Klimaschutministerin Leonore Gewessler (Grüne) unterhaltet sich mit anderen Ministern
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Gaspreis

EU-Einigung auf Gewinnabschöpfungen

Aufgrund der hohen Energiepreise haben sich am Freitag die zuständigen Energieminister und -ministerinnen der EU auf eine Gewinnabschöpfung geeinigt. Künftig müssen Energieunternehmen einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben, hieß es vonseiten der tschechischen Ratspräsidentschaft. Noch keinen Beschluss gab es zu einem möglichen europäischen Gaspreisdeckel.

Mit dem Geld der Energieunternehmen sollen Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet werden. Die Einigung muss noch formell bestätigt werden. Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Krieges Russlands gegen die Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden.

Das liegt daran, dass der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk bestimmt wird, das zur Produktion eingeschaltet wird – derzeit sind das vor allem Gaskraftwerke (Merit-Order-Prinzip). Auch Produzenten von billigerem Strom – etwa aus Sonne, Wind, Atomkraft und Braunkohle – können diesen zu hohen Preisen verkaufen.

Deckelung bei 180 Euro pro Megawattstunde

Ihre Einnahmen sollen künftig bei 180 Euro pro Megawattstunde gedeckelt werden, wie Diplomaten bestätigten. Die Maßnahmen treffen nicht nur die Produzenten von billigem Strom aus erneuerbaren und anderen Quellen, sondern auch Öl-, Kohle- und Gasunternehmen sowie Raffinerien. Sie sollen eine Solidaritätsabgabe von mindestens 33 Prozent auf ihre Übergewinne zahlen.

Deutscher Klimaschutzminister Robert Habeck, ungarischer Außenminister Péter Szíjjártó und niederländischer Energieminister  Rob Jetten
AP/Virginia Mayo
Mit der Gewinnabschöpfung wollen die Energieminister Verbraucher entlasten

Ebenfalls auf der Tagesordnung der Energieminister steht die Diskussion über einen EU-weiten Gaspreisdeckel. Das hatten mehr als die Hälfte der EU-Staaten gefordert. Eine Entscheidung dazu wird aber am Freitag noch nicht erwartet. Zögern kommt vor allem von osteuropäischen Ländern und auch von Österreich. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) forderte für den Fall einer Einführung eines Preisdeckels auf importiertes Gas Sicherheiten.

„Kein Experiment auf Rücken der Versorgungssicherheit“

Es müsse allen EU-Staaten klar sein, dass Österreich nach wie vor abhängig von Erdgasimporten aus Russland sei, sagte Gewessler am Freitag vor dem EU-Sondertreffen in Brüssel. In den vorliegenden Vorschlägen sei nicht garantiert, dass „unsere Lieferanten weiter nach Europa ausreichend Gas liefern, wenn wir nicht den genannten Preis bezahlen“.

Es dürfe kein „Experiment auf dem Rücken der Versorgungssicherheit“ geben, betonte die Energieministerin weiter. Außerdem wäre die Einführung eines europaweiten Preisdeckels auf russisches Gas eine sanktions- und keine energiepolitische Maßnahme.

EU-Einigung auf Gewinnabschöpfungen

In Brüssel haben die EU-Energieminister am Freitag ein Krisenpaket gegen die hohen Strompreise beschlossen. Die 27 Mitgliedstaaten verspflichten sich zum Stromsparen. Auch wollen sie künftig die Übergewinne von Energiekonzernen abschöpfen und mit den Einnahmen Verbraucher und Unternehmen entlasten. Beim Streit um einen Gaspreisdeckel kamen die Minister jedoch nicht weiter.

Habeck bremst bei Gaspreisdeckel

Sanktionen müssten in der Europäischen Union mit Einstimmigkeit beschlossen werden, andernfalls reicht die Zustimmung von mindestens 15 Ländern mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Weiters pochte die Ministerin auf einen Vorschlag zur Entkoppelung des Strom- und Gaspreises. Auch wolle sie erneut einen gemeinsamen Gaseinkauf einfordern.

