Quantenphysiker Anton Zeilinger
Reuters/Leonhard Foeger
Nobelpreisträger Zeilinger

Plädoyer für Freiheit und „Spinnereien“

„Man muss seinen Spinnereien ein bisschen vertrauen“, hat Neo-Physiknobelpreisträger Anton Zeilinger bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag in Wien gesagt. Die bahnbrechenden Arbeiten, die dem Österreicher zusammen mit seinen Kollegen John Clauser und Alain Aspect den Nobelpreis einbrachten, wären ohne die Freiheit „Sachen zu machen, die nicht Mainstream waren“, nicht möglich gewesen.

Unter minutenlangem, tobendem Applaus betrat Zeilinger sichtlich gerührt den Ludwig-Boltzmann-Hörsaal der Physikfakultät der Uni Wien. Gleich zu Beginn dankte er seiner Familie. Ohne deren Unterstützung sowie die Unterstützung der „österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“ wären seine Erfolge nicht möglich gewesen, so der Nobelpreisträger in seinem Statement vor der Presse. Dank richtete Zeilinger zudem an all seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Uni Innsbruck sowie die Uni Wien und an seinen Physiklehrer im Gymnasium.

Vor allem aber sei es das wissenschaftliche Umfeld gewesen, das ihm Wien geboten und das letztlich zu seinem Erfolg geführt hätte. „An vielen anderen Orten wäre das nicht möglich gewesen“, so der 77-Jährige. In der Anfangsphase seiner Karriere sei er öfters gefragt worden, wofür das gut sein solle. „Ich kann Ihnen ganz stolz sagen: Das ist für nichts gut. Das mache ich nur aus Neugierde“, betonte Zeilinger.

Quantenphysiker Anton Zeilinger
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Von Quantenphysik sei er „von Anfang an vollkommen begeistert“ gewesen, so Zeilinger

Experimente „vollkommen gegen die Intuition“

Er sei von Anfang an fasziniert gewesen von Experimenten, „die vollkommen der Intuition entgegenlaufen“. Sein Doktorvater Helmut Rauch habe ein Klima erschaffen, „wo man diese Dinge machen konnte. Das war weltweit gar nicht so oft der Fall, dass man nur seiner Neugier folgen konnte“, erzählte der Oberösterreicher weiter. Von Rauch habe er auch gelernt, dass man den eigenen „Spinnereien“ folgen solle. Das habe dazu geführt, dass er vieles gemacht habe, das „nicht Mainstream“ war.

Sein Supervisor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und selbst Physiknobelpreisträger, Clifford G. Shull, habe ihn indes gelehrt, immer einen Schritt weiterzugehen: „Wenn man etwas tut und glaubt, man ist zufrieden mit dem Resultat, zahlt es sich aus, noch genauer zu arbeiten.“

Drei Physiknobelpreisträger

Der Nobelpreis für Physik ging heuer zu gleichen Teilen an Zeilinger, den Franzosen Aspect und den US-Amerikaner Clauser. Seitens des Komitees heißt es: Die Physiker hätten den von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ abgetanen quantenphysikalischen Zustand, bei dem zwei verschränkte Teilchen wie von Zauberhand miteinander verbunden bleiben und ihre physikalischen Eigenschaften teilen, „aus der Theorie in die Praxis gebracht“.

Mit seinen Mit-Laureaten verbinde ihn eine lange Bekanntschaft, sagte Zeilinger. Er lobte ihre „wunderschönen Arbeiten“ und freue sich nun auf ein Wiedersehen in Stockholm.

Zeilinger erhält Physiknobelpreis

Der Österreicher Anton Zeilinger wird gemeinsam mit den Quantenphysikern Alain Aspect und John F. Clauser mit dem Physiknobelpreis für seine Erkenntnisse in der Quantenmechanik ausgezeichnet. Zeilinger gilt als einer der renommiertesten Wissenschaftler des Landes.

Pionier bei Übertragung von Quanteninformation

Der am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis geborene Physiker gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen. In diesem Bereich erzielte er in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Durchbrüche und stellte Übertragungsrekorde auf. Diese Art der Informationsweitergabe sei zum Beispiel „fundamental wichtig zum Informationstransport in Quantencomputern“, sagte Zeilinger.

