit der Einführung des Euro als Buchgeld im Jahr 1999. Analysten hatten mit einer Inflationsrate von 9,7 Prozent gerechnet. Im Vormonat waren die Verbraucherpreise um 9,1 Prozent gestiegen, schon das war ein Rekord gewesen.

Getrieben wurde die Teuerung abermals durch den sehr starken Anstieg der Energiepreise, die sich zum Vorjahresmonat um 40,8 Prozent erhöhten. Auch Lebens- und Genussmittel verteuerten sich mit 11,8 Prozent deutlich. Industriegüter waren 5,6 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, für Dienstleistungen mussten 4,3 Prozent mehr gezahlt werden. Die Kerninflation ohne Energie, Lebens- und Genussmittel stieg von 4,3 auf 4,8 Prozent.

Die höchsten Inflationsraten im Währungsraum wiesen mit mehr als 20 Prozent erneut die drei baltischen Staaten auf. So stiegen die Verbraucherpreise in Estland um 24,2 Prozent, in Litauen um 22,5 Prozent und in Lettland um 22,4 Prozent.

Weiterer Zinsschritt der EZB erwartet

Mit dem unerwartet kräftigen Inflationsschub wird nun ein weiterer großer Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der nächsten Zinssitzung im Oktober immer wahrscheinlicher. Zuletzt hatten zahlreiche Währungshüter erklärt, dass eine Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte auf der Tagesordnung stehen sollte. Denn das Inflationsziel der EZB rückt jetzt immer mehr in die Ferne. Die Teuerungsrate ist mittlerweile fünfmal so hoch wie das Notenbankziel von zwei Prozent.

„Beängstigend ist, dass der Inflationsanstieg rasant breiter wird“, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, die Daten. Auch der schwache Euro treibe den Inflationsanstieg an. „Dies erhöht den Druck auf die EZB, den Leitzins schnell und kräftig anzuheben.“ Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die hohe Inflation inzwischen dazu geführt, dass mehr und mehr Menschen bezweifelten, ob die EZB die Inflation langfristig wie versprochen auf zwei Prozent begrenzen kann.