Auch der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dämpfte Erwartungen an einen europäischen Gaspreisdeckel. Man könne damit den Gaspreis nicht so weit heruntersubventionieren, wie er 2021 war. Zudem werde nicht jede Preiserhöhung vermieden werden können.

Weitere Maßnahmen gefordert

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) forderte die EU-Kommission ebenfalls auf, „dringend ein Modell zur Entkoppelung des Strom- und Gaspreises“ vorzulegen. Die auf dem Tisch liegenden Maßnahmen würden „zu kurz greifen“, kritisierte Nehammer. „Denn es müssen die Preise gebändigt werden, und das geht nur auf europäischer Ebene.“

Auch nach Ansicht des tschechischen Industrieministers Jozef Sikela sind weitere Notfallmaßnahmen nötig. Das Paket von Freitag „ist nur der erste Teil des Puzzles“, sagte Sikela. Man sei mit Russland in einem Energiekrieg. „Die entscheidende Schlacht wird in diesem Winter sein.“ Er erwarte sich, „dass die (EU-)Kommission so bald wie möglich zusätzliche Maßnahmen vorlegt, insbesondere zur Senkung des Gaspreises und zur sofortigen Entlastung der Industrie“, betonte Sikela. „Es gibt keine Zeit zu verlieren.“

Zu wenig: AK, ÖGB und Greenpeace mit Kritik

Aus Österreich wurde mit Kritik auf die europäische Einigung reagiert. Für den Steuerexperten der Arbeiterkammer, Dominik Bernhofer, fehlt es etwa an den notwendigen Markteingriffen, um die Energiekrise zu lösen. Auch die Abschöpfung der Übergewinne sei „nur ein Anfang, wo national nachgeschärft werden muss“. In ein ähnliches Horn stieß die Chefökonomin des ÖGB, Helene Schuberth: „Es fehlen fundamentale Markteingriffe. Werden Strom- und Gaspreis nicht schleunigst entkoppelt, drohen Europa soziale Verwerfungen und Deindustrialisierung.“

Greenpeace befindet das Abschöpfungsmodell für „zu schwach“. „Finanzminister Brunner ist jetzt gefordert, ein deutlich härteres Modell in Österreich umzusetzen, als es die EU vorschlägt. Die Steuer muss die Krisengewinne zu 100 Prozent abschöpfen, um eine faire Umverteilung der unmoralischen Rekordprofite fossiler Konzerne zu garantieren und jedenfalls rückwirkend ab 2022 greifen“, so die Klima- und Energieexpertin der Umweltorganisation, Jasmin Duregger.

WKO stößt sich an Übergewinnsteuer

Aus der Energiewirtschaft hieß es, dass man Maßnahmen auf europäischer Ebene grundsätzlich begrüße. Michael Strugl, Präsident von Österreichs Energie, äußerte mit Blick auf die Begrenzung der Erlöse aus der Stromerzeugung aber Zweifel an der Umsetzbarkeit. Die Wirtschaftskammer stößt sich prinzipiell an der Übergewinnsteuer. „Wir haben uns heute eine starke europäische Antwort erwartet, stattdessen wird wieder nur eine Symptombekämpfung beschlossen, als dass Maßnahmen gesetzt werden, die die Preisentwicklung dämpfen“, meinte WKO-Präsident Harald Mahrer.

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des industrienahen Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, fürchtet, dass durch die Gewinnabschöpfung Anreize zum Ausbau der Erneuerbaren Energien auf der Strecke bleiben könnten. Außerdem dürften die erhofften Steuereinnahmen im Jahr 2023 ohnehin nicht so hoch ausfallen wie erhofft, da viele Termingeschäfte für das kommende Jahr bereits zu niedrigeren Preisen abgeschlossen worden seien.

Die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon bezeichnete die Gewinnabschöpfung hingegen als „dringend notwendig“. „Sie wirkt sofort und kann die Menschen in Europa spürbar entlasten. Das ist ein noch nie da gewesenes Instrument und ein Durchbruch für Europa.“ Allerdings sei auch klar, dass weitere Maßnahmen folgen müssten: „Der nächste große Schritt auf EU-Ebene muss die Entkoppelung des Strom- und Gaspreises sein.“