Steigende Armut: Warnung vor psychischen Folgen

Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) hat heute gemeinsam mit sieben humanitären Organisationen, u. a. Caritas und Rotes Kreuz, eindringlich vor den psychischen Folgen der steigenden Armut gewarnt.

Es seien „alarmierende Zahlen“ – rund 1,5 Millionen Menschen in Österreich seien „armuts- und ausgrenzungsgefährdet“, so Beate Wimmer-Puchinger, Präsidentin des BÖP, bei der Pressekonferenz „Armut kränkt die Seele“ in Wien.

Und: Diese Zahlen würden steigen, so Rotes-Kreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig. „Zunehmend kommen auch Menschen aus der unteren Mittelschicht zu uns, weil der finanzielle Druck höher wird.“ Die steigenden Energie- und Lebensmittelkosten würden dazu führen, dass die Nachfrage bei Tafeln an bestimmten Standorten um rund 70 Prozent gestiegen sei.

Armut erhöht Risiko für Depressionen

„Was kränkt, macht krank“, meinte Wimmer-Puchinger. Gesundheitliche Konsequenzen von Armut seien etwa Depressionen und Angstzustände bis hin zu Sucht und Suizid.

Martin Schenk von der Diakonie sagte dazu, Menschen mit geringem sozioökonomischen Status hätten ein sechsmal so hohes Risiko, an Depressionen zu erkranken, denn: „Leben am Limit macht Stress, das schwächt das Immunsystem und macht verletzlich.“ Der Präsident von pro mente, Günter Klug, fügte hinzu: „Nicht zu wissen, wovon ich leben soll, ist der größte Stress, den ich haben kann.“

„Armut erschwert Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“

Ein weiteres Thema sei Einsamkeit. Thomas Wochele-Thoma, medizinischer Leiter der Caritas, meinte dazu: „Armut erschwert Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Armut ist mit Scham, Schuld und schlechtem Gewissen assoziiert und führt zu einem Rückzug aus der Gesellschaft, weil man nicht mehr so teilhaben kann.“ Seit Anfang des Jahres sei die Zahl der Menschen, die bei Sozialberatungsstellen der Caritas Hilfe suchen, um 50 Prozent gestiegen.

Besonders von Armut betroffen seien den Hilfsorganisationen zufolge Frauen, Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen. Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger verwies bei sozioökonomisch benachteiligten Kindern auf chronische Krankheiten wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Übelkeit. „Die Belastung frisst sich in den Körper hinein.“

Psychische Erkrankungen ernst nehmen

Es gelte, seelisches Leid ebenso ernst zu nehmen wie physische Erkrankungen und psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren, so der Tenor. In Zeiten multipler Krisen von Inflation, Krieg und Pandemie bis hin zur Klimakrise seien ohnehin schon vulnerable Menschen noch vulnerabler. Diese müssten besser unterstützt werden.

Hierbei bedürfe es niederschwelliger, regionaler, multidisziplinärer sowie systematischer, vor allem aber leistbarer Angebote. Gefordert wurde zudem der Ausbau von psychosozialen Einrichtungen sowie kassenfinanzierte Psychotherapie für Geringverdiener. Die Versorgungslücke bei Therapien, bezogen auf die Leistbarkeit und lange Wartezeiten, müsse endlich geschlossen werden.

Appelliert wurde hierbei vor allem an die Politik. Gefordert seien Bund und Länder. Es brauche einen Schulterschluss zwischen Sozial-, Familien-, Frauen- und Gesundheitspolitik. Die Verantwortlichen müssten jetzt handeln und endlich nachhaltige Lösungen schaffen, so die Forderung.