Die Kandidaten der Bundespräsidentschaftswahl im ORF-TV-Studio
ORF/Thomas Ramstorfer
Hofburg-Wahl

Wortreiche sieben im ORF-Studio

In Interviews haben alle sieben Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl ihre Standpunkte am Donnerstagabend in ORF2 noch einmal deutlich gemacht. Von Armin Wolf und Susanne Schnabl befragt, zeigten sich einerseits deutliche Unterschiede, dann aber auch wieder starke Parallelen zwischen den Kandidaten. Neue Themen wurden keine mehr lanciert, die eine oder andere offene Frage blieb auch weiter unbeantwortet.

Eine klassische Elefantenrunde scheiterte daran, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wie seine Vorgänger – u. a. Heinz Fischer – beim Anlauf zur Wiederwahl keinen Konfrontationen zustimmte. Genau dafür musste sich Van der Bellen im Studio mit rund 90 Schülerinnen und Schülern rechtfertigen.

Die anderen Kandidaten nutzten ihren Auftritt, um den amtierenden Präsidenten teils scharf zu kritisieren. Bei den von ihnen genannten Plänen blieb die von Wolf oder Schnabl geäußerte Frage, ob das überhaupt Aufgabe des Bundespräsidenten sei oder in dessen Kompetenz liege, oft unbeantwortet.

Brunner für mehr Rechte für Bundespräsidenten

Die Reihenfolge der Interviews wurde nach aktuellen Umfragewerten gestaltet. Der Chef der impf- und pandemiemaßnahmenkritischen MFG, Michael Brunner, war damit der erste Befragte. Er rechtfertigte im Interview erneut, als frisch gewählter Präsident die Bundesregierung entlassen zu wollen. Diese sei „inkompetent“ und habe Chaos verursacht. Zudem habe sie in der Pandemie unzählige Male rechts- und verfassungswidrig gehandelt, so Brunner. Er würde dann eine Übergangsregierung aus Fachleuten und Beamten ernennen, die wiederum die Auflösung des Nationalrats und Neuwahlen auf den Weg bringen solle. Verfassungsrechtliche Probleme für solche Ideen wollte Brunner nicht gelten lassen.

Talk mit Michael Brunner

Michael Brunner spricht unter anderem darüber, was er erreichen möchte, wenn er zum Bundespräsidenten gewählt wird.

Er plädierte ohnehin für mehr Rechte für den Bundespräsidenten, so sollte dieser die Möglichkeit haben, Gesetzesanträge einzubringen. Gleichzeitig stellte Brunner infrage, ob der Rechtsstaat in Österreich noch funktioniere. Mit dem Vorbild Schweiz betonte Brunner, Volksabstimmungen ausbauen und aufwerten zu wollen.

Staudinger braucht „Spielraum“ bei Gesetzen

Schuhproduzent Heinrich Staudinger gab sich wieder unkonventionell und forderte – auch in seinem Schlussstatement am Ende der Sendung – einen „Wandel“ ein. Die Gesellschaft dürfe nicht so weitermachen und auf Kosten der zukünftigen Generation leben. Staudinger spickte seine Antworten mit Anekdoten und Zitaten, darunter von Richard von Weizsäcker, Alexander Kluge und Mahatma Gandhi, an dem er sich als Oberbefehlshaber des Bundesheers orientieren würde, um die Waffen zu reduzieren.

Talk mit Heinrich Staudinger

Heinrich Staudinger spricht unter anderem darüber, wie für ihn ein Rechtsstaat funktionieren müsste und ob er sich als Bundespräsident an Gesetze halten würde. Außerdem erzählt er, warum er auch als Nichtpolitiker seriös für das Bundespräsidentenamt ist.

Ohnehin könne sich niemand vorstellen, dass man mit dem österreichischen Heer „ein Match“ gewinnen könne. Seine Äußerung in einer Puls4-Sendung, wonach „#MeToo“ eine Erfindung des CIA gewesen sei, nahm er mehr oder weniger zurück, er bereue die Aussage, meinte er. Aufhorchen ließ er mit der Aussage, dass er bei der Befolgung von Gesetzen „den Spielraum“ brauche, um zu bewerten, ob diese sinnvoll seien. Die meisten Menschen hätten ein Rechtsempfinden, damit funktioniere die Gesellschaft.

Grosz will Regierung mit Präambel binden

Gerald Grosz wurde zu seinen deftigen Beschimpfungen in Richtung Staatsoberhaupt und Regierungsspitze im Wahlkampf befragt. Die „Brachialrhetorik“ verteidigte er unter anderem damit, dass er damit auch den Ärger der Bevölkerung über die Politik zum Ausdruck bringe. Internationale Gespräche würde er anders führen, meinte er, verdächtigte im selben Satz aber US-Präsident Joe Biden mehr oder weniger direkt der Demenz.

