Proteste in der iranischen Hauptstadt Teheran nach dem Tod der Iranerin Mahsa Amini
Reuters/Wana News Agency
Proteste im Iran

Druck auf Regime wächst

Während die seit mehr als zwei Wochen anhaltenden Proteste im Iran weiterhin von der Polizei unterdrückt werden, wird der Druck von innen und außen stärker. Immer mehr Staaten solidarisieren sich mit den Demonstrierenden, gleichzeitig wird die Ausweitung der Sanktionen gegen das Regime in Teheran gefordert.

Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini vor gut zwei Wochen. Die Religionspolizei hatte sie wegen ihres angeblich „unislamischen Outfits“ festgenommen. Was mit Amini danach geschah, ist unklar. Die Frau fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus.

Kritiker und Kritikerinnen werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist das zurück. Seit dem Tod der jungen Frau demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs von Regierung und Sicherheitskräften sowie gegen das islamische System. Doch die Proteste werden unterdrückt.

So waren etwa am Sonntagabend Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen Studierende der Universität Scharif in Teheran vorgegangen. Polizisten und Milizen riegelten den Campus ab. Auch mehrere Professoren der Universität sollen laut dem Nachrichtenportal „Emtedad“ verprügelt worden sein. In sozialen Netzwerken war von einem Polizeiangriff und „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen die Rede. Staatsmedien wiesen das als übertriebene Stimmungsmache gegen das System zurück.

Frauenproteste im Iran vom 1.1.2022 bis zum 23.9.2022 laut Konfliktbeobachtungsstelle ACLED im zeitlichen Verlauf. Bitte Abspielknopf links drücken und bis zum Schluss warten.

Neues Sanktionspaket in Planung?

Wegen der Unterdrückung der Proteste hat sich nun eine Gruppe von EU-Staaten am Montag für neue Sanktionen eingesetzt. Deutschland, Frankreich, Dänemark, Italien, Spanien und Tschechien haben den EU-Partnern 16 Vorschläge unterbreitet, gegen welche Einzelpersonen und Organisationen im Iran Sanktionen verhängt werden sollten. Für die Verantwortlichen für den Tod von Mahsa Amini und die gewalttätige Unterdrückung der Proteste müsse es Konsequenzen geben.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ handelt es sich bei den Gelisteten vor allem um „Vertreter des iranischen Unterdrückungsapparats“. Auch politische Repräsentanten seien darunter. Ziel sei, dass die EU-Außenminister die Sanktionen bei ihrem Treffen am 17. Oktober beschließen. Kanada hatte bereits am Montag bekanntgegeben, neue Sanktionen gegen den Iran zu erlassen.

Eine Frau schneidet sich in Istanbul (Türkei) bei einer Demonstration nach dem Tod der Iranerin Mahsa Amini die Haare ab
AP/Emrah Gurel
Auch international finden Solidaritätskundgebungen mit den Demonstrierenden im Iran statt

Österreich unterstützt „gemeinsam mit unseren europäischen Partnern“ die Ausweitung der Sanktionen gegen Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen im Iran, teilte das Außenministerium mit. „Wir verurteilen die brutale Vorgangsweise der iranischen Sicherheitsbehörden gegen Frauen und Männer, die von ihrem Recht auf friedlichen Protest Gebrauch machen, in aller Schärfe.“

Erstes Chamenei-Statement seit Beginn der Proteste

Der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, hatte lange nicht auf die Proteste reagiert. Am Montag machte er dann deutlich, dass er die Reaktionen auf den Tod der Frau für überzogen hält. Das sei weder normal noch akzeptabel. Wörtlich sagte er: „Diese Randale sind eine von den USA, dem zionistischen Regime (Israel) und iranischen Verrätern im Ausland programmierte Operation, um die Sicherheit des Landes zu torpedieren.“

der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei
APA/AFP/Khamenei.ir
Chamenei sieht eine Verschwörung hinter den Protesten

Es gehe den USA und dem Westen weder um die im Polizeigewahrsam gestorbene Amini noch um den Kopftuchzwang im Iran. „Keiner in den USA trauert um die gestorbene Frau, sondern es geht hier lediglich um die Unabhängigkeit der Islamischen Republik und ihren Widerstand (gegen die USA)“, sagte Chamenei im Staatssender IRIB.

Chamenei ist Staatsoberhaupt und militärischer Oberbefehlshaber sowie zugleich auch die höchste geistliche Instanz. Laut Verfassung hat er in allen strategischen Belangen das letzte Wort und ein Vetorecht.

Solidarität aus dem Spitzensport

Die Proteste beeinflussen auch die Fußballliga des Landes. Die Spiele etwa der beiden Teams Persepolis und Esteghlal Teheran fanden am Wochenende ohne Publikum statt, um weitere Proteste in den Stadien zu vermeiden. Das wirkte sich auch auf die Spieler aus. „Die Spieler können sich einfach nicht mehr auf den Fußball konzentrieren, weil die Lage im Land halt auch nicht mehr normal ist“, sagte Persepolis-Coach Jahja Golmohammadi.

Im Asadi-Stadion in Teheran traten neun seiner Spieler mit Trauerflor an, um sich so mit den Demonstranten zu solidarisieren. Deswegen wurden sie vom Trainer und den Fans trotz der 0:1-Niederlage gegen Täbris gelobt. Auch zahlreiche Fußballer gehören zu den Kritikern des Regimes, unter anderem Fußballstars Ali Karimi und Ali Daei sowie Bayer Leverkusens Stürmer Sardar Asmun.

Proteste im Iran: Druck auf Regime wächst

Während die seit mehr als zwei Wochen anhaltenden Proteste im Iran weiterhin von der Polizei unterdrückt werden, wird der Druck von innen und außen stärker. Immer mehr Staaten solidarisieren sich mit den Demonstrierenden, gleichzeitig wird die Ausweitung der Sanktionen gegen das Regime in Teheran gefordert. Die USA kündigten nun weitere Sanktionen gegen den Iran an.

Das sei nicht ungefährlich, sagte der ehemalige iranische Ringer Schoan Waisi am Montag im Deutschlandfunk: „Wer das Regime im Iran kritisiert oder sich mit den Demonstranten solidarisiert, kann damit rechnen, festgenommen zu werden.“ In diesem Zusammenhang wurde letzte Woche der ehemalige Fußballnationalspieler Hossein Mahini festgenommen und inhaftiert. Seitdem sollen auch andere Spieler verhaftet worden sein.

Mehr als 140 Tote mit Stand Sonntag

Nach Angaben der Organisation Iran Human Rights (IHR) sind bisher mehr als 130 Menschen getötet worden. Wie die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation am Sonntag mitteilte, wurden in den zwei Wochen nach dem Tod Aminis mindestens 92 Menschen im Iran im Zuge des Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten getötet. Dazu kamen am Freitag 41 Tote bei Protesten in der Provinz Sistan-Belutschistan.

„Die internationale Gemeinschaft hat die Pflicht, dieses Verbrechen aufzuklären und weitere Verbrechen zu verhindern, die von der Islamischen Republik verübt werden“, erklärte der IHR-Vorsitzende Mahmud Amiri-Moghaddam. Amnesty International hatte am Freitag berichtet, die iranischen Behörden setzten absichtlich tödliche Gewalt zur Unterdrückung der anhaltenden Proteste ein. Sie hätten „ihre gut geschliffene Repressionsmaschinerie mobilisiert, um landesweite Proteste rücksichtslos zu unterdrücken“.