Preis als „Ermutigung für junge Menschen“

Befragt, ob es denn bereits konkrete Anwendungen seiner Arbeit gebe, sagte Zeilinger: „Die Anwendung, die am weitesten gediehen ist, ist Quantenkryptographie“, eine Technologie, die Effekte der Quantenphysik nutzt, um Information grundsätzlich abhörsicher zu übertragen.

Vielversprechende Entwicklungen seien auch Quantensimulatoren, um bestimmte Prozesse in Festkörpern nachahmen zu können. Konkrete Anwendungen für „Otto Normalverbraucher“ seien noch nicht so weit, „wir werden wissen, wann das wirklich angewendet wird, wenn wir so etwas nicht mehr in der Hand haben müssen“, sagte Zeilinger und hielt sein Handy hoch.

Er sehe den Preis auch als „Ermutigung für junge Menschen“, sagte Zeilinger, und riet ihnen: „Denkt nicht zu viel an künftige Anwendungen.“ Was man in den nächsten 20 Jahren sowohl im Feld der Grundlagen der Quantenphysik als auch bezüglich Anwendungen sehen wird, sei „absolut offen“.

Begeisterte Reaktionen bei Politik und Wissenschaft

Begeisterte Reaktionen kamen aus Politik und Wissenschaft. Zu den ersten Gratulanten gehörte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der via Twitter seiner Freude Ausdruck verlieh: „Diese Auszeichnung gilt einem Pionier der Quantenphysik, einem großen Wissenschaftskommunikator, einem Forscher, wie er im Buche steht. Ich gratuliere Prof. Zeilinger von Herzen und danke ihm für sein Engagement als Wissenschaftsmanager.“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gratulierte Zeilinger ebenfalls: „Ich habe allergrößten Respekt vor seiner wissenschaftlichen Expertise, die mit der Verleihung dieser renommierten Auszeichnung einmal mehr international gewürdigt wird. Das ist nicht nur eine große Ehre für ihn selbst, sondern auch für unser Land.“

Und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) beschied: „Auch wenn er sich mit dem Zufall beschäftigt, so ist diese großartige Auszeichnung keineswegs einer: Herzlichen Glückwunsch!“

Anton Zeilinger im Porträt

Dass Anton Zeilinger einmal den Nobelpreis gewinnen würde, das hätte er wohl selbst zu Beginn seiner Karriere noch nicht gedacht. Vielmehr hat er sich früh mit einem Forschungsgebiet beschäftigt, das damals noch nicht so breitenwirksam erforscht wurde. Heute freilich sieht man seine Arbeit als Grundlage für Quantencomputer und die Quantenkryptografie – und damit für die Zukunft der Informationstechnologie.

„Sensation und hochverdient“

Wissenschafts- und Forschungsminister Martin Polaschek (ÖVP) gratulierte Zeilinger zu einer „unglaublichen Leistung“: „Als Wissenschaftsminister bin ich stolz, dass ein Österreicher diese große Auszeichnung verliehen bekommt. Anton Zeilinger ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet und ein Aushängeschild für den österreichischen Wissenschafts- und Forschungsstandort.“

Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), bezeichnete die Auszeichnung Zeilingers als „Sensation und hochverdient“. Zeilinger, der einst selbst als ÖAW-Präsident tätig war, habe bahnbrechende Ergebnisse in seinem Forschungsbereich erzielt. „Das Forschungsland Österreich hat wieder an die internationale Spitze aufgeschlossen. Dieser Weg darf jetzt nicht verlassen werden“, so Faßmann. Gratulationen richtete er auch an ÖAW-Mitglied Aspect.

„Tolles Zeichen“

„Der Preis krönt eine herausragende wissenschaftliche Karriere und ist ein tolles Zeichen für den Erfolg österreichischer Grundlagenforschung auf höchstem internationalem Niveau“, hielt Christof Gattringer, Präsident des Wissenschaftsfonds (FWF), fest. Der Fonds, der Zeilingers Forschungsprojekte seit Jahrzehnten unterstützt, nützte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie wichtig eine gut aufgestellte Förderung der Grundlagenforschung sei, um mit der Weltspitze mithalten zu können.

Auch von seiner langjährigen Wirkungsstätte, der Universität Wien, kamen am Dienstag die herzlichsten Glückwünsche: „Dass in Österreich insgesamt eine blühende Landschaft für die Quantenforschung besteht, ist auch ein großes Verdienst von Anton Zeilinger. Mit seiner wissenschaftlichen Neugierde und Energie ist er eine Inspiration für alle Fakultätsmitglieder“, so Physikdekan Robin Golser.