Häuser am Strand in Florida
Getty Images/Lisa-Blue
Beispiel Florida

Klimawandel gefährdet Immobilienmarkt

Fachleute warnen seit Langem vor den dramatischen Folgen, die die menschengemachte Klimaveränderung für das tägliche Leben haben wird – gerade auch für die Wirtschaft. In wohlhabenden Ländern führt die Klimakrise neben den unmittelbaren Gefahren für Leben und Eigentum auch zu einer Immobilienkrise. Im US-Bundesstaat Florida, in dem eben Hurrikan „Ian“ enorme Verwüstungen anrichtete, ist das bereits zu beobachten.

Denn Versicherer und Banken verweigern Hausbesitzern dort bereits in großer Zahl Schutz und Kredit. Und die Banken reichen das Risiko an staatliche Kreditgeber weiter – allen voran an die aus der Finanzkrise 2008 bekannten staatsnahen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac.

Auf bis zu 40 Milliarden schätzen Fachleute den Schaden durch Hurrikan „Ian“. Die Klimakrise macht auch Hurrikane gefährlicher. Der auf Versicherungen spezialisierte Analyst Matthew Carletti von JMP Securities brachte die Überlegungen der Versicherer gegenüber dem TV-Sender CNN so auf den Punkt: „Wann gab es zuletzt einen 30 bis 40 Milliarden Dollar hohen Verlust in Illinois? Niemals.“

Zerstörung nach dem Hurrikan „Ian“ in St. James City, Florida
AP/Gerald Herbert
Zehntausende Häuser hat allein der Hurrikan „Ian“ völlig oder beinahe zerstört

400.000 Versicherungen heuer gekündigt

Doch der Sturm und insgesamt die Klimakrise dürften auch für Hausbesitzerinnen und -besitzer außerhalb der verwüsteten Gebiete teils dramatische Folgen haben: Die Versicherer rechnen längst die Risiken für Extremwetterereignisse wie Stürme, Überschwemmungen oder Waldbrände bei ihren Polizzen ein.

Die Folgen: Entsprechend höhere Versicherungsraten und Versicherer, die sich aus bestimmten Hochrisikoregionen, wie etwa dem Süden Floridas, ganz zurückziehen. Hausbesitzern werden Versicherungen gekündigt – allein heuer bereits in 400.000 Fällen –, und sie haben kaum Möglichkeiten, eine neue abzuschließen. All das führt teils dazu, dass die Häuser an Wert verlieren – während die Versicherungen immer teurer werden.

Klimawandel gefährdet Immobilienmarkt

Fachleute warnen seit Langem vor den dramatischen Folgen, die die menschengemachte Klimaveränderung für das tägliche Leben haben wird – gerade auch für die Wirtschaft. In wohlhabenden Ländern führt die Klimakrise neben den unmittelbaren Gefahren für Leben und Eigentum auch zu einer Immobilienkrise. Im US-Bundesstaat Florida, in dem eben Hurrikan „Ian“ enorme Verwüstungen anrichtete, ist das bereits zu beobachten.

Notversicherer wird gestürmt

Ein im Besitz des Bundesstaats Florida befindlicher Versicherer, Citizens Property Insurance Corp., ist mittlerweile längst der größte Immobilienversicherer im „Sunshine-State“. Dabei wurde er 2002 nur als Notinstanz geschaffen – für all jene, die von privaten Versicherern abgewiesen werden.

In den letzten zwei Jahren ging laut „Washington Post“ ein dutzend Versicherungsunternehmen in Florida bankrott. Viele, vor allem größere Versicherer, haben sich ganz oder weitgehend aus Florida zurückgezogen. Ihnen ist das Risiko, gerade durch Unwetter, verglichen mit anderen Landesteilen, mittlerweile zu groß. Die verbliebenen Versicherer sind oft regional und relativ klein – und dürften bei größeren Unglücken wie Hurrikan „Ian“ finanziell rasch überfordert sein. Laut „Washington Post“ könnte es nötig werden, dass der Bundesstaat oder sogar Washington diese Versicherer auffängt.

Schon lange Probleme

Die Probleme auf Floridas Immobilienmarkt sind – abseits der dort besonders hohen Risiken von Naturkatastrophen – freilich auch hausgemacht. Versicherer beklagen laut CNN vor allem die sehr klägerfreundliche Gesetzgebung Floridas. Während es im viel größeren Bundesstaat Kalifornien im Vorjahr 3.500 Klagen gegen Versicherer durch Hausbesitzer gegeben habe, seien es in Florida 116.000 gewesen.

Anwaltskanzleien, die Sammelklagen organisieren, sehen die Ursache für die vielen Klagen dagegen in fehlender Regulierung. Die Versicherer seien völlig frei darin, festzulegen, wie viel sie für eine Versicherung verlangen – und welche Schäden sie bereit sind, abzudecken, daher die vielen Klagen.

Dazu kommt, dass zwar Sturmschäden, nicht aber Schäden durch Überschwemmungen von Hausversicherern abgedeckt werden. Dafür muss man in den USA eine eigene Polizze beim staatlichen Versicherer National Flood Insurance Programme abschließen. Eine solche hat laut Floridas Senator Jeff Brandes aber nur etwa ein Fünftel der Hausbesitzer.

Häuser am Strand in Florida
Getty Images/Erik Von Weber
Das Risiko, dass der Traum vom Haus mit direktem Zugang zum Meer zum Alptraum wird, steigt

„Gefahr für Immobilienfinanzsystem“

Die „New York Times“ berichtete schon vor mehr als zwei Jahren von der Tendenz, dass Banken bei Hypothekarkrediten für Häuser entlang der Küste auf kürzere Laufzeiten und deutlich höhere Anzahlung drängen. Das klassische Modell – ein Kredit für ein Haus mit 30 Jahren Laufzeit und einer Anzahlung von 20 Prozent – sei in gewissen Regionen in den USA zunehmend schwieriger zu bekommen.

Die Chefin der Behörde FHFA, die die Aufsicht über Fannie Mae und Freddie Mac innehat, warnte bereits Ende letzten Jahres, dass „die Klimaveränderung eine ernsthafte Gefahr für das Immobilienfinanzsystem darstellt“. Fannie Mae und Freddie Mac müssen seither Klimarisiken in ihrer Risikobewertung berücksichtigen. Ein ähnliches Szenario wie 2008, als der Markt für Hypothekarkredite und deren Derivate kollabierte, ist derzeit nicht in Sicht. Aber je mehr Banken und Versicherer die Klimawandelrisiken an die beiden staatsnahen Kreditunternehmen überwälzen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Steuerzahler künftig dafür zur Kassa gebeten werden.

„Soziale Institution“ gerät ins Wanken

Die steigenden Kosten und die Schwierigkeit, überhaupt einen Kredit oder eine Versicherung für eine Immobilie in bestimmten Regionen zu bekommen, führen in den USA langsam, aber sicher zu einer großen gesellschaftspolitischen Verschiebung: Denn während der Depression der 1930er Jahre wurde von der US-Regierung der Hauskredit mit langer Laufzeit – 30 Jahre – eingeführt.

Der solcherart realistisch gewordene Hauskauf wurde zum Grundpfeiler der wirtschaftlichen Existenz von Familien. Die „New York Times“ bezeichnete den 30-jährigen Hypothekarkredit sogar als „soziale Institution“. Genau diese gerät aber als Folge der Klimaveränderung zusehends in Gefahr.