Wenn es auf den Bühne der Oper einen großen Eigensinnigen wie Originellen gibt, dann ist das sicher Janacek. Die meiste Zeit seines Lebens nicht über Brünn hinausgekommen, realisierte er seit seiner großen Anfangsoper „Jenufa“, fertiggestellt 1904, das Gros seiner heute bekannten Werke spät, weil der große Erfolg eben auch sehr lang auf sich warten ließ. Im Schatten so großer Namen wie Claude Debussy und Richard Strauss, gelang es Janacek aber mit wenigen Handstrichen, neue musikalische Lösungen zu entwickeln. Und er legte bis heute eine Musik vor, die in den Bann zieht – und eigentlich genau das bietet, was sich jeder Operndirektor dieser Tage wünscht: einen niederschwelligen Einstieg in große, dichte – und eben nicht längenmäßig ausgewälzte Opernerlebnisse wie bei Richard Wagner.
Dass sich die Plots seiner Opern mitunter an den Stücken seiner Heimat, ja auch Motiven aus der Volkstradition speisen, ist typisch für das Umfeld dieses Komponisten der 1920er Jahre. Karel Capek, der große tschechische Nationalautor, aber auch sein Bruder Josef Capek, Maler, Zeichner und Illustrator, wollten die Moderne immer mit dem Geist der Volkskunst in den verschiedensten Kunstformen versöhnen. Herausgekommen sind eine große groteske Literatur, eine Malerei, die alle Ströme der Moderne mit einem zarten Strich der Ironie ausstattet, und eine Musik, die mit Tongemälden und einer Theorie der Sprachmelodie bis in die kleinsten Abgründe der menschlichen Seele vordringt. Daneben die Welt aber mit Ausdrücken bereichert, die sich lange halten, etwa das Wort: „Roboter“ für ein Maschinenwesen.
Janacek in Wien
- Seit 9.10. ist „Jenufa“ mit Asmik Grigorian an der Wiener Staatsoper zu sehen.
- Ab 15.10. läuft „Das schlaue Füchslein“ im neuen Theater an der Wien in der Halle E des MuseumsQuartiers.
Entwürfe für das Füchslein
Josef Capek hat für die Opern Janaceks gerne Entwürfe für Bühnenbilder und auch Figuren gemacht. 1924 schuf er einen Entwurf für Janaceks Füchslein, das heute an Batman denken lässt. Und das sehr auf die Geburt dieser Oper aus dem Geist des Comics verweist, weil sich gerade in dieser Gattung Mensch und Tier in einer mehr als fabelhaften, weil eben schon beinahe trashigen Umgebung begegnen können. „Liska Bystrouska“ (dt.: „schlauer Fuchs“) hieß die Serie von Zeichnungen, die der Zeichner Stanislav Lolek zu den Geschichten des Autors Rudolf Tesnohlidek entwickelte: Immer beobachten die Tiere dabei die seltsamen Menschen, so als läge man wie mit einem Janosch-Cartoon auf der Lauer.

Capek wiederum schrieb später ein Kinderbuch, in dem die Helden Wau und Miau, zwei allzu vermenschlichte Haustiere, menschliche Probleme des Alltags zu lösen haben.
Für die Musik Janaceks ist diese dramaturgische Situation nicht unwesentlich, steigt man mit ihr auf so etwas wie eine ästhetische Waldlichtung: Das große Pathos des Menschen wird im Vorspiel schon gekontert durch die flotten und schlauen Bewegungen der Tierwelt. Nie verfällt die Musik ins Gestenhafte, stets ist sie auf der Lauer, nah dem Gesungenen und dem Plot auf die Spur zu kommen. Das macht die Moderne damit auch zu einem Abriss aus einem Comicstrip.

Stefan Herheim: Janacek als Ansage
Nie habe er Janacek inszenieren dürfen, sagte der norwegisch-deutsche Regisseur Stefan Herheim zuletzt der „Wiener Zeitung“. Seine Aufgabe als neuer Indendant am Theater an der Wien wolle er bewusst mit diesem Werk beginnen, „weil es das richtige Werk zur richtigen Zeit“ sei. Ab Samstag, 15.10., wird „Das schlaue Füchslein“ in der Inszenierung Herheims mit der jungen litauischen Dirigentin Giedre Slekyte am Pult in dem neuen Quartier des Theaters an der Wiens, der Halle E im MuseumsQuartier, zu erleben sein. Und um die Maschinerie Oper transparent zu machen, öffnet man am 16. Oktober gleich die Tore des Hauses, um zu zeigen, dass die Halle E mehr als nur ein Ausweichquartier für das im Umbau befindliche Theater an der Wien sein kann.

Musiktheater sei für ihn, so sagte Herheim, ein „universelles, zugleich sehr explizites Medium, um Bedeutendes zu kommunizieren“. In Janaceks Werk sieht er eine klare Botschaft für unsere Zeit, wie er sagte: „Wir müssen uns mit der eigenen Sterblichkeit versöhnen, endlich damit aufhören, uns als Krone der Schöpfung zu betrachten. Wir sind Teil eines großen Kreislaufes, dem auch die Kunstform Oper zugehörig ist, wenn Kultur und Natur einander nicht als Antagonisten gegenübergestellt werden. Das sind großartige Erkenntnisse in Musik gesetzt, und doch wird Janacek oft stiefmütterlich behandelt.“
Bei Janacek fängt der Förster den Fuchs, dieser entkommt – wird zuletzt erschossen. Doch eine Unterwerfung der Natur, sie geht sich in diesem Werk nicht aus. Eher haben die Füchse die Perspektive erobert und zwingen sie dem Menschen als eine Art von dualer Erkenntnis auf.

Eine Salzburger Ansage zu Janacek
Barrie Kosky hat es zuletzt bei den Salzburger Festspielen im Sommer bewiesen: Es gibt wohl wenig prägnanteres Musiktheater, das derart in die Zeit passt wie jenes von Janacek. Oft als Kassengift verschrien, decken die Opern die Zustände einer Gesellschaft ohne alle Schnörkel auf. So können Janacek-Neugierige bereits ab Sonntag in die Wiederaufnahme eines Klassikers an der Staatsoper einsteigen.

Asmik Grigorian singt seit Sonntag an der Staatsoper die Rolle der Jenufa in der klassischen David-Pountney-Inszenierung und gibt damit ihr Rollendebüt im Haus am Ring. Wie am Theater an der Wien will man Janacek aber nicht als den Gestalter düsterer Sozialwelten lesen, sondern als Inszenator einen dünnen Lichtscheins am Ende des Tunnels der Finsternis. „Jenufa ist, was sie ist“, sagte Grigorian im Vorfeld ihrer Janacek-Interpretation: „Sie hat ein Leben und geht mit diesem Leben um. Ich teile nicht ein in: das sind die Guten, das die Bösen.“ Auch aus diesem Grund, meinte Grigorian, strebe alles, gerade durch die Schönheit der Musik, „zum Licht“. „Selbst das Dunkelste, das am weitesten vom Licht Entfernte, will ins Helle.“ Das, so die Sängerin, seit letztlich das, was die Musik erzähle – „das ist ihr Geheimnis und das Schöne“.