Polizisten beim zerstörten Konvoi
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Saporischschja

Viele Tote bei Angriff auf zivilen Konvoi

Bei einem Raketenangriff auf einen zivilen Autokonvoi in der Nähe der südukrainischen Stadt Saporischschja sind am Freitag Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft 25 Menschen getötet und rund 50 verletzt worden.

Der Angriff ereignete sich nach Angaben des ukrainischen Gouverneurs der Gebietsverwaltung von Saporischschja, Olexandr Staruch, nahe einem bei der Stadt gelegenen Kontrollpunkt zwischen dem ukrainisch kontrollierten und dem von Russland besetzten Teil der Region. Die Opfer des Angriffs seien in einer Schlange gestanden, um „Bekannte und Verwandte zu treffen und Hilfe zu erhalten“, so Staruch. Der „Feind“ habe einen „humanitären Konvoi“ mit Raketen beschossen.

Saporischschja: Tote bei Angriff auf Konvoi

In der Nähe der südukrainischen Stadt Saporischschja sind nach Angaben der Regionalregierung bei einem russischen Raketenangriff auf einen zivilen Autokonvoi Dutzende Menschen getötet und verletzt worden. Augenzeugen berichteten gegenüber der BBC von mehreren Raketeneinschlägen.

Die prorussische Verwaltung im russisch besetzten Teil von Saporischschja machte hingegen die Ukraine für den Angriff verantwortlich. Das „Kiewer Regime“ versuche, den Vorfall als Beschuss durch russische Einheiten darzustellen, schrieb der prorussische Behördenvertreter Wladimir Rogow auf Telegram.

Ziel des Angriffs sei es gewesen, Zivilisten daran zu hindern, die russisch besetzten Gebiete zu erreichen. Die Ukraine habe „unsere Leute“ angegriffen. Beide Seiten veröffentlichten Fotos von zerstörten Autos und daneben liegenden Leichen, die die Folgen des Angriffs zeigen sollen. Unabhängige Angaben über die Ereignisse gibt es nicht.

Selenskyj: „So können nur absolute Terroristen handeln“

Augenzeugen berichteten gegenüber der BBC von mehreren Raketeneinschlägen. Man sei gerade angekommen und kurz aus dem Auto ausgestiegen, dann sei eine erste Rakete eingeschlagen, so eine Augenzeugin. „Wir fielen auf den Boden. Dann schlug die zweite Rakete in der Mitte der Warteschlange ein.“ Kurz darauf habe es eine weitere Explosion gegeben. Ein Raketeneinschlag habe in der Nähe zweier Fahrzeugreihen einen Krater verursacht.

Krater vor zerstörtem Konvoi
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Laut Augenzeugenberichten seien mehrere Raketen eingeschlagen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lastete Russland den Beschuss von Zivilisten in Saporischschja und anderen Orten an. „So können nur absolute Terroristen handeln, für die in der zivilisierten Welt kein Platz ist“, schrieb der Staatschef am Freitag auf Telegram. Moskau wolle sich für seine Misserfolge und den ungebrochenen ukrainischen Widerstand rächen. Für jedes verlorene Leben von Ukrainern werde Moskau zur Verantwortung gezogen. Laut Selenskyj wurden 16 Raketen auf Saporischschja und Umgebung abgefeuert.

Immer wieder Ziel russischer Raketen

Bisher halten russische Truppen rund 70 Prozent der Region besetzt – allerdings nicht die Gebietshauptstadt Saporischschja selbst. Der ukrainisch kontrollierte Teil wird immer wieder von Russland mit Raketen beschossen.

In der benachbarten Region Cherson wurde in der Nacht auf Freitag nach Angaben prorussischer Kräfte ein von den russischen Besatzern eingesetzter Behördenvertreter getötet. Der stellvertretende Sicherheitschef der Region, Alexej Katerinitschew, sei bei einem „präzisen Angriff“ durch die ukrainischen Streitkräfte getötet worden, sagte der stellvertretende prorussische Verwaltungschef von Cherson, Kirill Stremusow, nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS. Zwei Geschoße seien von einem HIMARS-Raketenwerfer auf sein Haus abgefeuert worden.

