Lagarde: Geldpolitik soll Nachfrage nicht mehr stimulieren

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss im Kampf gegen die ausufernde Inflation aus Sicht von Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde zunächst damit aufhören, mit ihrer Geldpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzuheizen.

„Wir sollten sicherlich die Nachfrage nicht noch mehr anspornen“, sagte Lagarde gestern auf einer Veranstaltung der zyprischen Zentralbank mit Studenten. Das Minimum, was die Geldpolitik tun müsse, sei, damit aufzuhören, die Nachfrage zu beflügeln. Wenn Nachfrage stimuliert werde, die auf ein starres Angebot treffe, dann würden die Preise noch mehr anziehen, sagte Lagarde. „Wir müssen die Inflation zurück zum Ziel bewegen“, fügte sie hinzu.

Energiepreise als Inflationstreiber

Ein Zinssatz, der die Wirtschaft weder anheizt noch bremst, wird in der Fachwelt als neutraler Zins bezeichnet. Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass das neutrale Zinsniveau derzeit bei etwa 1,5 bis 2,0 Prozent liegt. Der Leitzins der EZB liegt derzeit bei 1,25 Prozent und der Einlagensatz, der aktuell der wichtigste Schlüsselzins für die Finanzmärkte ist, bei 0,75 Prozent. Die nächste Zinssitzung ist am 27. Oktober.

Die zwei Hauptkomponenten, die Lagarde zufolge die Inflation derzeit antreiben, sind einmal der durch den Ukraine-Krieg angeheizte Anstieg der Energiepreise. Dazu kämen Angebotsengpässe, die aber inzwischen ein wenig nachließen. „In anderen Worten eine starke Nachfrage, die ein Angebot adressiert, dass nicht fließt, das nicht kommt, weil die Lieferketten nicht gut arbeiten“, führte sie aus. Das seien die Schlüsselfaktoren, die hinter den derzeit unerwünscht hohen Preisen stünden.

Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Optimalwert für die Wirtschaft an. Im September lag die Teuerungsrate aber angetrieben durch den Energiepreisschub infolge des Ukraine-Krieges auf dem Rekordniveau von zehn Prozent. Die Inflation ist damit mittlerweile fünfmal so hoch wie das Ziel der EZB.