Talk mit Gerald Grosz

Gerald Grosz spricht unter anderem darüber, dass er die Regierung entlassen und Neuwahlen starten würde, wenn er zum Bundespräsidenten gewählt würde. Des Weiteren erzählt er, dass er die Sanktionen gegen Russland abschaffen möchte, indem er bei der EU-Kommission ein Veto einlegen würde.

Wie Brunner würde auch Grosz, der ebenfalls ein Scheitern z. B. in der Coronavirus-Politik und der derzeitigen Inflation attestierte, eine Übergangsregierung bis zu einer Neuwahl etablieren: „Das wäre die Erlösung.“ Dem Übergangskabinett gäbe er per Präambel als Aufgabe unter anderem mit, die Russland-Sanktionen zu beenden. Rechtlich sei das möglich und würde die Kompetenzen des Bundespräsidenten nicht überschreiten, meinte er. Dass er auf eine zivilrechtliche Verurteilung aus der Vergangenheit angesprochen wurde, entrüstete Grosz ungemein. In einer Stichwahl würde er jeden Gegner Van der Bellens unterstützen im Sinne einer „Niederlage für das Establishment“.

Wlazny betont Jugend

Dominik Wlazny, der als Sänger und Bierpartei-Gründer Marco Pogo bekannt wurde, wurde einmal mehr gefragt, wie er sich inhaltlich vom Amtsinhaber unterscheide. „Ich bin in meiner politischen Tätigkeit unverbraucht“, meinte er und betonte erneut seine Unabhängigkeit. Demgegenüber müsse Van der Bellen deklariert als Kandidat der Grünen antreten. Dass er mit 35 gerade einmal das Mindestalter für einen Antritt erreicht hat, sieht Wlazny als Vorteil. Trotz seiner jungen Jahre nehme er als Unternehmer und Arzt viel Erfahrung mit. Zudem orte er bei jungen Leuten Politikerverdrossenheit, doch gerade Junge müsse man stärker in den demokratischen Prozess einbeziehen. Ich wollte das Amt mit Werten füllen: Respekt, Toleranz, Solidarität – und eben Unabhängigkeit.

Talk mit Dominik Wlazny

Dominik Wlazny spricht unter anderem darüber, wie er eine volksnahe Politik schaffen möchte. Des Weiteren erzählt er, welche Einstellung er zur Neutralität von Österreich hat.

Kritik am Namen Bierpartei teilt er nicht: „Ich habe in dem Wahlkampf eigentlich nie über Bier geredet.“ Nach seiner Forderung für eine Prüfung der Qualifikation von Ministern und Ministerinnen befragt, blieb er zwar die Antwort nach einer konkreten Umsetzung schuldig, der Mediziner kritisierte aber Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), weil er die derzeitige Coronavirus-Situation zu wenig im Auge habe. Als Probegalopp für ein Antreten bei der nächsten Nationalratswahl wollte Wlazny seine Kandidatur nicht sehen. Ob es dazu kommt, wisse er schlicht nicht.

Wallentin will einfache Lösungen parat haben

Rechtsanwalt Tassilo Wallentin meinte, dass Österreich derzeit „gegen die Wand gefahren“ werde. Doch für viele der schwierigen Fragen der Zeit von Asyl bis Inflation gebe es gar nicht so komplizierte Lösungen, die er noch dazu alle parat habe. Nur könne das gegenwärtige System, das Parteiinteressen über das Wohl des Landes stellen würden, den Anstoß nicht geben. Dafür brauche es jemanden von außen wie ihn, der frischen Wind bringe.

Talk mit Tassilo Wallentin

Tassilo Wallentin spricht unter anderem darüber, wie er als Bundespräsident das Problem mit der Inflation lösen würde. Außerdem erzählt er, warum er eine Haftung für Politikerinnen und Politiker einführen möchte.

Als Bundespräsident könnte er hier durchaus Wesentliches beitragen, glaubt Wallentin. Einerseits habe das Staatsoberhaupt starke Einflussmöglichkeit bei der Bildung der Regierung, andererseits könne es einen Kontrapunkt zur Regierung setzen, mit Kamerateams hinausgehen und den Menschen zeigen, was im Lande los sei. Das würde eine Regierung zum Handeln zwingen. Allerdings will er die Regierung ohnehin entlassen und zudem in der EU eine Blockadepolitik fahren. Dafür sieht er auch Verbündete. Gesetze mit Binnen-I würde er nicht unterfertigen, weil diese sexuell Uneindeutige und Transsexuelle ausklammerten und daher möglicherweise verfassungswidrig seien.

Rosenkranz sieht Neutralität ausgehöhlt

Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz legte seinen Fokus auf die Neutralität, die Österreich durch die Unterstützung der Russland-Sanktionen seiner Ansicht nach verlassen habe. Der EU warf er in dem Kontext vor, „kriegsgeil“ zu sein. Bei einer Volksabstimmung über einen Austritt aus der Union würde er derzeit noch mit Nein stimmen, da es eine Reformmöglichkeit gebe. Wenn man aber auf einen Eisberg zusteuere – und das sei nicht mehr sehr fern, sollte man lieber in einem Rettungsboot davonfahren, sprich über ein Referendum die EU verlassen.