Putin inszeniert Annexion

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstag die Unabhängigkeit der Regionen Saporischschja und Cherson per Dekret anerkannt. Am Freitag unterzeichnete er in einer großangelegten Zeremonie im Kreml die Annexionsdokumente und erklärte Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja zu vier neuen Regionen Russlands.

Bühnenaufbauten in Moskau
Reuters/Evgenia Novozhenina
Der Rote Platz in Moskau wurde für die Annexionszeremonie weiträumig abgesperrt

Als Grundlage der Annexion hatte Russland in den besetzten ukrainischen Gebieten mehrtägige, vom Westen nicht anerkannte Scheinreferenden durchgeführt. In diesen „Referenden“ stimmten nach Angaben der dortigen prorussischen Behörden nahezu 100 Prozent der Bevölkerung einer Eingliederung in russisches Staatsgebiet zu.

„Faktisch“ eingekesselt

Ungeachtet der von Putin nun formal vollzogenen Annexion gehen die Gefechte auf den Kriegsschauplätzen unvermindert weiter. Beim Kampf um die strategisch wichtige Kleinstadt Lyman im Gebiet Donezk nahmen ukrainische Truppen nach russischen Angaben mehrere Orte östlich der Stadt ein.

„Gegen Mitternacht ist es den ukrainischen Truppen gelungen, Lyman faktisch einzukesseln“, teilte das nationalistische Militärblog „Rybar“ am Freitag mit. Die Ortschaft Stawky im Norden Lymans sei gefallen, östlich von Lyman, in Saritschne, gebe es Straßenkämpfe. Die ukrainische Eroberung von Stawky bestätigte auch der russische Militärblogger Semjon Pegow.

„Die Straße zwischen Lyman und Torske befindet sich unter ständigem Feuer des Gegners“, berichtete „Rybar“. Die Straße nach Torske war nach dem Vorstoß der ukrainischen Kräfte westlich und nördlich von Lyman die einzige Nachschubverbindung der russischen Garnison in der Stadt.

Für prorussischen Führer „verstörend“

Wenig später bestätigte auch der prorussische Separatistenführer von Donezk, Denis Puschilin, dass die russischen Verbände in Lyman „teilweise umzingelt“ seien. Die Nachrichten aus Lyman bezeichnete Puschilin als „verstörend“ – nun gelte es durchzuhalten, „aber der Feind hat schwere Kräfte eingesetzt“.

Nach Angaben aus dem Kreml werde Russland die „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk in „den Grenzen von 2014“ anerkennen. Was die ukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson, betrifft, „muss ich das noch klären, ich kann diese Frage derzeit nicht beantworten“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nur kurz vor der offiziellen Annexionszeremonie.

Russischer Blogger warnt vor „Schicksal von Balaklija“

„Rybar“ verwies auch auf einen ukrainischen Sturm auf die Stadt Jampil südöstlich von Lyman. „Wenn nicht innerhalb von 24 Stunden entschiedene Maßnahmen vonseiten der russischen Militärführung getroffen werden, erwartet Lyman das Schicksal von Balaklija.“

Mit der Rückeroberung von Balaklija haben die ukrainischen Truppen eine Großoffensive im Gebiet Charkiw begonnen, infolge derer Kiew fast das ganze Gebiet wieder unter seine Kontrolle brachte und die russischen Truppen zu einem hastigen Rückzug zwang. Sollte der Ukraine die Eroberung von Lyman gelingen, öffnet sich für das ukrainische Militär der Weg nach Swatowe und Kreminna und damit tief in das Gebiet Luhansk hinein, das Moskau seit dem Sommer weitgehend unter eigene Kontrolle gebracht hatte.