Mediencenter in der Prager Burg
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EU-Gipfel in Prag

Suche nach niedrigerem Gaspreis für alle

Nach dem Vorstoß der EU-Kommission für einen Gaspreisdeckel treffen am Freitag die EU-Staats- und -Regierungschefs zu einem informellen Gipfel in Prag zusammen. Während ein neues Sanktionspaket schon am Vortag fixiert wurde, gibt es nun also ein neues Thema, bei dem es wohl viel Redebedarf geben wird. Schon am Donnerstag trifft erstmals auch die „Europäische Politische Gemeinschaft“ zusammen, mit Beteiligung der Ukraine und Großbritanniens – vor allem als Signal an Moskau.

Noch zu Wochenbeginn schien eine Einigung beim mittlerweile achten Sanktionspaket der EU gegen Russland in weiter Ferne: Ungarn legte sich quer, auch Griechenland, Zypern und Malta meldeten Bedenken an. Letztlich fand man doch einen Kompromiss, die tschechische Ratspräsidentschaft verkündete die Einigung am Mittwoch, am Donnerstag wurde das Paket auch formell beschlossen.

„Wir setzen Russlands Kriegswirtschaft weiter zu, begrenzen Russlands Import-/Exportkapazitäten und sind auf dem besten Weg, uns aus der russischen Energieabhängigkeit zu befreien“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag. Jetzt muss der Rechtstext nur noch im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden – dann sind die neuen Sanktionen in Kraft.

Die EU-Kommission gab jedoch umgehend das nächste große Thema vor: Im EU-Parlament in Straßburg signalisierte Präsidentin Ursula von der Leyen Bereitschaft für einen allgemeinen Gaspreisdeckel – zumindest für Gas, das zur Stromerzeugung verwendet wird. „Aber wir müssen auch die Gaspreise jenseits des Strommarktes betrachten“, fügte von der Leyen hinzu.

Gaspreis als monatelanges Streitthema

Über gemeinsame Schritte zur Begrenzung der Gaspreise wird in Europa bereits seit Monaten gestritten. Zwar fordern insgesamt 15 von 27 EU-Ländern eine Preisobergrenze für Energieimporte – Österreich ist nicht dabei – aber Deutschland, als Schwergewicht in der EU, lehnt eine solche etwa ab. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zeigte sich zuletzt bereit, über einen allgemeinen Gaspreisdeckel – also eben nicht nur für Importe aus Russland – zu reden.

Gelände der Gascade Gastranspor bei Lubmin
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Die Gaspreisdebatte wird eines der größten Themen des Spitzentreffens sein

Deutschland und andere Staaten argumentierten in der Vergangenheit, dass dadurch womöglich nicht mehr ausreichend Gas in die EU geliefert werden würde. Von der Leyen sagte, die Versorgungssicherheit müsse gewährleistet werden, das sei aber ein schmaler Grat. Einige Ökonomen warnen zudem, dass Gaspreisdeckel grundsätzlich zu einem höheren Gasverbrauch führen würden, was die Gasknappheit verstärken dürfte.

Michel: Europa braucht „Energieunion“

Ratspräsident Charles Michel schrieb am Mittwoch in einem Kommentar für die „Financial Times“, dass Europa jetzt eine „Energieunion“ brauche. Die Energiekrise habe „Risse in der Union offengelegt, die aus 27 ‚privaten Energiereserven‘ besteht“. Michel sehe Parallelen zur Finanzkrise und zur Pandemie, in denen die Staaten näher aneinandergerückt seien – jetzt müsse man „dasselbe auf dem Energiesektor erreichen“.

Nicht zuletzt Deutschland befeuerte die Diskussion über die Gaspreise zuletzt. Der von Berlin angekündigte „Abwehrschirm“ im Umfang von 200 Milliarden Euro besteht vor allem aus einer Gaspreisbremse, mit dem Verbraucher entlastet werden sollen. Das sorgte in anderen EU-Ländern für deutliche Kritik – viele von ihnen könnten sich einen vergleichbaren Vorstoß einfach nicht leisten.

Unter diesen Vorzeichen könnte es also durchaus sein, dass sich die Debatten – trotz Einigung auf neue Sanktionen – in die Länge ziehen. Die Diskussion über nächste Schritte gegen Moskau wurde über die vergangenen Monate zunehmend zäher, die Kritik daran lauter. „Die Zeit für starke Pakete ist vorbei, und beim Lesen der vorgelegten Dokumente hat man manchmal den Eindruck, dass es mehr Ausnahmen als Sanktionen gibt“, sagte am Mittwoch etwa Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis über das aktuelle Sanktionspaket.

Kritische Infrastruktur als Thema

„Wir werden unsere restriktiven Maßnahmen weiter verstärken, um den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, damit es seinen Krieg beendet“, schrieb EU-Ratspräsident Michel am Sonntagabend in seinem Einladungsbrief an die Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). „Bei unserem Treffen werden wir diskutieren, wie wir eine starke wirtschaftliche, militärische, politische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine bereitstellen können, so lange dies erforderlich ist.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
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Den Gaspreisdeckel brachte von der Leyen in Straßburg ins Spiel

Außerdem würden die EU-Staats- und Regierungschefs den Schutz der eigenen kritischen Infrastruktur erörtern, kündigte Michel an. In wirtschaftlicher Hinsicht soll der EU-Gipfel die Teuerungen für Haushalte und Unternehmen angehen und dabei Wachstum und Beschäftigung sichern sowie die verwundbarsten Gruppen schützen, die am meisten unter den hohen Energierechnungen leiden würden. „Mehr denn je ist der Schlüssel unsere Fähigkeit, zusammenzustehen und unsere politische Antwort zu koordinieren, in einem Geist der Solidarität und Verteidigung unserer gemeinsamen Interessen.“

Erstes Treffen der „Europäischen Politischen Gemeinschaft“

Dem informellen EU-Gipfel voraus geht in Prag am Donnerstag das erste Treffen der „Europäischen Politischen Gemeinschaft“, eines neuen Formats, das die 27 EU-Staaten mit den europäischen Nicht-EU-Staaten zusammenbringt und wohl auch in Richtung Moskau als Signal dienen soll. Für die Ukraine wird Regierungschef Denys Schmyhal in Prag erwartet, Präsident Wolodymyr Selenskyj soll dazugeschaltet werden.

Zu Mittag trafen die ersten Spitzen der erweiterten Runde in der Prager Burg ein – das Interesse der Medien war enorm. Eine der Ersten, die von Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala empfangen wurden, war die britische Premierministerin Liz Truss. Eingeladen sind zudem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sowie die Spitzen der sechs Westbalkan-Staaten. Auch die verfeindeten Kaukasus-Republiken Armenien und Aserbaidschan stehen auf der Liste, ebenso wie die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Russland und Belarus sind nicht eingeladen.

Michel kündigte an, dass keine schriftliche Abschlusserklärung der „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ vorgesehen sei. Diskutiert würden die Themenblöcke Frieden und Sicherheit, die wirtschaftliche Situation, Energie und Klima sowie Migration und Mobilität. Ziel sei es, die europäischen politischen Anführer auf Augenhöhe zusammenzubringen, um den Dialog und die Zusammenarbeit in Fragen des gemeinsamen Interesses zu fördern, „und die Sicherheit, die Stabilität und den Wohlstand Europas als Ganzes zu stärken“.