Trauernde an einer Gedenkstätte in Indonesien
Reuters/Willy Kurniawan
Stadionkatastrophe in Indonesien

Augenzeugen zeichnen Bild des Schreckens

Nach der Massenpanik nach einem Fußballspiel in Indonesien wird der Ruf nach Bestrafung der Verantwortlichen laut. Erste personelle Konsequenzen wurden bereits gezogen. Bei der Stadionkatastrophe starben am Samstag 125 Menschen, das jüngste Opfer war nur drei Jahre alt. Augenzeugen machen der Polizei schwere Vorwürfe, eine unabhängige Untersuchung dürfte es aber nicht geben.

Die Tragödie hatte sich am Samstag bei einem Fußballspiel in der Stadt Malang im Ostteil der Insel Java ereignet. Anhänger des Vereins Arema FC waren nach einer Niederlage gegen den Erzrivalen Persebaya Surabaya auf das Spielfeld gestürmt. Die Polizei versuchte daraufhin, die Fans zur Rückkehr auf die Ränge zu bewegen. Schnell eskalierte die Lage, die Polizei setzte Tränengas ein und dürfte so Panik ausgelöst haben.

Neben 125 Todesopfern gab es mehr als 320 Verletzte. Ein Beamter des Ministeriums für Kinderschutz sagte, unter den 125 Toten seien mindestens 32 Kinder, das jüngste drei Jahre alt.

Tränengas „kontinuierlich und schnell“

Während des Gedränges im Kanjuruhan-Stadion seien einige Fußballfans „in den Armen“ von Spielern gestorben, wie der Trainer der Heimmannschaft, Javier Roca, der BBC sagte. Ein Augenzeuge sagte, die Polizei habe zahlreiche Tränengasgeschoße „kontinuierlich und schnell“ abgefeuert. Ein Fußballfan erzählte, dass die Polizei sofort begonnen habe, auf Menschen einzuschlagen, als die ersten Personen aufs Spielfeld rannten. Aus Protest seien dann noch mehr Zuschauer auf den Platz gestürmt, wurde Muhamad Dipo Maulana in der BBC zitiert. „Die Polizei hatte Hunde und Schilder dabei, auch Soldaten traten vor.“ Er habe mehr als 20 Tränengasschüsse auf Zuschauer im Stadion gehört.

Ausschreitugen und Massenpanik im Kanjuruhan Stadium in Malang, Java, Indonesien
Reuters
Platzsturm mit Tränengas: 125 Menschen starben bei der Massenpanik

Ein anderer Augenzeuge sagte, auf den Tribünen sei ein Meer aus Rauch entstanden, das habe auch auf den Rängen sofort Panik ausgelöst. „Kleine Kinder weinten, Frauen fielen in Ohnmacht, überall waren Schreie zu hören, alle strömten heraus.“ Viele hätten die Ausgänge nicht erreicht, weil der Andrang zu groß gewesen sei. Videos in sozialen Netzwerken zeigten, wie zahllose Menschen versuchten, über Zäune zu klettern, um zu entkommen. Andere Videos schienen leblose Körper auf dem Boden zu zeigen.

Stadtpolizeichef muss gehen

Nun wird die Forderung nach Konsequenzen laut, erste wurden bereits beschlossen. Der Polizeichef der Stadt Malang, Ferli Hidayat, wurde von seinem Amt entbunden. Neun weitere Beamte wurden suspendiert, gegen mindestens 28 Polizeibeamte wird wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Berufsethik ermittelt.

Ausschreitugen und Massenpanik im Kanjuruhan Stadium in Malang, Java, Indonesien
Reuters/Antara Foto/Ari Bowo Sucipto
Augenzeugen berichteten über Tränengasgeschoße Richtung Tribüne

Die Regierung in Jakarta forderte die Polizei am Montag zudem auf, Verantwortliche zu bestrafen. Für die Ermittlungen sei eine Task Force gebildet worden, sagte Sicherheitsminister Mahfud MD. Sie solle aus Beamten, Fußballfunktionären und Medienvertretern bestehen. Die Untersuchung könne in den nächsten zwei oder drei Wochen abgeschlossen werden. „Es ist anarchisch geworden. Die Leute fingen an, Beamte anzugreifen, sie beschädigten Autos“, sagte ein örtlicher Beamter und fügte hinzu, dass zwei Polizisten unter den Toten seien. „Wir möchten das vermitteln (…) nicht alle waren anarchisch. Nur etwa 3.000, die das Spielfeld betraten.“

Überfüllt und regelwidrig

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) forderten hingegen unabhängige Untersuchungen. Es reiche nicht aus, wenn die Polizei und der indonesische Fußballverband eigenen möglichen Versäumnissen nachgingen. Laut Amnesty komme die Reaktion der Polizei einer „Anwendung übermäßiger Gewalt durch den Staat“ zur Kontrolle einer unbewaffneten Menge gleich.

Derartige Versäumnisse gibt es womöglich einige. Die Vorschriften des Weltfußballverbandes (FIFA) besagen, dass bei Spielen kein „Crowd Control Gas“ mitgeführt oder verwendet werden dürfe. Der Sicherheitsminister schrieb zudem auf Instagram, dass das Stadion stark überfüllt gewesen sei. Während die Kapazität bei 38.000 liege, seien 42.000 Tickets für das Spiel verkauft worden.

Teampräsident entschuldigte sich

Der indonesische Präsident Joko Widodo ordnete Entschädigungszahlungen für die Familien der Todesopfer an. Binnen weniger Tage würden 50 Millionen Rupiah (rund 3.300 Euro) für jedes Opfer überwiesen, hieß es. Widodo ließ zudem alle Topspiele vorerst aussetzen.

Ausschreitugen und Massenpanik im Kanjuruhan Stadium in Malang, Java, Indonesien
Reuters/Antara Foto/Ari Bowo Sucipto
Die Lage im überfüllten Stadion eskalierte

Der Präsident des Arema FC bat in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache um Verzeihung. „Als Präsident des Arema FC übernehme ich die volle Verantwortung für den Vorfall, der sich ereignet hat. Ich entschuldige mich zutiefst bei den Opfern, ihren Familien, allen Indonesiern und Liga 1“, sagte Gilang Widya Pramana. Seine Mannschaft besuchte am Montag den Unglücksort in schwarzen Trikots gekleidet und legte Blumen nieder. Anschließend beteten die Spieler für die Opfer.