Talk mit Walter Rosenkranz

Walter Rosenkranz spricht unter anderem darüber, dass Österreich den neutralen Weg verlassen habe. Des Weiteren redet er davon, ob er eine Volksabstimmung für den Austritt aus der EU machen würde.

Die Sanktionspolitik könnte für Rosenkranz auch ein Anlass dafür sein, die Regierung zu entlassen. Bevor eine Regierung in einer Wirtschaftskrise das Land so an die Wand fahre, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter entlassen müssen, würde er die Regierung entlassen. Beraten will er sich dabei aber mit Experten. Auch einzelnen Ministern – angesprochen wurden Leonore Gewessler und Johannes Rauch (Grüne) – könnte unter Präsident Rosenkranz die Abberufung drohen. Allerdings würde er sich als Staatsoberhaupt von den Regierungsmitgliedern davor persönlich ein Bild machen. Optimistisch ist er jedenfalls. Eine Stichwahl ohne ihn sei „denkunmöglich“. Bei einem Duell Van der Bellen gegen Dominik Wlazny würde er wahrscheinlich daheim bleiben.

Van der Bellen fühlt sich „reif genug“

Van der Bellen musste sich als letzter Befragter des Abends verteidigen, weil er nicht mit den Herausfordern diskutieren wollte. Sein Argument blieb, dass die Leute nach sechs Jahren schon wüssten, wie er in Krisensituationen reagiere. Auch hätten ihn die Auftritte der Gegenkandidaten im Wahlkampf eher in dieser Entscheidung bestärkt: Er kritisierte die „Leichtigkeit“, mit der über „bestimmte Rechte des Amtes“ – konkret die Entlassung der Bundesregierung – gesprochen werde.

Talk mit Alexander Van der Bellen

Alexander Van der Bellen spricht darüber, warum er bei den Diskussionsrunden nicht teilgenommen hat. Außerdem beantwortet er die Frage, ob er Angst vor einer Stichwahl habe, falls er sich dieser als amtierender Bundespräsident stellen muss.

Kritik an Social-Media-Auftritten wies Van der Bellen als humorlos zurück: „Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass Juli, mein Hund, ein Interview gibt.“ Zu alt für das Amt hält sich der 78-Jährige nicht: „Ich finde, ich bin jetzt langsam reif genug und alt genug, um dieses Amt auszuüben.“ Sollte er sich nicht mehr fit genug fühlen, würde er sicher sagen: „Oida, es reicht.“

Fehler eingeräumt

Den Vorwurf, dass er Schwarz-Grün gegenüber großzügiger gewesen sei als gegenüber Türkis-Blau, kann der Präsident nicht nachvollziehen. Er habe die Koalition aus Volkspartei und Freiheitlichen ebenso angelobt. Wieso er seinen nunmehrigen Konkurrenten Wallentin nicht als Verfassungsrichter akzeptierte habe, wollte Van der Bellen nicht erklären: „Ich hatte meine Gründe“.

Bedauert wurde von Van der Bellen seine Aussage, wonach die Jugend in den aktuell schwierigen Zeiten die Zähne zusammenbeißen solle – „das war in jeder Beziehung blöd“. Die Frage, ob die Fehleinschätzung Wladimir Putins der größte Fehler seiner bisherigen Amtszeit gewesen sei, bejahte er, betonte allerdings, dass es zahlreichen internationalen Politikern so ergangen sei.

Filzmaier sieht Rollenverständnis als Metathema

Während in der Sendung die Politikwissenschaftlerinnen Kathrin Stainer-Hämmerle und Katrin Praprotnik die Statements direkt im Anschluss analysierten, folgte die Einordnung von Peter Filzmaier anschließend in der ZIB2. Als Metathema des Wahlkampfs sieht er die Kompetenzen des Bundespräsidenten und sein Rollenverständnis: „Soll er eher sehr diplomatisch vorgehen“ oder soll er sehr „offensiv bis ‚Wir schmeißen die Regierung hinaus‘“ agieren?

Filzmaier zu den Hofburg-Kandidaten

Politologe Peter Filzmaier analysiert die Einzelgespräche der Bundespräsidentschaftskandidaten.

Als weiteres Thema von Herausfordererseite sei das Motiv der Kampfansage gegen die „da oben, gegen politische Eliten, gegen das Establishment“ zu bemerken. Das sei zumindest bei Rosenkranz und Grosz, die lange in der Politik sind, eher „paradox“. Die vielen Quereinsteiger hätten zu der „etwas seltsamen Logik geführt“, dass Van der Bellen einen sehr defensiven Wahlkampf geführt habe – und „alle anderen daran interessiert waren, viel Aufmerksamkeit medial zu erzielen, teilweise mit schrillen Tönen“.